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Was Unternehmer:innen von der WKO fordern (Teil I)

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 © FOTO: MIDJOURNEY AI
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Nach dem abrupten Wechsel an der Spitze der Wirtschaftskammer wird klar, dass insbesondere bei den Klein- und Mittelbetrieben der Unmut enorm ist. trend fragte nach, wie sich die Kammer aufstellen muss, damit sie wirklich den Interessen ihrer Mitglieder dient.

Als er dann plötzlich weg war, waren alle doch ein wenig verdutzt. Am 13. November kündigte Wirtschaftskammer-Präsident Harald Mahrer seinen Rücktritt an, nachdem er tagelang wegen der ­Erhöhung von Löhnen und Funktionärsbezügen im Bereich der WKO unter schweren öffentlichen ­Beschuss gekommen war, auch seine Doppelfunktion an der Spitze der Kammer und des Generalrats der Nationalbank wurde ihm vorgeworfen. Dass dem PR-Profi in der Hitze des Gefechts schwere Kommunikationsfehler unterliefen – geschenkt. Aber gleich ein Rücktritt?

Erst allmählich wird klar, dass sich schon über längere Zeit großer Frust angestaut hat. Insbesondere bei kleineren und mittelgroßen Betrieben, die die Härten von zwei Jahren Rezession und der Aussicht auf prolongierte Stagnation besonders stark abbekommen. Die Politik redete hingegen nach wie vor lieber von Stromkostenzuschüssen für die Großindustrie oder Förderungen für Start-ups, statt sich um den berühmten Mittelstand zu kümmern. Mahrer hatte „unten“ zu wenig Rückhalt, als es eng wurde.

Am 27. November trat die Tirolerin ­Martha Schultz als – interimistische – Nachfolgerin von Mahrer an, sie kündigte „eine Reform, keine Revolution“ im Bereich der Aufgaben, Strukturen, Transparenz und beim Wahlrecht an. Bis zum ersten Halbjahr 2026 sollen konkrete Vorschläge vorliegen. Die Suche nach dem Dauernachfolger hat längst begonnen. Seine oder ihre Aufgabe wird nicht nur sein, die Wogen zu glätten, sondern auch eine Reform einzuleiten, die weit über eine ­Summe kleiner Schritte hinausgeht.

Erste Stimmen werden laut, dass die Wirtschaftskammer mit ihrer Bundes- und neun Länderorganisationen als „Role Model“ vorangehen müsse, etwa für die große avisierte Bundesstaatsreform. Regionen zusammenlegen oder ganz einfach Digitalisierung effizienter einsetzen? „Die Kammer könnte ein Vorreiter für eine allgemeine Verwaltungsreform sein“, sagt einer der 16 vom trend befragten KMU-Unternehmer:innen.

trend wollte von diesen WKO-Mitgliedern aus verschiedensten Branchen und Bundesländern wissen, wie ihre Interessenvertretung künftig aufgestellt werden soll, ob es eine Pflichtmitgliedschaft braucht, wo gespart werden soll – und wo besser nicht. Herausgekommen ist ein Sammelsurium an durchwegs konstruktiven Vorschlägen, die auch die neue Kammerspitze beherzigen sollte. Aber auch die Einschätzung, dass eine solche Reform mit Blut, Schweiß und Tränen verbunden sein wird. „Das wird kein Kindergeburtstag und es wird wehtun“, prophezeit die ­Gerätebauunternehmerin Gertrude Schatzdorfer-Wölfel.

„Mehr Wahlfreiheit“ - Julia und Oliver Gradwohl, Bäckerei Gradwohl, Burgenland

Wir wünschen uns mehr Klarheit hinsichtlich der zuständigen Ansprechpartner innerhalb der WKO. Wir pflegen ein äußerst gutes Verhältnis zur WKO Burgenland, sobald jedoch Unterstützung auf Bundesebene oder in Wien benötigt wird, gestaltet sich die Zuständigkeit deutlich schwieriger. Wir wären für einen zentralen, klar definierten Ansprechpartner für KMU. Dieser sollte unkompliziert erreichbar sein und als erste Anlaufstelle dienen. Für viele KMU stellt die Pflichtmitgliedschaft eine finanzielle und organisatorische Belastung dar. Kleine Unternehmen wie wir arbeiten mit engen Margen. Es braucht mehr Wahlfreiheit oder flexible Modelle, bei denen Betriebe je nach Nutzung der Leistungen unterschiedliche Beitragsstufen wählen können.

