Politik Backstage von Josef Votzi: Wie out ist Doskozil?

Der lästige ROTE LANDESFÜRST schoss sich selbst ins Bein. Warum davon nicht die rote "Pam", sondern ein Rising Star im Rathaus profitiert. Und: Warum VP-Spitzenkandidat Blümel vor der Wien-Wahl als "Mr. Budget" auf Tauchstation geht.

Thema: Politik Backstage von Josef Votzi
Politik Backstage von Josef Votzi: Wie out ist Doskozil?

IM BANKENSKANDAL wurde Doskozil Opfer seines Herrschaftssystems: mauern, leugnen und sofort zum Gegenangriff blasen.

Wenn Martin Pucher ins VIP-Zelt des "Pappelstadions" lud, fanden sich Promis, Adabeis und Fußballfans aller Coleurs ein. Der Hausherr pflegte seine Gäste mitunter gerne gönnerhaft so zu begrüßen: "Heute kannst bei mir wieder umsonst essen und trinken."

Umsonst war bei Pucher freilich selten etwas. Der Mattersburger Lokalkaiser hatte in drei Jahrzehnten ein dichtes Netz aus Geben und Nehmen gestrickt. "Er hat im ganzen Bezirk Gefälligkeiten verteilt. Da ein neues Fahrzeug für die Feuerwehr, dort neues Spielzeug für einen Kindergarten", so ein teilnehmender Beobachter.

Pucher verteilte Gefälligkeiten in klingender Münze und forderte dafür grenzenloses Vertrauen ein: Widerspruch und Kontrolle waren im Reich des Bezirkskaisers nicht geduldet.

Sein Vorbild war niemand anderer als ein ebenso autokratischer Fußballnarr, aber - zumindest früher - ein echter Milliardär. Pucher bewunderte Frank Stronach seit gemeinsamen Tagen in der Bundesliga grenzenlos.


Spätfeudal, misstrauisch und halbinformiert

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Warum geriet der Landeschef dennoch derart heftig in den Strudel des Millionendesasters um Puchers Commerzialbank?

Der burgenländische Landeschef wurde Opfer seines Herrschaftssystems: mauern, leugnen und sofort zum Gegenangriff übergehen. Im Burgenland regieren im 21. Jahrhundert noch spätfeudale Zustände. Bei Doskozil kommt hinzu: "Er ist höchst misstrauisch, auch den eigenen Leuten gegenüber. Das ist ihm aus seiner Zeit als Polizist geblieben", sagt ein Kenner.

Schon als Verteidigungsminister hat er mit dem renommierten Unternehmen Gaisberg zwar eine professionelle PR-Agentur angeheuert, die er auch für seinen ersten Wahlkampf engagierte.

In der eigenen Partei ließ der methodisch Misstrauische aber so gut wie niemandem aufkommen, der von sich sagen kann, er habe das Ohr des Landeshauptmanns.

Als die Commerzialbank-Pleite über Nacht über ihn hereinbrach, wollte sich Doskozil einmal mehr allein auf seinen Instinkt verlassen: Offensive ist die beste Verteidigung. Da kam ihm die Halbwahrheit einer - fahrlässig nicht gegengecheckten - "Kurier"-Schlagzeile geradezu gerufen. Doskozil proklamierte sie als "Lüge". Und wurde dabei selber zum Opfer von Halbwahrheiten. Eine für die Vergabe von EU-Fördergeldern zuständige Landesgesellschaft hatte energisch die Schlagzeile dementiert, in der Nacht vor dem Commerzialbank-Ende einen Millionenbetrag per Internet abgezogen zu haben. Was Doskozil zum Zeitpunkt seiner "Lügen"-Attacke offenbar noch nicht wusste. Seine Untergebenen hatten es probiert, scheiterten aber an der bereits verhängten Kontosperre.

Der Verdacht der Weitergabe von Insiderwissen lag in der Luft. Aktenkundiger Insider war zu diesem Zeitpunkt allein Doskozil, der von der Finanzmarktaufsicht über die bevorstehende totale Kontosperre vorab informiert worden war.


Landesfürst im Don-Quijote-Eck


Ein politischer Super-GAU für den Landesfürsten, der sich ohne Not zur Zielscheibe in einem Megabankenskandal machte. Statt über das Kontrollversagen der Wirtschaftsprüfer, Aufsichtsräte und Bankprüfer in Notenbank und FMA ging es tagelang um möglichen Missbrauch von Insiderwissen im Dunstkreis der roten Landesregierung.


"Doskos" so klare wie einfache Botschaft: streng rechts in Sachen Asyl und Migration. Kantig links bei der Umverteilung.

Doskozils Kritiker in der SPÖ hatten freilich schon Wochen davor den Kopf über Serieninterviews des Burgenländers geschüttelt. Alles keine persönlichen Attacken gegen die Parteichefin, versicherte dieser treuherzig. Sondern nur gutgemeinte Ratschläge, wie die SPÖ aus dem Dauertief kommen könne. "Doskos" so klare wie einfache Botschaft für eine erfolgreichere SPÖ-Politik: streng rechts in Sachen Asyl und Migration, kantig links in der Einkommens- und Umverteilungspolitik. Stichwort Nettomindestlohn von 1.700 Euro.

Diese Polit-Offensive war kein Ablenkungsmanöver. Die ersten Schritte waren schon vor Bekanntwerden des Bankenskandals gesetzt.

