
Warum die Dreier-Koalition Missklänge um das Budget gleich dreifach übertönte. Wie es zum Last-Minute-Kompromiss bei Waffengesetz, Messenger-Überwachung & Pensionssparpaket kam. Was die SPÖ als Gegengeschäft verlangte. Wie die Neos einen Aufstand der „NGO-Fraktion“ im Keim erstickten.
von
- Schweißtreibender Budget-Marathon ohne Claqueure
- Dreifaches Medienfeuerwerk just zum Budget-Finale
- Go bei Messenger-Überwachung & Alarm-Melder bei Pensionskosten
- Jede Koalitionspartei hat ein neues Vorzeige-Projekt
- SPÖ junktimierte Ja zu Bundestrojaner mit Go für Bundesstaatsanwalt
- Schicksalhafte Themenflut
- Dräuender Neos-Aufstand durch Blitz-Einigung unterbunden
- „Neos-NGO-Fraktion“
- Schwarz-rotes Duo auf Bad-Cop-good-Cop-Kurs
Im Parlamentscafé gleich hinter dem Plenarsaal herrscht diesen Mittwoch Mittag mehr als das gewohnte Treiben. Minister, Abgeordnete und Mitarbeiter schneien auf einen schnellen Espresso herein, ordern ein Sandwich oder einen der beiden angebotenen Tagesteller. Auf zwei Bildschirmen haben sie immer das Geschehen um die Ecke via Livestream samt Stand der Rednerliste im Blick.
Am dritten Tag der Plenardebatte zum Staatshaushalt zehrt dieser jährliche Parlamentsmarathon schon sichtlich an Energiereserven und Nerven. Zumal sich schon zu Wochenbeginn der Starttag zum Budget-Palaver bis in die frühen Morgenstunden gezogen hatte. Wegen einer dringlichen Anfrage der FPÖ zum Besuch des ukrainischen Präsidenten in Wien musste die Budgetdebatte unterbrochen werden. Deshalb leerte sich der Plenarsaal erst 18 Stunden nach Sitzungseröffnung Dienstag gegen drei Uhr früh.
Schweißtreibender Budget-Marathon ohne Claqueure
Am Tag danach machen Hochrechnungen die Runde, wann ob dessen nun mit dem endgültigen Zieleinlauf zu rechnen sei. Eine Schnellschätzung mit Blick auf die noch offene Rednerliste ergibt: Wenn die Minister mit ihren – im Gegensatz zu den Abgeordneten zeitlich unbeschränkten – Wortmeldungen von der Regierungsbank aus nicht den Rahmen sprengten, dann stünde der finalen Abstimmung am späteren Nachmittag nichts im Wege. Kurz vor halb sechs Uhr war Mittwoch frühabends dann der schweißtreibende dreitägige Budgetmarathon dann auch tatsächlich vollbracht.
Der mediale Output des maximalen Aufwands in Sachen Debatte über das Doppelbudget 2025/26 ging nicht nur deshalb in der öffentlichen Wahrnehmung unter, weil zum Staatshaushalt seit Wochen schon fast alles gesagt war – nur noch nicht von allen. Die Dreier-Koalition hatte mit einem dreifachen Medienfeuerwerk für jede Menge anderer Schlagzeilen gesorgt.
Neue Folge „Politik Backstage“ - der Podcast
Hier geht es zur neuen Podcastfolge von Politik Backstage - erzählt von der KI-generierten Stimme von trend-Kolumnist Josef Votzi.
Dreifaches Medienfeuerwerk just zum Budget-Finale
Zum einen war es dringend geboten, eine politische Antwort auf den größten Amoklauf in der Geschichte des Landes zu geben. Die Präsentation eines Bündels geplanter Maßnahmen übernahm die Regierungsspitze Mittwochfrüh persönlich: von einer Verschärfung des bislang besonders laxen Waffengesetzes bis zu mehr psychosozialer Betreuung für Jugendliche. Für konkrete Gesetzesentwürfe reichte die Zeit nicht. Die vielen Absichtserklärungen sollen aber, proklamiert das Koalitionsspitzentrio, so rasch beschlussreif gemacht werden, dass die entsprechenden Gesetze bereits mit Start des neuen Schuljahres im Herbst wirksam werden.
