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Zwei gegen „die da oben“ [Politik Backstage]

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Zwei gegen „die da oben“ [Politik Backstage]
In der FPÖ wird Andreas Bablers erhobene Faust gegen die Mächtigen als willkommene Konkurrenz gesehen.©APA/GEORG HOCHMUTH
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Die FPÖ rüstet sich intern bereits fürs Regieren. Als Antipode des neuen SPÖ-Chefs will Herbert Kickl nun zusätzlich Fahrt aufnehmen. Als „Volkskanzler“-Kandidat hat er freilich mit neuem Widerstand zu rechnen.

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Es war ein außergewöhnlicher Termin am vorletzten Freitag im Juni. In der prachtvoll renovierten Säulenhalle des Parlaments hatte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka samt Gefolge Aufstellung genommen, um einigen langjährigen Mandataren ein paar schmückende Orden zu verleihen. Diese Ordensverleihungen unterliegen einem genauen Reglement, das sich nach Dauer der Zugehörigkeit zu Nationalrat, Bundesrat oder Europaparlament richtet.

Die Verleihungszeremonie läuft nach einem immer gleichen Drehbuch ab. Auf einem mit Blumen geschmückten weiß gedeckten Tisch warten die Orden auf ihre neuen Träger.

Eine kleine Musikerformation sorgt für die kulturelle Umrahmung. Im Publikum finden sich Familienmitglieder und Freunde der Geehrten sowie Vertreter aller Fraktionen ein.

Das alles ist nicht immer ein Routine-Akt. Im Fall von Ex-FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte Bundespräsident Heinz Fischer einst die notwendige Unterschrift wegen einer umstrittenen Äußerung rund um den Proteste gegen den FPÖ-Akademikerball („Wir sind die neuen Juden“) verweigert. Erst Alexander Van der Bellen brach Jahre danach diesen Bann.

FPÖ boykottiert Kickl-Gegner in der ÖVP

Bei der jüngsten Überreichung im Hohen Haus Ende Juni hatten mit Evelyn Regner und Ruth Becher zwei SPÖ-Mandatarinnen, mit Christian Hafenecker und Harald Vilimsky zwei blaue Abgeordnete und mit Michel Reimon ein grüner Nationalrat Orden zu erwarten. Die Zeremonie fiel dann weitaus kürzer als geplant aus. Die beiden blauen Mandatare Hafenecker und Vilimsky hatten kurzfristig abgesagt und blieben demonstrativ der Ehrenzeichen-Verleihung fern. Laut Parlaments-Flurfunk mit der flapsigen Botschaft: „Schickt uns die Orden bitte mit der Hauspost.“

Ein ungewöhnlicher Affront, der in den Parlamentscouleurs nachhaltig für Gesprächsstoff sorgte. Denn wenige Tage danach hatten die drei Parlamentspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), Doris Bures (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ) gemeinsam zu einem Get-together mit Parlamentsberichterstattern geladen. Mit Norbert Hofer sagte einmal mehr ein FPÖ-Mann kurzfristig ab.

Für sich betrachtet wäre das eine nicht weiter überraschende Priorisierung. Im Lichte anderer Verweigerungsakte ist es Teil einer sichtbar werdenden Boykott-Strategie. Die FPÖ hat die Parole ausgegeben, Wolfgang Sobotka ab sofort die kalte Schulter zu zeigen. Denn der ÖVP-Nationalratspräsident hatte jüngst seine Aversion gegen den FPÖ-Chef unmissverständlich so artikuliert: „Ich würde unter einem Kanzler Herbert Kickl nicht zur Verfügung stehen.“

Kickls diskrete Wirtshaus-Touren

Die FPÖ verschärft damit einen Kurs, mit dem sie in den letzten Monaten laut Umfragen immer besser gefahren ist: Sie macht nicht nur gegen „die da oben“ breit mobil, sondern demonstriert nun auch nach innen hin verstärkt Distanz und Gegnerschaft zu Staatsorganen.

FPÖ- und Klubchef Herbert Kickl hat so auch kein Problem damit, sich vorrechnen lassen zu müssen, dass er von allen Klubchefs am öftesten durch Abwesenheit im Hohen Haus auffällt.

In der FPÖ wird intern eine andere Währung stolz herumgereicht: Herbert Kickl habe im heurigen ersten Halbjahr bereits 30 Großauftritte absolviert. Unter dem Radarschirm medialer Wahrnehmung absolvierte der Ex-Reden-Schreiber von Jörg Haider zudem Ende vergangenen und Anfang dieses Jahres im Rahmen des niederösterreichischen Wahlkampfs viele Wirtshaus-Touren, vor allem in jenen Regionen, in denen Gegner der Corona-Maßnahmen und Impfverweigerer stark vertreten waren.

