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Politik Backstage: Neustart mit alten Hürden

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Ex-Ministerin Karoline Edtstadler übernimmt am 28. Juni die Führung der Salzburger ÖVP und kurz darauf jene des Landes.

©trend/Lukas Ilgner
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Gewichtige personelle Weichenstellungen bei ÖVP und Grünen: warum der Aufstieg zur Salzburger Landeshauptfrau für Karoline Edtstadler noch lange nicht Endstation in der ÖVP ist. Mit welcher Herkulesaufgabe Christian Stocker Vorgänger Wilfried Haslauer nun betrauen will. Wie Leonore Gewessler als grüne Parteichefin ihr ehernes Image bei Ex-Koalitionspartnern, nicht paktfähig zu sein, aufweichen will.

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Karoline Edtstadler, designierte Salzburger Landeshauptfrau, hatte Glück im Unglück. Nach dem Amoklauf am Dienstag nach Pfingsten in Graz stellten umgehend auch alle Parteien ihren Betrieb auf Halbmast. Sämtliche Feste, aber auch alle anderen geplanten größeren Veranstaltungen wurden abgesagt. So auch der Parteitag zur Hofübergabe in der ÖVP Salzburg.

Doch diesen Samstag ist es nun endgültig so weit. Mit Edtstadler steigt eine vielseitige Politikerin in die Liga der in der ÖVP nach wie vor tonangebenden Landeshauptleute ein. Von ihr wird nicht nur deshalb auch weiter bundespolitisch zu hören sein. „Wenn es in Salzburg gut läuft, dann spricht alles dafür, dass der Sessel der Landeshauptfrau für Karo nicht ihre Endstation in der Spitzenpolitik ist“, sagt ein langjähriger Kenner. Edtstadler wurde im März 44 Jahre alt und steigt damit sehr jung in die Riege der Länderfürst:innen ein.

Plötzlich Landeshauptfrau: Karoline Edtstadler

Ihren Lieblingsjob, EU-Kommissarin, hatte ihr Karl Nehammer im Herbst des Vorjahrs vermasselt. Mit der harschen Begründung „Solange ich Kanzler bin, wirst du nicht Kommissarin.“ Nehammer hatte die selbstbewusste Ministerin zum einen als permanente Konkurrentin gesehen. Zum anderen hatte er ihr nicht verziehen, dass sie sich seinem Wunsch verweigert hatte, bei der EU-Wahl im Juni 2024 die ÖVP-Spitzenkandidatin zu geben. Das Angebot von Wilfried Haslauer in den Weihnachtsferientagen, seine Nachfolge zu übernehmen, kam überraschend und last minute. Edt stadler hatte schon alle Weichen gestellt, neben ihrem Nationalratsmandat eine Anwaltskanzlei in Salzburg aufzubauen.

Mit Haslauer geht freilich einer, von dem, geht es nach dem Wunsch von Christian Stocker, auch weiterhin noch viel zu hören sein wird. Die beiden gelernten Rechtsanwälte haben nicht nur die gleiche Wellenlänge. Der spätberufene 65-jährige Kanzler hält auch politisch große Stücke auf den 69-jährigen langjährigen ÖVP-Spitzenmann.

Haslauer, sagen Kenner des Innenlebens der ÖVP, hatte sich in seinen gut zwei Jahrzehnten in der Salzburger Landespolitik bald auch als Grandseigneur der Westachse der schwarzen-türkisen Länderchefs etabliert.

Als es nach dem blitzartigen Rückzug von Karl Nehammer am heurigen Dreikönigswochenende darum ging, wer die ÖVP übernimmt, spielte Haslauer eine Schlüsselrolle. Einige ÖVP-Mächtige, allen voran Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und einflussreiche Spitzenleute im ÖVP-Bauernbund, hatten die Comebackgelüste von Sebastian Kurz massiv befeuert. Die mit Mikl-Leitner konkurrierende ÖVP-Oberösterreich wiederum forcierte als Nehammer-Nachfolger Wolfgang Hattmannsdorfer. Haslauer und Co. nutzten das Power-Patt zwischen Mikl-Leitner und Stelzer und hoben rasch erfolgreich Christian Stocker auf den ÖVP-Thron.

Starke Reformachse Haslauer-Schellhorn

Nach Start der ersten Dreierkoalition zog auch der Unternehmer und Gastronom Sepp Schellhorn als Staatssekretär für Deregulierung ins Neos-Regierungsteam ein. Haslauer und Schellhorn verbindet eine langjährige, wenn auch politisch wechselvolle Beziehung, die Haslauer im kleinen Kreis durchaus auch als freundschaftlich beschreibt. Als die Neos, angeführt von Schellhorn, 2018 erstmals mit 7,3 Prozent in den Salzburger Landtag einzogen, fehlte ein Mandat, um Haslauers Wunschkoalition Schwarz-Pink zu etablieren. Gemeinsam mit den Grünen übernahm daher in Salzburg eine Dreierkoalition die Landesgeschicke.

Allerdings ohne den logischen Landesrat und Neos-Landeschef Sepp Schellhorn. Haslauer hatte sein Wunschbündnis in der ÖVP nur durchgebracht, indem er Schellhorn unter vier Augen vor die Alternative stellte: Entweder schicken die Pinken jemanden anderen in die Regierung, oder er muss sich andere Partner suchen. Der ÖVP-Wirtschaftsbund hatte sich gegen den Promotor der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in der Wirtschaftskammer als Regierungsmitglied mit allen Mitteln quergelegt.

Schellhorn zog sich aus der Salzburger Landespolitik zurück und übersiedelte als Abgeordneter in den Nationalrat. Mangels strahlkräftigen Ersatzes vor Ort flogen die Neos 2023 nicht nur aus der Regierung, sondern auch aus dem Landtag.

