Trend Logo

Wilfried Haslauer: „Das ist eine historische Chance“

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
15 min

Wilfried Haslauer ist Grandseigneur unter Österreichs Bundesländer-Chefs. Der 69-Jährige übergibt Anfang Juli nach zwölf Jahren als Landeshauptmann Salzburgs an Karoline Edtstadler.

©News/Ricardo Herrgott
  1. home
  2. Aktuell
  3. Politik

Salzburgs langjähriger Landeshauptmann Wilfried Haslauer übergibt in den nächsten Tagen die Führung der Salzburger ÖVP und des Landes an Karoline Edstadtler. Welches Erbe er als Wirtschaftspolitiker hinterlässt und warum er glaubt, dass die nächste Föderalismusreform gelingen wird.

von

trend: Die Frage liegt auch wenige Wochen danach noch bleischwer über dem Land: Ist eine nationale Tragödie wie jene, die am Dienstag nach Pfingsten Graz und ganz Österreich heimgesucht hat, Schicksal oder mit mehr Prävention und Sicherheitsmaßnahmen verhinderbar?

Wilfried Haslauer: Es ist wahrscheinlich eine Mischung aus beiden. Man kann Menschen, die in einer psychischen Ausnahmesituation sind und bis dahin nicht auffällig waren, nicht detektieren. Wahrscheinlich gibt es überhaupt keine Sicherungsmittel, sie davon abzuhalten, ihre Untaten auszuüben. Denken wir an all die Vorfälle, die in den letzten Monaten und Jahren gewesen sind, wo an öffentlichen Plätzen, in Schulen oder anderen Einrichtungen, Leute völlig aus dem Nichts auftauchen und ihre Handlungen setzen. Die große politische Abwägung besteht darin, wie sehr lassen wir uns durch solche Handlungen die Normalität unseres Lebens beeinträchtigen oder nehmen sie gar zurück. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, dass wir um diese Normalität weiter kämpfen. Das hat nichts damit zu tun, dass man das Waffengesetz nun einer Überprüfung unterzieht und Maßnahmen setzt.

trend: Politiker, aber auch Zeitungen wie die in Ihrem Bundesland gewichtigen „Salzburger Nachrichten“ fordern ein generelles Verbot von privatem Waffenbesitz. Geht Ihnen das zu weit?

Auch darüber muss man diskutieren. Für mich ist die Frage: Warum benötigt man als Privatperson eine Schusswaffe? Es kann ja im Grunde genommen nur zur Selbstverteidigung sein. Ich gehe in diese prinzipielle Diskussion sehr offen hinein.

trend: Im Lichte des Amoklaufs wurde die Amtsübergabe in der ÖVP auf Ende Juni verschoben. Sie waren 20 Jahre in der Landesregierung, davon zwölf Jahre als Regierungschef. Das öffentliche Bild von Landeshauptleuten schwankt zwischen beinahe allmächtigem Landesfürst und hauptsächlich als Eröffnungsredner tätigem Grüß-August. Was kommt der Wirklichkeit näher?

Ich glaube, dass keine der Zuschreibungen zutrifft. Richtig ist aber, die Konstruktion der Landeshauptmänner vereinigt beides: die repräsentative Funktion einer Art Landespräsidenten mit der Funktion eines Regierungschefs.

trend: Also Alexander Van der Bellen und Christian Stocker in einer Person?

Sozusagen. Da der Landeshauptmann nicht nur für den Bereich der Landesverwaltung und der Gestaltung im Land, sondern auch für den Bereich der mittelbaren Bundesverwaltung zuständig ist, bekommt diese Tätigkeit ein besonderes Gewicht. Da Österreich als eine föderale Republik konstruiert ist, kommt den Landesregierungen und auch dem Landesparlament eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu.

trend: Sie haben sich als Landeshauptmann auch für Salzburg als Wirtschaftsstandort verantwortlich gefühlt. Was ist Ihnen in diesen zwei Jahrzehnten wirtschaftspolitisch gelungen? Wo sind Sie gescheitert?

Also was mich freut, ist, dass nach diesen zwei Jahrzehnten Salzburg als das wirtschaftlich erfolgreichste Bundesland in Österreich dasteht. Wir haben mit Abstand die höchste Wirtschaftsleistung pro Kopf. Das Bruttoregionalprodukt liegt mit rund 65.000 Euro vor Wien, das zuletzt auf 55.000 Euro kam. Also das ist schon signifikant. Wir haben in den letzten Jahren regelmäßig die geringste oder zweitgeringste Arbeitslosigkeit. Das Ganze ist verbunden mit einer sehr hohen Lebensqualität im Land, die natürlich durch die Topografie und die Schönheit des Landes beeinflusst ist. Aber schon auch dadurch, dass das Land alles in allem gut verwaltet ist, das muss ich schon auch sagen.

trend: Vorzeigebetriebe in Salzburg kommen aber nicht aus der Industrie, sondern mit Red Bull, Porsche oder Spar aus anderen Wirtschaftssparten.

