Politik Backstage von Josef Votzi: Neues Feindbild "roter Landesfürst"
Der Start des U-Ausschusses über den Commerzialbank-Skandal ging jüngst total unbemerkt über die Bühne. Jetzt könnte er zur Probebühne eines SHOWDOWNS zwischen Hans Peter Doskozil und Sebastian Kurz werden.
ROTE RENAISSANCE. Burgenlands Hans Peter Doskozil und Wiens Michael Ludwig.
W ie geht es eigentlich dem Hans Peter Doskozil?", fragen in den letzten Wochen einander wieder vermehrt Sozialdemokraten, wenn sie im kleinen Kreis die innerparteiliche Großwetterlage erkunden. Die einen fragen persönlich besorgt, weil der burgenländische Landeschef zuletzt in einem "ZiB 2"-Studiogespräch hörbar angeschlagen klang und kurzfristig gar seine Stimme zu verlieren drohte. Die anderen fragen politisch besorgt, weil sie neue Wortmeldungen fürchten, die dem gerade herrschenden roten Mainstream zuwiderlaufen - wie zuletzt in Sachen Moria-Flüchtlinge.
In beiden Fällen geben derzeit die meisten Entwarnung. Auf der großen Bühne der Politik ist es in den vergangenen Wochen auffällig still um den selbstbewussten Burgendland-Roten geworden. Umso mehr rührt er derzeit in seinem Heimatland um. Seine Pläne, von den Solaranlagen bis hin zu den Kulturaktivitäten immer mehr unter direkte Aufsicht des Landes zu stellen, sorgen regional fast täglich für Schlagzeilen. "Man hat fast den Eindruck, als wolle er jetzt auf einmal möglichst viel erledigen", analysiert ein langjähriger Kenner der Landespolitik.
Was auch immer die Motive dafür sind, dass Doskozil zu Hause den Politturbo angeworfen hat: Die Empfehlung eines seiner Ärzte, in einen Beruf zu wechseln, wo die Stimme nicht zu den wichtigsten Arbeitswerkzeugen zählt, muss auch ein mit vielen Wassern gewaschener Politprofi erst verdauen. Doskozil hat inzwischen die dritte Operation hinter sich und muss nach wie vor seine Stimmbänder mit regelmäßigen Übungen in Form halten.
Er ist aber sichtlich entschlossen, seinen Job weiter auszuüben.
Rotes Wegschauen vs.
schwarzes Skandal-Biotop
Der im Frühsommer geplatzte Commerzialbank-Skandal dürfte dafür sorgen, dass von Doskozil auch auf dem Wiener Politparkett bald wieder mehr zu hören sein wird.
Ihre Mailserie zum Erfolg. Holen Sie sich jetzt für kurze Zeit die kostenlosen Inhalte zum Thema: Konfliktmanagement.
Und zwar weniger in Richtung der eigenen Genossen.
Denn unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat vergangene Woche ein Untersuchungsausschuss im burgenländischen Landtag seine Arbeit aufgenommen. Noch gibt es - ähnlich wie anfangs im Ibiza-Ausschuss - ein Tauziehen um Zeitrahmen und Gegenstand der Ausschussarbeit. Ab Mitte Oktober dürfte der Ausschuss aber auch inhaltlich startklar sein.
Die Gefechtsaufstellung verheißt: Es dürfte und kann nur ein lokal spannender Ausschuss bleiben. Die ÖVP forciert schon seit Wochen als Thema, die roten Landeschefs - allen voran Doskozil - hätten ihre Prüfpflichten vernachlässigt. Die SPÖ hat sich mit Expertenaussagen gerüstet, damit diese Stoßrichtung ins Leere geht.
Zumal, wenn diese Kritik zuträfe, zuvorderst die jahrzehntelang von der ÖVP gestellten Wirtschaftslandesräte in die Pflicht zu nehmen wären. Bankchef Martin Pucher ist zudem tief im schwarzen Milieu verwurzelt. Die sogenannten Aufsichtsräte waren durch die Bank Mattersburger Provinzgrößen, wenn sie ein Parteibuch hatten, dann eines der ÖVP.