Die persönliche Achse hat das offenbar nicht nachhaltig erschüttert. Haslauer und Schellhorn arbeiten seit Wochen hinter den Kulissen daran, beim ewigen Sonntagsreden-Thema Kompetenzentflechtung und Entbürokratisierung Nägel mit Köpfen zu machen.

Bund, Länder und Gemeinden: „Uns geht überall das Geld aus“

Den Startschuss gab Wilfried Haslauer Anfang Juni bei seiner letzten Sitzung als Chef der Landeshauptleute-Konferenz. Drei klein dimensionierte Projektgruppen sollen bis spätestens Ende 2026 entsprechende Reformvorschläge in Sachen Bildung, Gesundheit und Energie erarbeiten. Und Christian Stocker will, dass Wilfried Haslauer eine spielentscheidende Projektgruppe als Leiter übernimmt. Sie soll sich der Verwaltungsvereinfachung zwischen Bund, Ländern, Bezirkshauptmannschaften und Gemeinden widmen, sprich: eine realistische Föderalismusreform angehen.

Haslauer deponierte intern anfangs zwar Bedenken, ob er nach seinem Abgang als Landeshauptmann „noch ausreichend Autorität“ für diese Herkulesaufgabe haben werde. Nach der letzten Landeshauptleute-Konferenz war Haslauer aber „vom Klima und der breiten Gesprächsbereitschaft so angetan, dass seine Zweifel dahin sein dürften“, so ein ÖVP-Insider. Denn im Kreis der Bund-Länder-Spitzen gewinne immer stärker eine Einsicht die Oberhand: „Uns geht überall das Geld aus. Wir können so auf Dauer nicht mehr vier Ebenen finanzieren: Bundes-, Länder-, Bezirks- und Gemeindeverwaltung. Der Mut und die Bereitschaft, etwas zu ändern, wären da. Ab dem Sommer wird es nun darum gehen, eine Aufgabenreform ganz konkret anzugehen.“

Die politische Großwetterlage sei dafür zudem so günstig wie nie, so der ÖVP-Intimus: „Sowohl die Regierung als auch die vielen Politiker in den Ländern, die auf eine dauerhafte Zusammenarbeit der Kräfte der Mitte setzen, brauchen dringend ein Vorzeigeprojekt, in dem es nicht ums kurzfristige Sparen, sondern um herzeigbare Reformen geht.“

Leonoren-Ouvertüre

Bei den „Kräften der Mitte“ gerne wieder mit dabei wären viele Spitzen-Grüne, die mehr, als sie das je zugeben würden, unter dem jähen Macht- und Bedeutungsverlust leiden. Sie haben zum einen noch lebhaft in Erinnerung, wie sie 2017 aus dem Parlament katapultiert wurden. Aber auch wie sie schon zwei Jahre danach im Gefolge des Ibiza-Skandals mit bislang einmaligen 14 Prozent triumphal aufs Spielfeld zurückkehrten – und zugleich erstmals zu nachhaltigen Machtpositionen und Ministerämtern kamen.

Der Motor hinter diesen Erfolgen, Werner Kogler, hätte, sagen Grün-Insider übereinstimmend, nach fünf Jahren Türkis-Grün ohne ernsthaften internen Gegenwind als Oppositionschef weitermachen können. Der 63-Jährige ließ intern aber bald nach der Wahl wissen: „Nach acht Jahren im fast permanenten Ausnahmezustand“ wolle er „ein, zwei Gänge runterschalten“ und die Partei- und Klubführung in jüngere Hände übergeben.

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Manche Grüne befürchten unter Leonore Gewesner eine „Verengung“ des grünen Themenspektrums.

Grüne Angst vor Kickl-Falle

Diesen Sonntag wird in der nüchternen Atmosphäre der Wiener Messe unter dem Motto „Grün hält“ Leonore Gewessler als Kogler-Nachfolgerin gekürt. Knappe vier Stunden hat die Parteitagsregie inklusive eines einstündigen Hearings und einer Rede der Kogler-Nachfolgerin für den grünen Bundeskongress veranschlagt.

Inhaltliche Debatten über den Kurs der Partei sind nicht vorgesehen. „Dieser Bundeskongress wird daher ganz smooth über die Bühne gehen“, meint selbst ein grüner Spitzenfunktionär, der den Wechsel von Kogler zu Gewessler mit gemischten Gefühlen sieht. Er artikuliert unter vier Augen die auch unter Grünen grassierende Befürchtung: Mit der Kür Gewesslers, die das eherne Image einer kompromisslosen Klima-Fighterin hat, drohe es zu einer „Verengung des grünen Spektrums“ zu kommen.

Zudem berichten Spitzen-Grüne: Von der ÖVP und vor allem der Wiener SPÖ kämen unmissverständliche Signale, dass mit einer Parteichefin Gewessler der Weg zurück in den Ministerratssaal am Ballhausplatz oder ins Wiener Rathaus versperrt sei. „Werden wir unter Leonore Gewessler damit für mögliche Koalitionen jetzt gar so toxisch wie die FPÖ durch Herbert Kickl?“, formuliert eine grüne Ex-Abgeordnete besonders spitz.

Um Zweifler zu besänftigen, proklamiert Werner Kogler dieser Tage deshalb gebetsmühlenartig, wenn er auf seine Nachfolgerin angesprochen wird: „Die Leonore ist und bleibt diejenige, die am stärksten in unsere Kernzielgruppen hineinwirkt. Dass sie breiter werden muss, weiß sie auch selber, und das weiß auch ihre Umgebung.“

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