Wir haben eine sehr tüchtige Industrie, auf die wir auch sehr stolz sind, die aber Salzburg nicht zum Industrieland à la Oberösterreich und Steiermark macht. Wir haben eine Struktur, die klein und mittelständisch ausgerichtet ist. Wir sind stärker diversifiziert und stark dienstleistungslastig. Ungefähr zwei Drittel der Beschäftigten sind in Dienstleistungsunternehmen tätig. Das hat nicht nur mit dem Tourismus zu tun, sondern vor allem mit den Headquarters großer Handelsunternehmen, dem Autohandel und einigen mehr, die sich in Salzburg angesiedelt haben. Bei Red Bull sind Menschen aus über 60 Nationen beschäftigt, und es gibt einige Unternehmen, wo es ganz ähnlich ist. Also Salzburg ist stark regional verwurzelt, aber stark weltoffen angebunden. Das hat auch mit dem kulturellen Angebot zu tun, das ich sehr gesamtheitlich sehe. Erstens einmal hat Kultur einen Selbstzweck für sich, aber sie ist auch nützlich, sie schafft bei uns wirtschaftliche Effekte, die nicht zu unterschätzen sind.

trend: Die Folgen der hohen Inflation und die längste Rezession seit Ende des Zweiten Weltkriegs machen auch vor Salzburg nicht halt. Wie kann ein Land da gegensteuern?

Wir versuchen gegenzusteuern, indem wir in unsere Stärke investieren, und haben ein massives Investitionsprogramm gestartet. Allein heuer investieren wir als Land um die 700 Millionen. Euro, dann kommen noch 300 Millionen Euro von der Salzburg AG. Das Geld geht in die Verbesserung der Infrastruktur, in den Verkehrsausbau, in die Spitäler, in die Universitäten, in Museen, in den Ausbau der Energieversorgung und ähnliches mehr. Wir überziehen bei der Verschuldung damit natürlich auch unseren Finanzrahmen. Aber das führt dazu, dass wir eigentlich halbwegs mit einer Seitwärtsbewegung durch diese Rezession kommen und nicht mit einem sehr ausgeprägten Minus.

trend: Sie hatten kurz nach Antritt damit Schlagzeilen gemacht, dass das Land mit Steuermillionen als Akteur in Sachen Tourismus aufgetreten ist. Beim „Bad-Gastein-Deal“ hat das Land baufällige Gebäude gekauft hat, um den historischen Ortskern vor dem Verfall zu retten und einen Investor zu suchen. Das war ein sehr ungewöhnlicher Vorgang und auch riskant. Hat sich das Risiko gelohnt?

Es war politisch riskant, es hat sich aber auch gelohnt. Drei historische Gebäude, das älteste aus etwa 1650, waren stark einsturzgefährdet und hätten damals den Winter vermutlich nicht mehr überlebt, weil es noch dazu ein Winter mit hohem Schneedruck war. Wir haben als Land diese Gebäude über unseren Wachstumsfonds gekauft und einen Käufer gesucht. Denn wir wollten nicht, dass irgendwelche Spekulanten das kaufen, die dann versuchen, Zweitwohnungen und Appartements daraus zu machen oder um irgendwelche dubiosen Gelder dort neu bauen. Wir wollten mit der Wiederbelebung einer klassischen Hotellerie im Vier- und Fünf-Sterne-Bereich Bad Gastein als Tourismusstandort nachhaltig absichern. Das ist Gott sei Dank gut ausgegangen, weil sich eine Investorengruppe gefunden hat, die aus München kommt, die uns also kulturell auch nahe steht.

trend: Hätten Sie gerne mehr die Kompetenzen gehabt, um beispielsweise mit steuerlichen Maßnahmen stärker als Wirtschaftspolitiker aktiv werden zu können?

Ja, isoliert betrachtet vielleicht, aus einer gesamtstaatlichen Sicht sehe ich das aber skeptisch. Es gibt nun einmal wirtschaftlich aktivere und wirtschaftlich weniger aktive Bundesländer in Österreich. Durch eine unterschiedliche Besteuerung könnte das noch verstärkt werden.

trend: Salzburg zählt zu jenen Bundesländern, wo der Sommer- und Wintertourismus eine große wirtschaftliche Rolle spielt. Ist Salzburg dafür gerüstet, dass durch den Klimawandel immer mehr Skipisten wegzuschmelzen drohen?