Mehr als wochenlange Scharmützel dieser Art sind auch als Ausschussergebnis auf Sicht nicht zu erwarten.
Landtag kann FMA und
Notenbank nicht grillen
Die entscheidenden Bankprüfungsbehörden, die Finanzmarktaufsicht (FMA) und die Nationalbank, sind Bundeseinrichtungen und können in einem Landtagsausschuss daher nicht Untersuchungsgegenstand sein. Sie prüften zwei Jahrzehnte ohne nachhaltige Beanstandungen.
Nicht nur diesen kommt so eine zentrale Rolle bei der Antwort auf die Frage zu, wie es Martin Pucher & Co schaffen konnten, eine Schadenssumme von mutmaßlich 700 Millionen zu produzieren. Auch das Versagen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hätte bei einer ernst gemeinten Aufarbeitung des jüngsten Bankenskandals eine zentrale Rolle zu spielen.
Wer fünf Jahre danach etwa die erste Whistleblower-Anzeige an die WKStA liest, kommt aus dem Staunen nicht heraus. Im Sommer 2015 meldete erstmals ein Insider sein Wissen über die kriminellen Machenschaften in der Commerzialbank in den elektronischen Briefkasten der Staatsanwälte ein. Der anonyme Hinweisgeber und sein ebenfalls anonymes Gegenüber ("Sachbearbeiter 10") tauschten sich hier wiederholt aus.
Im ersten "Meldungstext" an die WKStA heißt es etwa: "In der Commerzialbank Mattersburg ist gerade die Nationalbank mit einem Team zur Prüfung. Um sicherzustellen, dass der Millionenbetrug dort nachvollzogen werden kann, hier meine Angaben: Vorstandsvorsitzender Martin Pucher schafft seit Jahren Millionen zur Seite. Dieses Geld wird verwendet für Schwarzgeldgeschäfte und Schwarzgeldzahlungen (...), Abdeckung eigener Schulden sowie zur persönlichen Bereicherung (...) Zu diesem Zweck hat er falsche Konten angelegt. Die lauten zwar auf den Namen von physischen (und außerdem wohlhabenden) Personen. Diese haben jedoch keine Ahnung, dass diese Konten je auf sie eröffnet wurden. Und natürlich wissen diese Leute auch nicht, dass 'ihre' Konten heillos überzogen sind - mit 6-oder 7-stelligen Beträgen."
Auf Nachfrage von "Sachbearbeiter 10" nach Details berichtet der anonyme Commerzialbank-Insider auch anschaulich vom Geldkreislauf des Martin Pucher: Dieser lasse sich regelmäßig hohe Beträge in bar auszahlen, um damit sein Betrugssystem am Laufen zu halten. "Herr Pucher braucht keinen Vorwand, um sich dieses Geld schicken zu lassen. Er ist der Chef und in der Bank wird das gemacht, was er sagt -bedingungslos."
Vor Fernduell
Eisenstadt gegen Wien
Vieles von dem, was so vor fünf Jahren erstmals aktenkundig wurde, liest sich wie die Zeitungsberichte von heute, nachdem sich Martin Pucher selbst mit einem Geständnis vom Albdruck des zunehmenden unbeherrschbaren Millionenringelspiels befreit hatte.
Das Duo Bankchef Pucher und seine Co-Vorständin Franziska Klikovits war offenbar gewitzter im Verschleiern als die Truppe von Bankprüfern, Notenbankern und Staatsanwälten.
Sie kamen, suchten und fanden jahrzehntelang nichts.
In den kommenden Wochen und Monaten ist so ein Showdown zwischen Eisenstadt und Wien zu erwarten. Die burgenländische Landeshauptmann-Partei wird alles tun, bei den vielen offenen Fragen den Scheinwerfer auf FMA, Notenbank und WKStA zu richten. Und zudem Finanzminister Gernot Blümel ins Visier zu nehmen.
