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OeNB-Gouverneur: „Goldreserven als Anker"

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 © FOTO: LUKAS ILGNER
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Der neue Gouverneur der Nationalbank Martin Kocher übt sich trotz schlechter Wirtschaftsdaten in Optimismus und Geduld. Die Arbeit seines Hauses will er künftig sichtbarer machen als sein Vorgänger.

trend: Wie froh sind Sie angesichts der tristen wirtschaftlichen Lage, dass Sie nicht mehr Wirtschaftsminister sind?

Kocher: Die Zeiten sind nicht einfach, aber das waren sie, als ich Minister war, auch nicht. Das Wichtigste ist, dass jeder seine Aufgabe erfüllt und die Schritte setzt, die notwendig sind, damit wir besser aus den Krisen kommen.

trend: In Interviews seit Ihrem Antreten versprühen Sie viel Optimismus. Sehen Sie das als Ihre Aufgabe?

Zuallererst geht es darum, realistisch zu sein und die richtigen Reformoptionen aufzuzeigen. Aber gleichzeitig darf man auch nicht in übertriebenen Pessimismus verfallen. Es stimmt, wir sind wie fast ganz Europa in einer schwierigen Lage, aber es gibt in Österreich auch sehr gute Unternehmen, die besten Fachkräfte der Welt, eine hohe Innovations- und Forschungskraft und noch vieles mehr, worin wir sehr gut sind. Diese Faktoren stimmen mich mittelfristig optimistisch. Es ist jedenfalls eine Tatsache, dass die Rezession seit einem Jahr hinter uns liegt, auch wenn die Wachstumsraten schwach sind.

trend: Sie sagen es, das Wachstum ist bescheiden …

Natürlich würden wir gern höhere Wachstumsraten sehen. Es ist entscheidend, dass einerseits dort angesetzt wird, wo die Kosten stark gestiegen sind, also bei Lohn-, Bürokratie- und Energiekosten. Das tut die Regierung auch. Gleichzeitig müssen wir aber produktiver werden. Das heißt, wir sollten unsere höheren Kosten durch Innovation kompensieren. Dazu ist es wichtig, mehr in neue Technologien sowie Forschung und Entwicklung zu investieren und insgesamt mehr Zuversicht zu schaffen, um Investitionen zu fördern.

trend: Die Maßnahmen der Regierung, die Teuerung einzudämmen, fallen aber eher unter das Motto „Kleckern statt Klotzen“. Geht das Ihrer Meinung nach in die richtige Richtung?

Die Frage ist: Wie soll die Regierung auf die Inflation Einfluss nehmen? Primär und auf mittlere Sicht ist das eine Sache der Geldpolitik und wird für den Euro-Raum gemacht. Da sind wir auf einem guten Weg. In Österreich ist die Inflationsrate aufgrund der Automatismen noch höher, das tut uns auch weh. Aber wir erwarten für 2026 2,4 Prozent Inflationsrate. Aus meiner Sicht setzt die Regierung dort an, wo sie sinnvollerweise etwas tun kann, nämlich durch mehr Wettbewerb und mehr Transparenz.

trend: Von mehr Wettbewerb sieht man aber im Lebensmittelhandel wenig …

Natürlich kann man immer mehr machen, aber Österreich ist ein relativ kleiner Markt und für internationale Supermarktketten nur beschränkt interessant. Die Vorstellung, man müsse nur an ein, zwei Rädchen drehen, führt oft zu falschen Schlüssen. Das gilt auch für direkte Eingriffe in Preise, die meist zu starken negativen Nebeneffekten führen. ­

trend: In Italien wird darüber diskutiert, Goldreserven zu verkaufen, um den Schuldenberg zu reduzieren. Ist das in Österreich auch eine Option?

Die Goldbestände der Notenbank dienen als Sicherheit, um in schwierigen Zeiten Geldpolitik betreiben zu können. Sie sind ein Anker der Stabilität. Also muss man damit sehr vorsichtig sein. Außerdem wären das nur Einmaleffekte, und die Notenbank hat mit 280 Tonnen Gold vergleichsweise überschaubare Reserven. Das ist weder für Italien noch für uns eine gute Option.

trend: Ihr Vorgänger war wenig bis gar nicht beratend für die Regierung tätig. Ist es ein Ziel von Ihnen, da öfter in Erscheinung zu treten?

Wir haben in unserem Haus viele hervorragende Experten, die ihr Wissen gerne bereitstellen. Aber es ist nicht Aufgabe der OeNB, wirtschaftspolitische Beratung zu betreiben. Wir wollen unsere Expertise noch mehr der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen und den Institutionen anbieten.

trend: Die Sparquote der Österreicher ist sehr hoch. Wie kann man die Bevölkerung zu mehr Konsum bewegen?