„Dort bin ich überall mit besonders großem Applaus empfangen worden, weil wir in der Pandemie die einzigen waren, die allen die sich von oben überfahren fühlten, eine Stimme gegeben haben“, resümierte Kickl damals intern zufrieden.

Das blaue Stimmenwerben in den Anti-Maßnahmen-Hochburgen hatten auch einen anderen höchst profanen Grund: Die ersten Erfolge der im zweiten Corona-Jahr 2021 gegründeten Impfgegner-Partei MFG hatten die FPÖ nervös gemacht. Sie fürchtete neue Konkurrenz von rechts. „Inzwischen ist es uns gelungen, die MFG praktisch überall auszuknocken“, analysiert ein FPÖ-Spitzenvertreter.

FPÖ-Trauma Stolperstart Türkis-Blau

An die große Glocke wird auch nicht gehängt, dass in der FPÖ bereits seit Wochen Kleingruppen sehr konkret über die Zeit nach der kommenden Wahl brüten. Der strategisch denkende Herbert Kickl hat an der Seite seines damaligen Chefs Heinz-Christian Strache miterlebt, wie die FPÖ 2017 zwar mit fliegenden Fahnen und ausladenden Egos in die Ministerbüros eingezogen war, aber weder inhaltlich noch personell fürs Regieren aufgestellt war.

Der innerste Zirkel um Sebastian Kurz erzählt noch heute gerne, wie sich Strache & Co. in den ersten Regierungsmonaten mangels qualifizierter Kabinette erleichtert von der Truppe um Gerald Fleischmann und Stefan Steiner Wordings für Medienauftritte schreiben ließen.

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Feldzug. Sowohl Andreas Babler als auch Herbert Kickl werden durch die Bundesländer touren, um neue Wähler zu mobilisieren.

© APA/ALEX HALADA

Im Herbst steht aber noch ein Zwischenwahlkampf an. Herbert Kickl, dem bis vor Kurzem Parteifreunde keine erfolgreiche Spitzenrolle zutrauten, soll durch alle Bundesländer auf Werbetour gehen. Der noch zu Jahresbeginn blau-intern kursierende Plan eines Volksbegehrens als Zwischenwahlkampf-Motor wurde wieder auf Eis gelegt. Die blauen Strategen wollen den latenten Wähler-Unmut nicht wie ursprünglich überlegt auf ein Thema wie etwa die neue ORF-Gebühr beschränken. Ziel ist es, ob multipler Krisen die multiplen Ängste und den vielfachen Ärger breit zu bündeln und nutzbar zu machen.

Start des Duells Kickl gegen Babler

Beim diesem generellen blauen Feldzug gegen „die da oben“ trifft Herbert Kickl mit Andreas Babler nun erstmals auch auf einen Herausforderer von links. FPÖ-intern wird Bablers erhobene rote Faust gegen „die da oben“ bislang freilich als willkommene Konkurrenz gesehen, der dem blauen Höhenflug nicht schaden, sondern gar neuen Auftrieb geben könnte. „In der SPÖ sind sicher viele froh darüber, dass endlich wieder einer da ist, der eine klare Richtung vorgeben will. Das ist sein Momentum“, so ein FPÖ-Stratege. „Babler hat aber nur dann eine Chance, wenn es ihm das gelingt, was wir nach rechts hin zuletzt bei der MFG geschafft haben: Er muss mit seinem Kurs nach links hin komplett abdichten und darf der KPÖ oder der Bierpartei keine Chance geben, linken Protest abzuschöpfen.“

In einem kommenden Duell Herbert Kickl gegen Andreas Babler glauben die FPÖ-Strategen die Volkspartei so derart aufzureiben, dass Nehammer & Co. Dritter bleiben und ihr Heil in einer blau-schwarzen Koalition suchen müssen.

Die Blauen könnten ihre Strategie-Rechnung freilich ohne einen neuen erstarkenden Faktor gemacht haben. In Industrie- und Wirtschaftskreisen macht sich zunehmend Skepsis bis Widerstand gegen einen Kanzler Herbert Kickl breit.

Einige Unternehmer fürchten, dass damit die Chance auf eine überfällige geordnete Arbeitsmigration endgültig dahin ist und generell eine massive Verschlechterung für Standort und Exportchancen droht. Was bisher nur hinter vorgehaltener Hand artikuliert wurde, sprach dieser Tage mit dem Chef der Post AG, Georg Pölzl, in einem Puls24-Interview erstmals ein heimischer Spitzenmanager offen aus. Pölzl, sehr direkt: „Sowohl Andreas Babler als auch Herbert Kickl wären als Kanzler eine Katastrophe.“

Der Artikel ist der trend.PREMIUM Ausgabe vom 7. Juli 2023 entnommen.

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