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Kurt-Vorhofer-Preisträger 2025: Josef Votzis Rede

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Kurt-Vorhofer-Preisträger Josef Votzi und Bundespräsident Alexander Van der Bellen

©Georg Aufreiter
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Der trend-Kolumnist geißelt anlässlich der Verleihung des Kurt-Vorhofer-Preises in der Präsidentschaftskanzlei die mediale Infrastruktur des Landes, sie sei „maroder als die deutsche Bahn". Die Rede im Original-Wortlaut.

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Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrte Frau Vorhofer, sehr geehrte Festgäste, liebe Freunde und Familienangehörige!

Als ich heute die Treppen der Präsidentschaftskanzlei heraufgestiegen bin, habe ich mich gefragt, wann ich das erste Mal da war.

An das erste Mal erinnere ich mich nicht mehr. Ich weiß aber, dass ich oft da war. Zu Interviews, zu Hintergrundgesprächen, zuletzt auffällig oft zu Regierungsangelobungen. Der Bundespräsident weiß als ungewollter Rekordhalter bei Angelobungen wohl ein Lied davon zu singen.

Als ich heute die Treppe heraufgestiegen bin, war da vor allem aber auch ein Gefühl tiefer Dankbarkeit. Ich habe zuallererst all jenen zu danken, die mich mit dem Kurt-Vorhofer-Preis bedacht haben. Ich empfinde das als besonderes Zeichen der Anerkennung - zumal durch eine Jury von höchst honorigen Kolleginnen und Kollegen herzlichen Dank Ihnen allen.

Dankbar bin ich auch meinen journalistischen Weggefährten -  inklusive meinen ehemaligen Chefs sowie all den Kolleginnen und Kollegen, die mich selber als Chef durch viele Jahre ertragen und getragen haben. Sie alle haben es möglich gemacht, bis heute mit Freude und Hingabe journalistisch zu arbeiten. 

Zeit für Recherche

Dankbar bin ich aber auch dem glücklichen Umstand, dass ich einen prägenden und großen Teil meines Berufslebens in einer Zeit zubringen durfte, in der für Medien vergleichsweise paradiesische Bedingungen geherrscht haben. Als ich bei profil als 23-jähriger im Ressort Chronik begonnen habe, war es Standard: Für Recherche und Schreiben einer einzigen Geschichte hat man zumindest eine ganze Woche Zeit. Gründlichkeit bei Recherche, Formulierung und mehrfacher Endredaktion eines Textes stand also nichts im Wege.

Für ein journalistisches Porträt über einen Politiker, Manager oder Prominenten waren beispielsweise Gespräche mit einem Dutzend von Freunden, Feinden und Kennern der Person nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Aus Gesprächen mit damaligen Journalisten bei Tageszeitungen weiß ich: Auch bei Tagesmedien konnte man sich zu der Zeit Freiraum für umfassende Recherche und sorgfältige Schreibe schaffen.

Diese Art arbeiten zu können und zu dürfen prägte bei vielen Kolleginnen und Kollegen in dieser Zeit ihr Verständnis von Journalismus. 

Dazu kam bei profil ein sehr selbstbewusster Umgang mit Unabhängigkeit:  Was wie wann Thema in profil wird, wird allein in der Redaktion entschieden. Besonderen Eindruck hat auf mich als junger Journalist auch die strikte Trennung zwischen redaktioneller und kommerzieller Arbeit gemacht. Über den journalistischen Inhalt haben die Anzeigen allein in einem Punkt entschieden: Wieviele redaktionelle Seiten sind in der jeweiligen profil-Ausgabe aufgrund der Anzeigenbestellungen möglich. Dafür gab es einen genauen Schlüssel. 

Anzeigen-Tarnkappe

Die Anzeigenbestellung trudelte jede Woche als anonyme Liste ein: Wer welche Doppelseiten, Einzelseiten oder kleinere Anzeigenformate bestellt hatte, wurde erst bei Andruck sichtbar. Als der Eigentümer Anfang der 1990er Jahr den damaligen profil-Chefredakteur zusätzlich auch zum Geschäftsführer machen wollte, war daher Feuer am Dach.

Für das Gros des ganzen Verlages war das ein Bruch mit der DNA von profil und trend, der über jeden Zweifel erhabenen politischen und wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Die Mehrheit plädierte in einer Urabstimmung für einen Streik. Dieser wurde mit zehn Tagen zum bislang längsten Streik in der österreichischen Mediengeschichte. 

Ich habe das als Sprecher des Betriebsrates damals an vorderster Front besonders hautnah miterlebt. Die Doppellösung, Chefredakteur und Geschäftsführer in einer Person, wurde abgeblasen.

Das alles ist inzwischen mehr als einige Jahre her. Und mir geht es nicht darum, Sie mit Geschichten aus einer vermeintlich „guten alten Zeit“ zu behelligen. Ich erzähle das deshalb, weil es gerade an einem Tag wie diesem geboten ist, die immer rauer werdende Wirklichkeit in den Medien in den Blick zu nehmen. Weil es überfällig ist, breit und offen darüber zu reden, unter welchen Umständen heute Medien arbeiten.

