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Bundeswettbewerbsbehörde-Chefin für Nachschärfungen beim Kartell- und Wettbewerbsrecht

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Natalie Harsdorf-Borsch

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Natalie Harsdorf-Borsch, Generaldirektorin der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB), wünscht sich angesichts der hohen Marktkonzentration in einigen heimischen Wirtschaftsbereichen von der Regierung Nachschärfungen beim Kartell- und Wettbewerbsrecht.

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Natalie Harsdorf-Borsch ist seit November als Generaldirektorin die erste Frau an der Spitze der Bundeswettbewerbsbehörde. Im Club der Wirtschaftspublizisten erklärte sie ihre Unzufriedenheit mit der hohen Marktkonzentration in einigen heimischen Wirtschaftsbereichen, die in der Zeit vor der Gründung der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) im Jahr 2002 entstanden ist.

Exemplarisch für die Situation ist der Lebensmittel-Einzelhandel, der in Österreich von vier Playern dominiert wird. Spar, Rewe (u.a. Billa), Hofer und Lidl teilen sich hierzulande mehr als 90 Prozent des Marktes auf. Eine ähnliche Konzentration gibt es am Energiemarkt, der ebenfalls von einigen großen Anbietern dominiert wird.

Eine Entflechtung sei aktuell allerdings nicht möglich, weil das aktuelle Kartellrecht eine solche nicht erlaubt. Von der Regierung wünscht sich die BWB-Generaldirektorin daher Nachschärfungen beim Kartell- und Wettbewerbsrecht und mehr Befugnisse für die Wettbewerbsbehörde. In Deutschland und Großbritannien hätten die Wettbewerbshüter etwa mehr Möglichkeiten in der Hand.

Harsdorf-Borschs Einschätzung wird auch von einer am 12. März veröffentlichten Analyse des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo) unterstrichen. Wifo-Ökonom Michael Böheim schreibt in dem Bericht, dass erst mit der Mitte 2002 in Kraft getretenen Novelle zum Kartell- und Wettbewerbsgesetz wurden die "gröbsten rechtlichen und institutionellen Unzulänglichkeiten ausgemerzt wurden." Und weiter: "Für einige Marktsegmente, wie insbesondere den Lebensmitteleinzelhandel, kam diese Gesetzesreform zu spät, sodass die 'wettbewerbspolitischen Schatten der Vergangenheit' bis heute nachwirken", schreibt.

Aktive Wettbewerbshüter

Im Rahmen ihrer Möglichkeiten ist die Bundeswettbewerbsbehörde jedoch sehr aktiv. Im Jahr 2023 stellte die BWB 41 Anträge an das Kartellgericht und führte zwei Hausdurchsuchungen durch. Das Kartellgericht verhängte Geldbußen in Höhe von 51,2 Mio. Euro gegen Unternehmen.

Unter anderem wegen des jüngst publik gewordenen Baukartells will die BWB-Chefin das Thema "faire Vergaben" stärker thematisieren. "Da wird Prävention notwendig sein", betont Harsdorf-Borsch. Man werde eine Präventionskampagne "auf den Weg bringen".

Causa Baukartell

Der Schaden für Gemeinden, Wohnbauträger und private Unternehmen durch das von 2002 bis 2017 laufende Baukartell ist für die Chefin der Bundeswettbewerbsbehörde zwar nicht abschätzbar. "Eine Summe zu nennen ist unseriös", sagte sie. Geschädigten-Anwalt Michael Brand hatte jedoch kürzlich den möglichen Schaden unter Verweis auf internationale Studien mit 10 bis 17 Milliarden Euro beziffert.

Aufgrund des Baukartells verhängte das Kartellgericht auf Antrag der BWB bisher Bußgelder in Höhe von 180,7 Mio. Euro, davon entfielen allein 62,35 Mio. Euro auf den Baukonzern Porr, 27,15 Mio. Euro auf Swietelsky und 26,33 Mio. Euro auf Habau. Weil neue Beweismittel aufgekommen sind, wurde das Verfahren gegen den Baukonzern Strabag noch einmal aufgerollt. Als Kronzeuge in der Baukartell-Causa hatte die Strabag eine verminderte Geldstrafe von 45,4 Mio. Euro erhalten, im nun wieder laufenden Verfahren ist die Höhe des Bußgeldes offen. "Das wird ein Präzedenzfall", sagte die BWB-Generaldirektorin. Über Kostmann wurde als ersten Kronzeugen keine Geldstrafe verhängt, die Geldbuße für Swietelsky wurde wegen des Kronzeugen-Status reduziert.

