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Wie Donald Trump die USA und die Welt verändert hat

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 © APA/AFP/Mandel Ngan

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Zoll-Zickzack, überraschende außenpolitische Initiativen, Kulturkampf gegen alles Linksprogressive und eine brutale Migrationspolitik - der US-Präsident hat 2025 die Schlagzeilen beherrscht wie kein anderer. Eine Einordnung von Hannelore Veit.

Am 20. Jänner 2025 hat Trump seine zweite Amtszeit begonnen. Noch nicht einmal ein Jahr ist das her, doch es fühlt sich an, als wäre es ein Jahrzehnt.

Das Prinzip „Flooding the Zone with Shit“, wie Trumps Langzeitberater Steve Bannon es nannte, zeigt Wirkung. Die Flut an neuen Präsidenten-Dekreten, die täglichen, empörenden Wortmeldungen wie seine jüngsten Ausfälle gegen den ermordeten Rob Reiner, die sich oft widersprechenden Ankündigungen, die Vergeltungsmaßnahmen gegen jene, die ihn in seiner ersten Amtszeit an der Durchsetzung seiner Pläne gehindert haben – all das hält Amerika und die Welt in Atem.

Als Europäer sind wir verleitet, Donald Trump verrückt oder erratisch zu nennen – wäre da nicht die Tatsache, dass der US-Präsident fast immer dort hineinsticht, wo Dinge im Argen liegen. Das Wie ist es, das uns in Europa widerstrebt.

Am überraschendsten waren seine Initiativen in der Außenpolitik, mit denen er die Europäer ordentlich aus dem Konzept gebracht hat. Aber: Er hat dazu beigetragen, diesen Kontinent aufzurütteln. Europa ist schon vor Trump für Amerika unwichtig geworden. Joe Biden war der letzte große Transatlantiker, aber auch er war ein Transatlantiker im pazifischen Jahrhundert. Die amerikanische Außenpolitik ist nicht erst seit Trump in Richtung Asien ausgerichtet: Schon Barack Obama hat den Pivot to the Pacific, die Neuausrichtung hin zum Pazifik ausgerufen. China ist der große Rivale. Die geopolitischen Pole haben sich verschoben. Die Neuordnung der Welt bestimmen die USA und China.

Da sollte die Anfang Dezember verkündete neue Trump’sche Sicherheitsdoktrin nicht weiter überraschen. Sieht Trump wirklich Putin mit freundlicheren Augen als Europa? Will er wirklich die EU zerschlagen? Oder ist das nur die beleidigte Interpretation der Europäer, die mit sich selbst ringen? Es ist ganz der Stil des Donald Trump: unverblümt, rücksichtslos, beleidigend, aber immer mit einem Kern Wahrheit.

Der Ukrainekrieg ist den USA in dieser Neuausrichtung quasi dazwischengekommen. Das Ukrainepapier ist eine Verhandlungsbasis und bei Weitem nicht die beste Option. Die Europäer haben in mehr als drei Jahren Krieg keinen Plan, und sei er noch so vage, hervorgebracht. Trump agiert, Europa reagiert.

Das eitle Heischen nach dem Friedensnobelpreis ist nicht elegant. Der Frieden in Nahost ist nicht dauerhaft. Aber was Trump, unterstützt von seinem Sondergesandten Steve Witkoff und seinem Schwiegersohn Jared Kushner, geschafft hat, ist nicht zu leugnen. Die USA haben Israel und Qatar, den Unterstützer der Hamas, an einen Tisch gebracht. Die noch lebenden israelischen Geiseln sind zurück. Der Dealmaker hat seinen Deal gemacht.

Trump hat Resultate vorzuweisen. Wäre da nicht diese Unberechenbarkeit, die ihn auszeichnet, die er ganz bewusst einsetzt. Verwirrung stiften ist sein Motto: Was ist ernst gemeint, was nicht, was ist nur dahingesagt, um eine Reaktion zu erzielen? Es ist eine Art der Außenpolitik, mit der die Welt erst lernen muss, umzugehen.

Was hat Trump innenpolitisch erreicht? Es kommt darauf an, wen man fragt. Seine Anhänger und Anhängerinnen – immerhin auch 46 Prozent der Frauen haben Trump gewählt – stehen großteils zu ihm, auch wenn seine Zustimmungswerte sinken. Was sie bejubeln, empört die andere Hälfte der Bevölkerung. Trump hat diese extrem polarisierte Nation noch weiter polarisiert.

Hat man Trumps Wahlkampf verfolgt, hat man die 920 Seiten des „Project 2025“ der Heritage Foundation gelesen, überraschen die Akzente, die er gesetzt hat, nicht. Immer wieder, unermüdlich, und stets mit dem ihm eigenen Sinn für maßlose Übertreibung hat er die Themen Einwanderung, Wirtschaft und Wokeness bespielt.