Go bei Messenger-Überwachung & Alarm-Melder bei Pensionskosten
Mittwochmittag gaben ÖVP-Innenminister Gerhard Karner, SPÖ-Staatssekretär Jörg Leichtfried und Neos-Klubchef Yannick Shetty zudem grünes Licht für die Messenger-Überwachung von potentiellen Gefährdern.
Nur zwei Stunden danach bestritt Neos-Fraktionschef Shetty auch den dritten koalitionären Medienauftritt, diesmal gemeinsam mit den Klubobleuten August Wöginger (ÖVP) und Philip Kucher (SPÖ). Zusätzlich zum weithin schon bekannten Vorhaben, die Korridorpension vulgo Frühpension auf drei Jahre zu verkürzen, und zur Einführung einer Teilpension verkündete das Koalitionstrio auch die Einigung auf einen Pensionskosten-Deckel im Budget. Sobald der Aufwand für die Pensionsfinanzierung eine festgelegte Grenze überschreitet, wird automatisch eine Alarmmeldung an das Parlament ausgelöst. Das erfordert, so will es der neue „Nachhaltigkeitsmechanismus“, umgehend Maßnahmen zur Kostendämpfung.
Pferdefuß des Plans: Wo und wie der Gesetzgeber auf die Budgetbremse tritt, darüber wird jeweils erst akut entschieden. „Die Regierung verschließt vor dieser demographischen Bombe endlich nicht mehr kollektiv die Augen“, sagt ein hochrangiger ÖVP-Sozialpartner, „aber bei einem politisch derart sensiblen und wegen des Vertrauensschutzes auch juristisch heiklen Thema die entscheidenden Antworten offen zu lassen, ist fahrlässig.“ Denn von „Leistungssenkung“ bis „Erhöhung des gesetzlichen Pensionsalters“ ist theoretisch alles möglich, so das nüchterne Resümee eines der Promotoren des Pensionskosten-Deckels, Neos-Klubobmann Shetty.
Jede Koalitionspartei hat ein neues Vorzeige-Projekt
Koalitionsspitzen aller Lager resümieren dieser Tage freilich alles in allem durchaus zufrieden: „Auch wenn wir es so nicht geplant haben: Es hat nun jede der drei Regierungsparteien ein Vorzeigeprojekt für die kommenden Wochen.“
-> Die ÖVP kann und wird sich mit der Messenger-Überwachung nun ein seit Jahren getrommeltes Vorhaben als Erfolg der „Sicherheitspartei“ auf die Fahnen heften.
-> Die SPÖ kann und wird sich als „Anwalt der Kinder und des Menschenschutzes“ als besondere Vorreiterin für ein schärferes Waffenrecht präsentieren.
-> Die Neos können und werden trommeln, mit dem „Nachhaltigkeitsmechanismus“ vulgo Kosten-Deckel einen ersten einschneidenden Reformschritt bei den Pensionen gesetzt zu haben.
SPÖ junktimierte Ja zu Bundestrojaner mit Go für Bundesstaatsanwalt
Was bisher nicht an die große Glocke gehängt wurde, ist ein viertes großes politisches Projekt, das Türkis-Rot-Pink jetzt rasch in trockene Tücher bringen will: Die Installation einer dreiköpfigen Bundesstaatsanwaltschaft als Weisungsspitze in Justizcausen anstelle des jeweiligen Justiz-Ressortchefs soll umgehend umgesetzt werden. Einige im Regierungsabkommen noch offen gelassene Detailfragen sollen noch vor dem Sommer geklärt werden. Teilnehmende Beobachter sagen, die SPÖ-Spitze habe die Priorisierung dieses Regierungsvorhabens mit ihrem Ja zu anderen Vorhaben junktimiert.
Fakt ist, die SPÖ hatte bis zuletzt etwa auch auf sofort strengere Regeln beim Kauf einer Schrotflinte gedrängt. Und hätte gerne auch eine Nachschärfung von zuletzt unter Türkis-Blau gelockerten Regeln bei Jägern gehabt. Zudem taten sich nicht nur die Neos, sondern auch die SPÖ mit ihrer Zustimmung zu einer Messenger-Überwachung schwer. Schließlich hatten die Roten jahrelang gemeinsam mit Pink von den Oppositionsbänken aus gegen diesen ÖVP-Wunsch kampagnisiert und waren gegen den türkis-blauen Bundestrojaner auch Hand in Hand erfolgreich vor den Verfassungsgerichtshof gezogen.
