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US-Sanktionen gegen Lukoil treffen Österreich

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Das Lukoil-Schmierstoffwerk Lobau
 © Lukoil Lubricants/Michael Himml

Das Lukoil-Schmierstoffwerk Lobau ist in Europa kein unbedeutender Player. Wie lange noch, scheint fraglich.

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Wegen US-Sanktionen droht Russlands zweitgrößter Ölproduzent Lukoil auseinanderzubrechen. Betroffen sind die Wiener Zentrale für das internationale Geschäft des Konzerns und ein Betrieb in der Lobau.

Dass er einmal US-Sanktionen fürchten müsse, hat sich Ernst Rohrer so nicht vorgestellt. Doch seit US-Präsident Donald Trump vor wenigen Wochen die beiden größten russischen Ölkonzerne, Lukoil und Rosneft, mit einem Geschäfts-und Geldverkehrsverbot belegte, muss wohl auch der Chef eines kleinen Wiener Werkstättenlieferanten die in der Wiener Lobau von Lukoil Lubricants erzeugten Schmiermittel aus dem Sortiment auslisten. Der Lukoil-Außendienstler tut ihm leid, weil „nicht einmal dessen Routex-Tankkarte akzeptiert wird“. Dem Vernehmen nach konnte den Beschäftigten zuletzt auch kein Gehalt ausgezahlt werden.

Die große Weltpolitik schlägt in diesem Fall direkt bis nach Österreich durch. Beim Schmiermittelwerk sind knapp 150 Mitarbeiter betroffen. Vor allem aber hat in einem noblen Palais am Wiener Schwarzenbergplatz die Lukoil International GmbH ihren Hauptsitz, wo die Fäden für alles, was der Konzern außerhalb Russlands macht, zusammenlaufen. Das betrifft Ölfelder, Raffinerien, Tankstellenketten und eben das europäische Schmiermittelgeschäft. Laut zuletzt veröffentlichter Bilanz verfügt Lukoil International über rund 20 Milliarden Euro Eigenkapital – die jetzt eingefroren sind.

Es sei eine Ironie der Geschichte, sagt der österreichische Ölexperte und frühere Lukoil-Aufsichtsrat Johannes Benigni: „Eigentlich wollten die russischen Eigentümer das Risiko diversifizieren und die ausländischen Assets in Österreich in Sicherheit bringen. Aber jetzt haben die USA den Deckel zugemacht.“

Sanktionen zwingen Lukoil zu Notverkäufen

Lukoil selbst gibt nur dürre Stellungnahmen zu den Vorgängen ab. Man sei froh, dass die USA eine Fristverlängerung bis 13. Dezember gewährten und nach dem gescheiterten Versuch, Lukoil International an den Energiehändler Gunvor zu verkaufen, weiteren Verhandlungen mit anderen Interessenten zustimmten. Als mögliche Käufer für Lukoil International oder Teile davon kursieren etwa der US-Energiekonzern Chevron, Shell und der amerikanische Finanzinvestor Carlyle, des Weiteren die staatliche KazMunayGas aus Kasachstan. In Ägypten und in Moldawien sprechen Lukoil-Manager mit den jeweiligen Regierungen über einen Verkauf der Operationen in diesen Ländern.

Unterdessen werden weltweit Assets dem unmittelbaren Zugriff von Lukoil und damit Russlands entzogen. In Bulgarien peitschte die Regierung ein Gesetz durch, um die Lukoil-Raffinerie, die größte des Landes, unter staatliche Kuratel zu stellen und damit trotz der Auflagen in Betrieb zu halten. Zwei Drittel des bulgarischen Tankstellengeschäfts hängen am Output dieses Werks. Der aserbaidschanische Staatskonzern Socar hat gemeinsam mit der türkischen Cengiz Holding ein Angebot für die Raffinerie abgegeben.

Im Irak beantragte Lukoil selbst eine Art Gläubigerschutzklausel („Force Majeure“), da man das große Erdölfeld West-Qurna-2 nicht mehr in Eigenregie bewirtschaften kann.

In Rumänien droht sich unter anderem das Lukoil-Explorationsprojekt im Schwarzen Meer zu verzögern, da der Bohrspezialist Vantage Drilling auf Zahlungen wartet, die das russische Unternehmen wegen der Sanktionen nicht überweisen darf. Und bei der finnischen Tankstellenkette Teboil ist der Treibstoffnachschub bereits zusammengebrochen, heißt es.