Es geht nicht darum, jemanden zu etwas zu bewegen. Die Unsicherheit ist groß, und das spiegelt sich in der Sparquote wider, die im Übrigen aber wieder leicht zurückgeht. Hier gilt es, durch glaubwürdige und konsequente Umsetzung von politischen Maßnahmen mehr Zuversicht zu generieren. Dafür braucht es auch einen langen Atem.

trend: Die EU-Kommission will ihre Bürger dazu bewegen, ihr Geld dem Kapitalmarkt zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig warnt die EZB vor einem Börsencrash. Wie soll man sich da auskennen?

Es ist im Interesse aller, dass es einen gut funktionierenden Kapitalmarkt in Europa gibt. Die vielen guten Ideen in Europa müssen hier auch finanziert werden können. Dafür gilt es, Modelle zu schaffen. Natürlich ist der Kapitalmarkt nicht für jeden das Richtige, aber der Großteil der Sparguthaben in Europa – wir sprechen von einigen Billionen – ist tatsächlich zu sehr niedrigen Zinsen veranlagt. Auf der anderen Seite ist es auch richtig, dass aktuell eine gewisse Sorge besteht, dass einzelne Aktien, vor allem aus der KI-Branche, schon ein sehr hohes Bewertungsniveau haben.

trend: Wie veranlagen Sie Ihr Geld?

Die EZB hat da sehr strenge Regeln, und das ist auch gut so. Wir Gouverneure müssen unsere Investments auch melden, aber über meine eigene Veranlagung möchte ich nicht in der Öffentlichkeit sprechen, weil so eine Aussage leicht als Ratschlag missverstanden werden kann.

trend: Aber Sie sind am Kapitalmarkt aktiv veranlagt?

Ja, das bin ich, und zwar mit langfristigen, breit gestreuten Investments.

trend: Der Vertrag von EZB-Präsidentin Lagarde läuft 2027 aus, nächstes Jahr soll ihre Nachfolge festgelegt werden. Präferenzen?

Die Verantwortung für die Bestellung liegt bei den Staats- und Regierungschefs, nicht beim EZB-Rat. Es ist jedenfalls keine einfache Aufgabe, für die Geldpolitik im nach den USA größten Wirtschaftsraum der Welt hauptverantwortlich zu sein.

trend: Seit Kurzem ist Harald Mahrer nicht mehr OeNB-Präsident. Bedauern Sie das?

Harald Mahrer hat als Präsident sehr viel Erfahrung gehabt, er hat das Haus gut gekannt und wichtige Entscheidungen sehr gut unterstützt. Die Entscheidung für die Nachbesetzung liegt nun bei der Bundesregierung. Natürlich wäre ein möglichst rascher Übergang für die vielen Funktionen, die der Generalratspräsident erfüllen muss, wichtig.

trend: Sie haben eine neue Strategie für die OeNB angekündigt. Können Sie dazu schon etwas sagen?

Wir wollen unsere wirtschaftspolitische Kompetenz noch stärker für die Öffentlichkeit sichtbar machen, wir wollen das Haus weiter öffnen und uns auf einige Aspekte unserer Arbeit konzentrieren, die wir als Alleinstellungsmerkmale in der Welt sehen, etwa unsere Expertise im Bereich der ost- und der südosteuropäischen Länder. Bei den EU-Erweiterungsgesprächen Richtung Westbalkan spielen wir damit sicher eine große Rolle.

trend: Vor Ihrem Antritt war von einem Sparpaket in der OeNB die Rede. Worin besteht das genau?

Natürlich wird eine mittelfristige Strategie auch einen Kostenpfad brauchen. Uns ist klar, dass wir angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte wie alle anderen öffentlichen Institute sparsam sein müssen. Wenn wir unsere Strategie vorstellen, werden wir auch auf die Kosten näher eingehen.

trend: Harald Mahrer ist über zu hohe Gehaltserhöhungen in der WKO gestolpert. Wie hoch fallen denn die Gehaltserhöhungen im Schnitt in der Notenbank aus?

Die OeNB hängt am Kollektivvertrag der Banken und Versicherungen. Bis auf das Direktorium sind daran alle gebunden.

trend: Und das Direktorium verzichtet auf eine Gehaltserhöhung?

Das Gesetz, das die Indexierung regelt, wird vom Parlament beschlossen – im Rahmen der Valorisierung der Politikerbezüge. Das ist für 2026 noch nicht passiert.

Zur Person

Das Interview ist im trend.PREMIUM vom 5. Dezember 2025 erschienen.

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