Die Wien-Wahl hält er angesichts des Corona-Bonus für die Regierenden für gelaufen: im Bund Kurz, in Wien Ludwig.

Hans Peter Doskozil ist überzeugt, dass nach der für die SPÖ ungebrochen erfolgreichen Wien-Wahl die Zeit für eine neuerliche Debatte über die glücklose SPÖ-Führung reif werden könnte - und wollte sich rechtzeitig klar positionieren: Als strategischer Denker, der als Einziger ein Rezept hat, um die SPÖ auch im Bund wieder in die Offensive zu bringen.


Der Tabubruch: Attacke auf ÖGB &AK


In einem "Falter"-Interview brach er in seinem Furor jüngst gar mit einem roten Tabu. Doskozil tat öffentlich seinem Ärger über Gewerkschaften und Arbeiterkammer kund, weil diese nicht nur seine Forderung nach einem Netto-Mindestlohn von 1.700 Euro "als Erste kritisiert" hätten. Er zieh sie auch, den "Neoliberalen" auf den Leim zu gehen: "Da hieß es, das sei utopisch, das können wir uns nicht leisten! Dieses Mantra der Wirtschaft wurde so oft gepredigt, dass die Arbeitnehmervertreter es inzwischen selber glauben."

Auf Doskozils Liste der Kritisierten "fehlt nur noch der Wiener Bürgermeister", analysiert ein SPÖ-Insider sarkastisch: Ein roter Spitzenmann müsse sich sehr stark fühlen, wenn er glaube, er könne es sich auch mit den letzten Machtbastionen der Partei anlegen. Oder er hat nach seiner unverhofften Rückeroberung der absoluten Mehrheit im Burgenland im Jänner die Bodenhaftung verloren.


Pannonischer Rückenwind für Peter Hacker


Nicht nur die - überschaubar eingefleischten - Fans in der SPÖ-Spitze von Pamela Rendi-Wagner wittern so endgültig Morgenluft. Tenor: Das Thema Hans Peter Doskozil als SPÖ-Parteichef und Nationalratswahl-Spitzenkandidat hat sich für absehbare Zeit erledigt. Die amtierende SPÖ-Chefin dürfte davon aber nicht auf Dauer profitieren. Je länger Gras über das "Dosko"-PR-Desaster wächst, desto größer wird auch die Restchance, dass sich der Burgenländer wieder ins Rennen bringt. Er ist als Landeshauptmann ungebrochen populär. Selbst Kritiker sagen, dass er in seiner Zeit als Polizeidirektor, Verteidigungsminister, Finanzlandesrat und auch jetzt als Landeshauptmann Handschlagqualität hat.

Der wahre Profiteur des Doskozil-Outs sitzt darum derzeit im Wiener Rathaus und heißt Peter Hacker. Der Zilk-Schüler bringt auch für urbane Genossen mit, was sich Anhänger des Burgenländers von diesem als Parteichef erträum(t)en: eine wilde Mischung aus hemdsärmeligem Pragmatiker, links blinkendem Visionär und - vor allem - kantigen Kurz-Widersacher. Hacker hatte sich schon in der in der Corona-Krise als Anti-Kurz profiliert.

Seine Stunde muss aber nicht gleich nach Wien-Wahl schlagen. Er und die Wiener SPÖ können, anders als der drängende "Dosko", noch warten, bis die strategische Lage für einen Neustart der Bundes-SPÖ günstiger ist. Solange die oder der nächste Listenerste bestenfalls als sichere oder sicherer Zweiter vom Platz geht, werden sich gevifte Taktiker wie Peter Hacker weiter bedeckt halten.


Blümel enthüllt Budget erst vier Tage nach Wien-Wahl


Einer, der erstmals als Spitzenkandidat bei der Wien-Wahl antritt, hat weder Gelüste noch ernsthafte Aussichten auf einen Jobwechsel. VP-Frontmann und Finanzminister Gernot Blümel ist vielmehr damit beschäftigt, sich rechtzeitig aus der Schusslinie der Opposition zu bringen. Nach dem PR-Desaster um fehlende Nullen in seinem ersten Nicht-Budget 2020 im Frühjahr ist spätestens im Herbst Blümels erstes ordentliches Budget für 2021 fällig.

Die Strategen im Finanzministerium spielten lange mit dem Gedanken, die im Herbst fällige Budgetrede knapp vor dem 11. Oktober als willkommene Bühne für das Wiener Wahlkampf-Finale zu nutzen. Davon hat sich das Kurz-Team dieser Tage intern endgültig verabschiedet. Gernot Blümel wird seine erste ordentliche Budgetrede vier Tage nach der Wien-Wahl am 15. Oktober halten. Ein weiteres Desaster um einen Hausnummern-Haushalt kann und will sich die Kurz-Truppe nicht leisten.

Gernot Blümel setzt in den verbleibenden Wochen vor der Rathaus-Wahl lieber auf todsichere PR-Treffer. Anfang der Woche ließ er sich für jene 100 Millionen Euro feiern, die seine Steuerfahnder im Vorjahr eingetrieben haben. Tage davor begrüßte er höchstpersönlich einen neuen Diensthund bei der Zollfahndung.


Der Autor

Josef Votzi

Josef Votzi

Josef Votzi ist einer der renommiertesten Politikjournalisten des Landes. Der Enthüller der Affäre Groër arbeitete für profil und News und war zuletzt Politik- und Sonntagschef des "Kurier". Für den trend beleuchtet er wöchentlich Österreichs Politik.

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