Wer heute mit Kolleginnen und Kollegen über ihren Redaktionsalltag redet, bekommt zu hören: Es geht immer öfter zuvorderst darum alle „Dienste” zu besetzen. Das heißt dafür zu sorgen, dass der Newsdesk von 6 Uhr früh bis kurz vor Mitternacht nicht unbesetzt bleibt, um bei Breaking News Online unter den Ersten und Schnellsten zu sein. 

Das ist in Zeiten von Sparpaketen und Personalabbau für viele Redaktionen eine immer größere Herausforderung. Da ist oft nur noch Zeit und Platz für die Pflicht und immer weniger für die Kür. Für die schnelle Meldung und nicht für die umfassende Recherche. 

Um nicht missverstanden zu werden: Es geht mir nicht primär darum, das Arbeitsleid von Journalisten beklagen. Mir geht es darum dagegen anzureden, mit welcher schlafwandlerischen Ignoranz und mit welchem schulterzuckendem Fatalismus mit den miserablen Bedingungen bei der Medienproduktion umgegangen wird. 

Mir geht es darum, dass unter solchen Bedingungen guter und unabhängiger Journalismus zur Ausnahme zu werden droht. Ohne diesen Humus kann aber eine kritische Öffentlichkeit nicht ausreichend gedeihen und damit auch keine lebendige Demokratie.

Der ignorierte Tod der Medien

Österreich hat an vielen Ecken und Enden Erneuerungsbedarf. Hier gibt es viele gute Vorsätze und Ideen rund um den Start der neuen Regierung. Umso mehr vermisse ich aber nachhaltige Initiativen zur Sicherung eines unabhängigen Journalismus.

Wir machen uns zu Recht Sorgen um Erhalt und Sicherung der Infrastruktur etwa bei der Energieversorgung, bei der Telekommunikation oder beim öffentlichem Verkehr. Wir brauchen dringend auch mehr Aufmerksamkeit auf die mediale Infrastruktur. Sie ist maroder als die deutsche Bahn und so morsch, dass sie den nächsten ökonomischen Beben nicht mehr breit standhalten wird können.

Ohne eine intakte mediale Infrastruktur kommt der demokratische Betrieb ins Schleudern. Ohne eine intakte mediale Infrastruktur wird die Öffentlichkeit zum Spielball von politischen und wirtschaftlichen Einzelinteressen. Ein zweistelliger Millionenbetrag zur Vertriebsförderung und ein ähnlich hoher Betrag zur Förderung von Gratis-Zeitungs-Abos für Schüler und Lehrlinge - wie sie das Regierungsprogramm vorsehen - sind erfreulich. 

Beides ist aber primär ein Beitrag zum Erhalt einer unweigerlich schrumpfenden Printlandschaft. Angesichts des rasanten Wandels vom Print- ins Digital-Zeitalter ist das keine nachhaltige Antwort auf die tatsächlichen Herausforderungen.

Der ehemalige Justizminister Clemens Jabloner hat einst versucht, für seine Anliegen die Öffentlichkeit mit dem Satz wachzurütteln: Die Justiz stirbt einen stillen Tod. Wenn wir in Sachen Medien & Journalismus so weitermachen, wird bald jemand sagen können: Immer mehr Print-Medien sterben einen ignorierten Tod. Und damit auch die von ihnen getragene kritische Öffentlichkeit.

Als jemand, der heute in der Hofburg einen Journalistenpreis entgegennehmen darf, nehme ich mir heraus, einen Wunsch an die derzeit Verantwortlichen in dieser Republik auszusprechen. „Medien sterben einen ignorierten Tod”. Dieser Satz darf nicht endgültig wahr werden. Soweit darf es in einem Land, das einen Hugo Portisch, einen Oscar Bronner und einen Gerd Bacher hervorgebracht hat, nicht kommen.

Es gibt keine einfachen Rezepte, um tragfähige Erlösmodelle für digitale Inhalte zu etablieren, aber einige couragierte Initiativen und kreative Ideen. Ich darf in diesem Zusammenhang zitieren, was jüngst eine der fundiertesten Branchen-Expertinnen dazu formuliert hat. Anita Zielina hat jahrelang als Journalistin an der Transformation der Printwelt ins digitale Zeitalter gearbeitet. Aktuell ist sie Director of News Innovation and Leadership an der Craig Newmark Graduate School of Journalism der City University New York. 

Anita Zielina sagte dieser Tage: „Österreich verdient sich eine grundlegende Reform der Medienförderung. Wir fördern aktuell nämlich vor allem eines: Stillstand. Wir müssen weg davon, Medieninnovationen und Startups die Krümel, die Restplätze in alte Fördertöpfen zu geben.” Den flammenden Appell, den Zielina als Conclusio formuliert, teile ich zu hundert Prozent: Die Bundesregierung hat die einmalige Chance, Österreichs Medienwelt jetzt radikal zukunftsfit zu machen. Das ist vielleicht - auch demokratiepolitisch -  eines der letzten Fenster dazu, das sich bald schließen könnte.

Hier kommen Sie zu „Politik Backstage“ - der wöchentlichen trend-Kolumne von Preisträger Josef Votzi.

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