Wir haben eine Studie zur Sicherheit und Zukunft des Wintersports machen lassen. Daraus ist sehr klar hervorgegangen: Skigebiete unter 1.000 Metern werden es in Zukunft schwierig haben werden. Skigebiete zwischen 1.000 und 2.000 Metern werden in den nächsten 50 bis 70 Jahren keine Probleme haben, wenn sie technische Beschneiung haben werden. Über 2.000 Metern gibt es überhaupt keine Probleme. Also das hat uns relativ entspannt, muss ich sagen. Aber natürlich spüren wir den Klimawandel in vielerlei Hinsicht, nicht nur auf der Pasterze, die abschmilzt und fast nicht mehr vorhanden ist. Wir sehen, dass die Natur insgesamt verletzlicher geworden ist. Etwa dadurch, dass die Permafrostgrenze steigt, wir meist Ende Juli relativ starke Regenfälle haben, und diese Regenfälle werden eben erst ab der Permafrostgrenze in Schnee gebunden. Weil diese Frostgrenze steigt und steigt, kommt es dadurch zu immer stärkeren Wassermassen, die von den Bergen herunterkommen. Denn den berühmten Salzburger Nieselregen gibt es in der Form nicht mehr. Es gibt eigentlich nur mehr diese Wetterereignisse, wo ein massiver Regen runterkommt, dem die Hänge bisweilen nicht mehr standhalten können. Das spüren wir schon sehr drastisch, und es macht uns Sorgen.

Sie haben im Abgang in Ihrer Funktion als aktueller Vorsitzender der Landeshauptleutekonferenz noch ein großes Rad mit angeworfen: Eine neue Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern bei Gesundheit, Bildung und Energie. Sie waren als junger Landeshauptmann-Stellvertreter schon in der Endphase des dabei erfolglosen Österreich-Konvents mit dabei. Warum soll es diesmal funktionieren?

Der Österreich-Konvent war nicht erfolglos, sondern er hat einige wesentliche Punkte gebracht. Zum Beispiel die Verlängerung der Legislaturperioden, die Einführung der Briefwahl, die Abschaffung der Asylgerichtshöfe, die Einführung der Landesverwaltungsgerichte, das heißt, eines gerichtlichen Instanzenzuges in der Verwaltung selber. Das war eine relativ große Reform. Der jetzt begonnene Reformprozess ist aber von vorn herein nicht mit dem Österreich-Konvent vergleichbar, weil er nicht so breit aufgesetzt ist. Damals war eine Generalrevision der Bundesverfassung angedacht, zu der es dann letztlich nicht gekommen ist, sondern zu einzelnen Maßnahmen. Wir haben jetzt gesagt, wir nehmen uns einige wesentliche Punkte vor.

trend: Mit Bildung und Gesundheit haben Sie sich aber besonders schwere Brocken mit besonders hohem Risiko des Scheiterns vorgenommen.

Bei den Bereichen Bildung und Gesundheit geht es zuerst einmal darum, die sehr verwobenen und ineinander festgezurrten Kompetenzen und Finanzierungszuständigkeiten zu analysieren und zu schauen, ob man da nicht die Dinge etwas einfacher und effizienter gestalten kann. Wir haben uns vorgenommen, den Energiebereich neu aufzustellen. Daran sind wir auch standortpolitisch enorm interessiert, weil die Energiepreise bei uns zu hoch und ein echter Wettbewerbsnachteil sind. Und wir haben uns ganz allgemein das Thema Verwaltungsvereinfachung und Kompetenzbereinigung vorgenommen. Es gibt unzählige Tagesbürokratismen, die ganz einfach entstanden und gewachsen sind. Da brauche ich gar keine große Verfassungsreform, um diese Tausenden von Kompliziertheiten, die sich im Laufe der Jahrzehnte angesammelt haben, zu bereinigen. Darum finde ich es im Prinzip sehr gut, dass es auch einen Deregulierungsstaatssekretär gibt.

trend: Was soll idealerweise im Herbst 2026 auf dem Beschlusszettel des Großvorhabens stehen?

Ich will da bewusst keine konkreten Maßnahmen nennen, um den Prozess nicht durch zu hohe oder zu niedrige Vorgaben zu behindern. Ich bin aber überzeugt, dass das, ohne jetzt pathetisch sein zu wollen, eine historische Chance für alle Beteiligten ist. Denn neu ist, dass dieser Reformanstoß von den Landeshauptleuten unter Einbindung der Bundesregierung ausgeht. Das heißt, wir haben das Thema Reformpartnerschaft mit Übernahme des Vorsitzes durch Salzburg zu unserem gemacht und das dann mit der Bundesregierung diskutiert. Neu ist auch, dass die Gemeinden und Städte mit am Tisch sitzen. Damit sind Länder und Gemeinden nicht nur mehr Konsumenten eines Reformprozesses, in dem Reformvorschläge vorgelegt werden, und dann wird herumdiskutiert, kommen sie oder kommen sie nicht. Wir sind diesmal mit die Gestalter. Das halte ich für einen ganz wesentlichen Unterschied zu den bisherigen Reformprozessen. Daher bin ich weiterhin optimistisch, dass alle Grundlagen gelegt sind, um in 18 Monaten ein respektables Ergebnis sehen zu können.

Der Artikel ist in der trend.EDITION vom 27. Juni 2025 erschienen.

trend. Newsletter
Bleiben Sie informiert mit dem trend. Newsletter. Die wichtigsten Informationen aus der Welt der Wirtschaft. An Werktagen täglich per E-Mail.

Über die Autoren

Logo
Bleiben Sie im trend.
Ähnliche Artikel