In der Causa Baukartell gibt es bisher neun rechtskräftige Verfahren. Aktuell gibt es laut der BWB-Chefin fünf anhängige Verfahren mit potenziellen Geldstrafen in Höhe von 11 Mio. Euro. Man habe 13 weitere Unternehmen mit Ermittlungsergebnissen konfrontiert und stehe kurz vor der Antragsstellung beim Kartellgericht. Insgesamt sei man mit der Aufarbeitung des Baukartells "weit fortgeschritten".

Geschädigte müssen in Zivilgerichtsverfahren nachweisen, welcher konkrete Schaden ihnen durch das Kartell der Bauunternehmen entstanden ist. Man habe gehört, dass derzeit "sehr viele Vergleichsverhandlungen laufen", so die BWB-Chefin. Die Vereinigung industrieller Bauunternehmen plädiert indes für einen Generalvergleich.

Das Baukartell ist das in Österreich bisher größte aufgedeckte Kartell in der Geschichte der Zweiten Republik. Die involvierten Firmen arrangierten regelmäßige Treffen, um die Preise festzulegen und ihre Märkte aufzuteilen. Die Treffen fanden laut Wettbewerbsbehörde in Raststationen, Tankstellen und Lokalen sowie sogar in den Geschäftsräumlichkeiten der beteiligten Unternehmen statt. Die BWB führte ab 2017 eigenständige Hausdurchsuchungen gegen mehrere Unternehmen durch, nachdem beim Kärntner Betrieb Kostmann "ein roter Ordner" mit kartellrechtswidrigen Absprachen zu rund 300 Bauvorhaben im Rahmen eines Finanzstrafverfahrens gefunden worden war.

Gasmarkt im Visier

Die "Taskforce Energie" der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) und der E-Control nimmt nun auch den Gasmarkt genauer unter die Lupe und dehnt auch den Untersuchungszeitraum aus. Untersucht werde insbesondere das Verhältnis der Preisentwicklung im Zusammenhang mit dem Bestehen der Stromkostenbremse. BWB und E-Control sehen Wettbewerbshindernisse.

Seit Erscheinen des ersten Zwischenberichts der Taskforce zeigen sich die Gaspreise für Bestandskundinnen und -kunden - trotz fallender Großhandelspreise am Gasmarkt - lange Zeit konstant hoch, so BWB und E-Control. "Zu erwarten gewesen wäre allerdings ein schnelleres Absinken im Vergleich zu Strom, vor allem, weil von Gasversorgern in der Vergangenheit für Preisanpassungen kurzfristigere Beschaffungsstrategien als bei Strom angeführt wurden. Ebenso hinkt der Preisrückgang bei Gas im europäischen Vergleich hinterher." Österreich finde sich hier lediglich im oberen Durchschnitt wieder.

Anders als im Bereich Strom ist es auf dem Gasmarkt zu keiner staatlichen Hilfestellung, wie durch den Stromkostenzuschuss, gekommen. Die Belastung hoher Gaspreise für Endverbraucher sei daher im Haushaltsbudget deutlich spürbarer. Die Entwicklung der Gaspreise sei auch deshalb besonders als Beitrag zur Inflation beobachtbar. "Diese Gründe lassen insgesamt auf Hindernisse für einen effektiven Wettbewerb am Gasendkundenmarkt schließen."

"Strom und Gas sind essenzielle Güter für jeden österreichischen Haushalt und die Betriebe. Die Entwicklung bei den Gaspreisen ist trotz sinkender Großhandelspreise besorgniserregend hoch, wir werden das jetzt wettbewerblich untersuchen", so die BWB-Chefin. "In den ersten Monaten des heurigen Jahres beobachten wir weiterhin sinkende Preise am Großhandel. Wir erwarten deshalb, dass die Konsument:innen diese Entwicklung auch zeitnah in ihren Geldbörsen spüren. Vor allem bei den Bestandskundenpreisen sehen wir noch deutliches Potenzial nach unten", ergänzte E-Control-Vorstand Wolfgang Urbantschitsch. Die BWB und die E-Control werden mit dem Ende der Verlängerung der Stromkostenbremse einen abschließenden Endbericht veröffentlichen.

Man werde bei den großen Gasanbietern in Österreich nachfragen, wie ihre Beschaffungsstrategien aussehen, kündigte die BWB-Chefin an. Es gehe darum, zu welchen Preisen und von wo die Energieversorger Gas beschaffen und welche Preise die Verbraucher sowie die kleinen und mittleren Unternehmen zahlen müssen. "Was geben sie weiter, was fließt da ein in die Preissetzung", so Harsdorf-Borsch. "Das ist die erste Ebene, wo wir reingehen. Das heißt nicht, dass wir dort stehenbleiben."

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