Österreich sucht Kurs im Umgang mit Lukoil

Auch Österreich solle sich rasch überlegen, was mit den Lukoil-Assets hier passiert, regt Benigni an: „Es wäre zum Schaden Österreichs, wenn das Unternehmen durch einen Konkurs aus dem Verkehr gezogen würde. Dann würden auch hohe Steuereinnahmen aus den Milliardenerträgen verschwinden. Ganz abgesehen davon, dass es traurig wäre für Mitarbeiter, die am wenigsten dafür können. Allerdings fürchte ich, dass unsere Beamten in der Pendeluhr schlafen und nicht so schnell reagieren, wie es nötig wäre.“ Auch Lukoil führt ins Treffen, dass es um rund 7.000 Arbeitsplätze in Europa geht, davon Hunderte in Österreich und jeweils noch einmal so viele bei diversen Zulieferern.

Das hiesige Finanzministerium äußert sich gar nicht zu den Entwicklungen. Aus dem Büro von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer heißt es, dass man die Vorgänge rund um Lukoil und einen möglichen Eigentümerwechsel sehr genau beobachte, „da der Wirtschaftsstandort Österreich und rund 10.000 Arbeitsplätze in ganz Europa unmittelbar betroffen wären“. Man verlange von Lukoil Klarheit: „Uns sind keine Details zu konkreten Verhandlungen bekannt.“

Sanktionen setzen Lukoils Österreich-Geschäft unter Druck

Auszuschließen ist ein Konkurs von Lukoil International in Österreich nicht, falls auch weitere Versuche, die Aktivitäten zu verkaufen, am Veto der USA scheitern. Zwar hat das Unternehmen ausreichend Kapital, um alle Verpflichtungen locker bedienen zu können, und die Assets sind sehr werthaltig. Aber wenn keinerlei Überweisungen mehr getätigt werden können, dann droht eine technische Insolvenz.

Ähnliches gilt für die Lukoil Lubricants in Wien, falls sie nicht mehr auf ihre Konten zugreifen kann. Rein rechtlich haben die Sanktionen in Europa zwar keine Relevanz. Aber es werden sich trotzdem alle daran halten.

Lukoil International zahlte zuletzt über 50 Millionen Euro an Unternehmenssteuern in Österreich – und sponsorte bis vor Kurzem alles Mögliche, um sich ein gutes Image zu verschaffen: von der Wiener Austria über den Tennisverband bis zum Frauenteam des Wiener SportClubs. Geld bekamen auch die Social City Wien, die Universität Leoben oder der Verein zur Wiederansiedlung des Habichtskauzes im Wienerwald. Spätestens seit der Übernahme des Schmiermittelwerks von der OMV samt üppiger Kapitalaufstockung wurde Lukoil auch von der Wiener Stadtregierung hofiert.

Das Unternehmen hat sich gut entwickelt, versorgt Autowerkstätten und Tankstellen mit Schmierstoffen. Obwohl Elektroautos davon weniger brauchen, zog das Geschäft zuletzt wieder an. Neue Einsatzgebiete winken im Bereich der erneuerbaren Energien.

Einen der prestigeträchtigen Erfolge erzielte Lukoil 2021 als exklusiver Erstbefüller von Mercedes. Branchenreports sehen das russische Unternehmen neben Shell, BP oder Mobil sogar als einen der größten Player am milliardenschweren Markt in Europa.

Eingriffe wie bei Gazprom gelten als unwahrscheinlich

Dass Österreich – oder heimische Unternehmen – nun Lukoil-Assets übernehmen könnten, ist prinzipiell denkbar. Als etwa die russische Gazprom im Zuge von Wladimir Putins Einmarsch in der Ukraine ihre Gasspeicherkapazitäten in Österreich ungenutzt ließ, verknappte dies Warenvorräte und trieb die Preise in die Höhe.

Im Juli 2022 novellierte Österreich daraufhin das Gaswirtschaftsgesetz samt der Vorgabe einer mindestens zehnprozentigen Befüllung („Use it or lose it“-Verpflichtung). Da Gazprom daran offensichtlich kriegsbedingt kein Interesse hatte, wurde ihr die Lizenz entzogen und dem österreichischen Speicherbetreiber RAG übertragen. Zudem schuf man eine staatliche Gas-Notfallreserve. die hier befindlichen Kapitalreserven der Dass Österreich versuchen könnte, auf Lukoil zuzugreifen, hält man dort mangels Sanktionen der EU für nicht denkbar.

Der Artikel erscheint im trend.PREMIUM vom 21. 11. 2025.

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