Die Verkündigung des Blitzstarts Richtung Bundesstaatsanwalt haben sich die Koalitionskutscher noch vorbehalten. Eine zeitgleiche Ankündigung hätte endgültig zu einem medialen Overkill geführt.
Schicksalhafte Themenflut
Drei Regierungs-Pressekonferenzen am Tag des Budgetbeschlusses sind an sich ein abschreckendes und fettes No-Go-Beispiel für jedes Handbuch der Kommunikation, so ein ehemaliger Regierungsstratege. Selbst dann, wenn man die oppositionelle Begleitmusik rund um ein milliardenschweres Nolens-Volens-Sparbudget übertönen wollte, hätte ein einziger Medienauftritt mit einem starken anderen Thema gereicht „Wenn wir es uns aussuchen hätten können, dann wären wir uns nicht selbst mit so vielen Themen auf einmal im Weg gestanden“, sagt ein Regierungskommunikator.
Ein Maßnahmenpaket nach der Tragödie von Graz war aber überfällig, das Pensionspaket musste noch rechtzeitig in den parlamentarischen Prozess gebracht werden, um es vor der Sommerpause noch beschließen zu können.
Dräuender Neos-Aufstand durch Blitz-Einigung unterbunden
Und auch für einen gesicherten Durchbruch bei der Hängepartie Messenger-Überwachung war legistisch und politisch Eile geboten. Denn vor allem bei den Neos braute sich zunehmend Ungemach zusammen. Neos-Klubvize Nikolaus Scherak war Neos-intern auch durch ein zusätzliches Bündel von rechtlichen und praktischen Hürden nicht von seinem Nein abzubringen. Gemeinsam mit Stephanie Krisper wollte er in jedem Fall gegen das Regierungsvorhaben stimmen.
Scherak spielte Neos-intern zudem mit der Idee, bei der für vergangenen Sonntag schon vor längerem geplanten Neos-Mitgliederversammlung eine Resolution gegen die Messenger-Überwachung zur Abstimmung zu bringen – und so auch andere Abgeordnete, deren Wiederwahl an das Votum der Basis gebunden ist, unter Druck zu bringen.
Dazu kann und wird es nun nicht mehr kommen. Die Neos hatten im Windschatten des Amoklaufes von Graz – so wie andere Parteien auch – die Mitgliederversammlung abgesagt und sicherheitshalber gleich auf den Herbst verschoben.
„Neos-NGO-Fraktion“
„Bis auf unsere NGO-Fraktion“ werde daher im Parlament niemand gegen die Messenger-Überwachung stimmen, so ein Neos-Mann über die beiden pinken Dissidenten Scherak und Krisper.
Einer, der an diesem Tag den politischen Durchbruch sichtlich triumphal genoss, war Innenminister Gerhard Karner. Einen ORF-Reporter wies Karner ob der naheliegenden Frage an Klubchef Shetty nach möglichen koalitionären Folgewirkungen des Ausscherens von Scherak & Co. vorsorglich in schneidendem Ton in die Schranken: Dass „wir drei hier stehen“ sei der Beweis, dass „Einigkeit in der Koalition“ herrsche.
Schwarz-rotes Duo auf Bad-Cop-good-Cop-Kurs
Alles in allem aber erleichtert und entspannt zog sich danach ÖVP-Ressortchef Karner spontan in kleiner Runde in eine Ecke des Parlamentscafés zurück und ließ eine Runde Prosecco auftischen. Angestoßen wurde freilich nicht auf den finalen nächtlichen Verhandlungserfolg. Die Runde der Klubobleute und Koalitionskoordinatoren hatte sich erst um halb ein Uhr früh getrennt, um wenige Stunden später gleich dreimal türkis-rot-pinken Rauch aufsteigen lassen zu können.
Mit einem schnellen Glas angestoßen wurde auf den 58. Geburtstag von SPÖ-Staatssekretär Jörg Leichtfried. Das niederösterreichische ÖVP-Urgestein Karner und sein SPÖ-Staatssekretär sind dabei, sich zu einem stabilisierenden Gespann in der Dreier-Koalition zu finden – sie machen immer öfter auf Good Cop, Bad Cop. Der abseits der Polit-Bühne sehr umgängliche Innenminister gibt nach außen hin mehr denn je den schneidig auftretenden Polizeiminister, sein rotes Visavis die sanfte Stimme im koalitionären Chor für Law und Order.