Die Zahl derer, die illegal über die Südgrenze in die USA kommen, ist seit Jänner 2025 drastisch geschrumpft. Die Zahlen sprechen für sich, auch die Art und Weise, wie Trump gegen illegale Einwanderer vorgeht, spricht für sich, aber nicht für ihn. Die Agenten von ICE verbreiten Angst und Schrecken, auch unter Einwanderern, die sich legal im Land befinden. Die Absicht ist leicht zu durchschauen: Unruhe in die großen Städte zu bringen, die allesamt demokratisch dominiert sind. Notfalls agiert Trump mit umstrittenen Uraltgesetzen und setzt das Militär gegen eigene Bürger ein. Die Mehrheit der Bevölkerung missbilligt das rabiate Vorgehen, unterstützt jedoch strengere Kontrollen gegen illegale Einwanderung.

Auch gesellschaftspolitisch dreht sich Amerika in eine andere Richtung. Trump hat seinen Anhängern versprochen, gegen das liberale, linksprogressive – manchmal ultraprogressive – Amerika der Großstädte und der Universitäten vorzugehen. Und er tut es. Wokeism war gestern. Political Correctness ist für Donald Trump ein Schimpfwort. Zu weit geht diese politische Korrektheit auch vielen in den ländlich dominierten und republikanisch wählenden Bundesstaaten der Mitte, von Ostküsten- und Westküstenbewohner so despektierlich Flyover-Country genannt. Zwei Geschlechter, Männer und Frauen, soll es in den Reisepässen in Zukunft geben, geht es nach Trumps Wünschen. Universitäten, für Trump Horte der Progressivität, kürzt er die finanzielle Unterstützung. Noch sind die USA das Land der Innovation, doch Europa hofft bereits auf den Exodus der Spitzenforscher. America’s loss is Europe’s gain, wenn Europa sich anstrengt.

Trumps Wirtschaftsbilanz ist zwiespältig. Den Börsen geht es gut. Doch die auf den ersten Blick launenhafte und undurchschaubare Zollpolitik könnte – Betonung auf „könnte“, noch wissen wir es nicht – gegen Donald Trump arbeiten. Er hat die Wahl nicht zuletzt gewonnen, weil die Infl ation unter Joe Biden nach dem Ende der Pandemie enorm gewesen war. Subjektiv war alles teuer geworden, Lebensmittel kosteten plötzlich viel mehr, Benzin kostete vier Dollar die Gallone, knapp vier Liter, immer noch sehr billig im Vergleich zu Europa, doch nicht für Amerikaner, die auf ihr Auto angewiesen sind.

Aff ordability, Leistbarkeit, ist deshalb das neue Schlagwort der letzten Wochen. Die Angst vor steigenden Preisen für Güter des täglichen Bedarfs zwingt auch die Trump-Regierung zum Handeln: Zölle auf Importe von Lebensmitteln wie Kaffee oder Rindfleisch wurden im November ausgesetzt, Zahlungen von 2.000 Dollar an alle mit niedrigen und mittleren Einkommen in den Raum gestellt. Für Trumps Zollpolitik gilt im übrigen, was für viele seiner Dekrete gilt: Sie müssen erst vor den Gerichten standhalten – im Fall der Zölle vor dem obersten Gerichtshof. Die Mühlen der Justiz mahlen bekanntlich langsam. Und nicht immer im Sinne von Donald Trump. Bei einigem, was er mit viel Getöse angekündigt hat, ist er von den Gerichten zurückgepfiffen worden. Auch bei seinen vom Vergeltungsgedanken getriebenen Anklagen gegen politische Opponenten: die Anklagen gegen den frühere FBI Direktor James Comey oder die Oberste Anklägerin New Yorks Letitia James wurden abgewiesen.

Donald Trump hinterlässt im ersten Jahr auch bereits physische Spuren in der Hauptstadt Washington. Sein neuer Ballroom im East Wing des Weißen Hauses zeugt von seinem ausgeprägten Ego. Möglicherweise werden die Washingtonians rechtzeitig zur 250-Jahre-Feier der Nation auch einen Triumphbogen als Andenken erhalten: Pläne für einen Arc-deTrump am Ufer des Potomac sind gerade im Entstehen.

Von Trump wird sicher mehr bleiben als ein gigantomanischer Ballsaal. Doch auch wenn er gerne an den Fundamenten der amerikanischen Demokratie sägt, die Checks und Balances sind stark, sie werden standhalten.

Zur Person

Der Artikel ist in der trend.Edition vom 19. 12. 2025 erschienen.

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