SPÖ-interne Parole: Die ÖVP stellte in den letzten zwei Jahrzehnten alle Finanzminister und sei somit hauptverantwortlich für das Versagen der Bankenaufsicht. Massive Defizite bei der Prüfungskompetenz waren in der Tat zuletzt auch beim Megaskandal Hypo Alpe-Adria ein zentrales Thema. Aufgrund laufender Kompetenzstreitigkeiten zwischen FMA und Nationalbank gibt es bis heute uneingelöste Reformversprechen.
Dosko auf türkiser Wanted-Liste
In der ÖVP bräuchte es freilich keine erwartbaren Attacken wie diese. Die Motivation, dem SPÖ-Landeshauptmann den Commerzialbank-Skandal umhängen zu wollen, steigt derzeit von Tag zu Tag. Seit der Wiedereroberung der absoluten roten Mehrheit vergangenen Jänner ist Doskozil auf der türkisen Wanted-Liste endgültig mehr als ein mächtiger Landesfürst im kleinsten Bundesland.
Die Türkisen sehen in Hans Peter Doskozil einen möglichen und nicht ungefährlichen Herausforderer für Sebastian Kurz. Das Wiener Wahlergebnis dürfte die Angst vor einer Renaissance der Roten noch befeuern. Die Wahlstrategen im Kurz-Team registrieren aufmerksam, dass die SPÖ nun auch in Wählersegmenten grast, die bei Bundeswahlen Sebastian Kurz für sich gewinnen konnte.
Mit Hans Peter Doskozil und Michael Ludwig setzt die bereits totgeglaubte SPÖ überraschend neue Lebenszeichen - mit offenem Ausgang. Ein Provinznebenschauplatz könnte so demnächst zu einem wichtigen Battleground der Bundespolitik werden: ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss über den Commerzialbank-Skandal, dem freilich in den Gretchenfragen die Hände gebunden sind.
Schützenhilfe aus der
Bundes-SPÖ
Auch wenn Hans Peter Doskozil in der Bundes-SPÖ alles andere als nur Freunde hat: Im Parlament wird bereits überlegt, wie man dem Burgendländer Flankenschutz geben kann. Für das Ja zu einem U-Ausschuss auf Bundesebene bräuchte man das Ja der Türkisen.
Die vereinigte Opposition aus Rot, Grün, Neos hat erst nach Ende der Ibiza-Untersuchung in rund einem Jahr wieder ein neues Freiticket für einen U-Ausschuss und damit für eine wirksamere Aufarbeitung des burgenländischen Bankenskandals. Bis dahin muss und wird auch das burgenländische Vorspiel über die Bühne gegangen sein.
Ob es zum finalen Showdown mit FMA, Notenbank und WKStA im Parlament kommt, hängt wohl auch vom Verlauf der kommenden U-Ausschuss- Monate in Eisenstadt ab.
Die Zeichen stehen hier mehr denn je auf Sturm im Wasserglas: Das bürgerliche Burgenland bricht im Moment demonstrativ viele Brücken zum roten Landesfürsten ab. Nach dem Rückzug des ÖVP-Wirtschaftskammerpräsidenten aus wichtigen Entscheidungsgremien hat sich jüngst auch der Präsident der burgenländischen Industriellen aus dem Aufsichtsrat der Landesholding zurückgezogen.
Der Autor
Josef Votzi
Josef Votzi ist einer der renommiertesten Politikjournalisten des Landes. Der Enthüller der Affäre Groër arbeitete für profil und News und war zuletzt Politik- und Sonntagschef des "Kurier". Für den trend verfasst er jede Woche "Politik Backstage".
Die weiteren Beiträge von Josef Votzi finden Sie im Thema "Politik Backstage von Josef Votzi"