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Oliver und Julia Gradwohl

 © Bio Vollwertbäckerei Gradwohl

„Österreichweit standardisieren“- Ingeborg Freudenthaler, Freudenthaler Entsorgung, Tirol

Ich war immer schon gegen eine Pflichtmitgliedschaft. Wenn die WKO effizient arbeitet und die Unternehmen gut unterstützt, würde man den Beitrag auch freiwillig zahlen. Wie gut die WKO KMU unterstützt, weiß ich nicht, dafür habe ich zu wenig Kontakt mit ihr. Die WKO gibt mittlerweile aber sicher viel Geld für Marketing und PR aus. Beim Kommunikationsdesaster der letzten Wochen frage ich mich dann natürlich, warum. Was ich ebenfalls nicht verstehe, sind die ­hohen Rücklagen. Die WKO ist ja keine Sparkasse. Es gäbe so viel zu tun, um die WKO und den Staat zu deregulieren. Von den vielen Versprechen, die gemacht worden sind, sehe ich bisher noch nichts. Sehr vieles wird mittlerweile länderspezifisch abgewickelt. Überprüfungen und Prozesse sollten österreichweit standardisiert werden.

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Ingeborg Freudenthaler

 © Freudenthaler/Franz Oss

„Absolute Kostentransparenz“ - Alexander Datzer, Berufsdetektei ERA.wien

Die Zusammensetzung von Berufsgruppenausschüssen darf nicht länger durch branchenfremde Entscheidungen „von oben“ erfolgen, sondern muss die tatsächlichen Vertreter der jeweiligen Fachgruppen widerspiegeln. Absolute Kostentransparenz ist essenziell: Ein jährlicher, für alle Mitglieder einsehbarer Bericht über Einnahmen (Umlagen) und Ausgaben sowie detaillierte Tätigkeitsberichte jedes Funktionärs würden Vertrauen schaffen. Bezahlte Funktionärsposten sollten reduziert, engagierte ehrenamtliche Kräfte aber gezielt gefördert werden. Und: Die Kammer hat ausschließlich ihre Mitglieder zu vertreten – kein Konsumentenschutz, unter welchem Deckmantel auch immer, keine Bearbeitung von Beschwerden durch Nichtmitglieder. Nur eine fokussierte, transparente und demokratisch legitimierte Kammer kann die Interessen der KMU wirklich wirksam vertreten.

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Alexander Datzer

 © Beigestellt

„Innovationskurs pushen“, Manuel Zeller, CEO Neoh, Wien

Österreich zählt seit Jahren zu den Ländern mit den höchsten Lohnstückkosten weltweit – besonders im Vergleich zu unseren wichtigsten Handelspartnern. Wir können langfristig nur dann wettbewerbsfähig bleiben, wenn wir auf Qualität, technologische Exzellenz und echte Innovation setzen. Diese Innovationskraft braucht jedoch Kapital. Und genau hier liegt das strukturelle Problem: Österreich verfügt über einen im internationalen Vergleich viel zu kleinen Innovationsfinanzierungstopf. Wenn wir Wachstum schaffen wollen, müssen wir die Rahmenbedingungen für Investitionen dringend verbessern. Die Wirtschaftskammer muss diesen Kurs klar und entschlossen einfordern – im Interesse des österreichischen Wirtschaftsstandortes und seiner Zukunft.

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Manuel Zeller

 © Neoh

„Mehr Imagearbeit, bitte!“, Sonja Wimmer, Boutiquehotel The Harmonie Vienna, Wien

Was die Kammer im Haus spart, sollte sie an die Unternehmen weitergeben. Das Serviceangebot ist gut. Für Betriebsübergaben würde ich mir aus eigener Erfahrung für die Nachfolger:innen mehr Unterstützung wünschen, am Beginn ­dieses Übergangs zur Unternehmerschaft und nicht erst, wenn sie die Beiträge zahlen. Die Hospitality-Branche wird in der Öffentlichkeit gern als Inflationstreiber dargestellt. Wie schwer es für uns angesichts der Energiepreise und der KV-Abschlüsse ist, überhaupt noch Gewinne zu erwirtschaften, will niemand hören. In Wien warten 2026 die nächsten Erhöhungen der Ortstaxen. Da wäre Imagearbeit für uns Unternehmer gefragt: Wir sind nicht alle Großverdiener, die große Autos fahren.

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Sonja Wimmer

 © Inge Prader

„Rücklagen gezielt einsetzen“, Hinnerk Hansen, Gründer und Geschäftsführer Impact Hub, Wien

Die Wirtschaftskammer kann viel bewegen, wenn sie Start-ups stärkt und aktiv mit etablierten Unternehmen vernetzt. Gerade bei Zukunftsthemen wie sozialer Innovation, Klima, Gesundheit und Bildung braucht es branchenübergreifende Zusammenarbeit. Investiert die Kammer – etwa nach dem Vorbild der deutschen Agentur für Sprunginnovationen – zudem einen Teil ihrer Rücklagen strategisch in solche Innovationsvorhaben und Kooperationen, steigert sie ihren Mehrwert für die Mitglieder, stärkt Unternehmertum und erhöht Österreichs Wettbewerbsfähigkeit.

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Hinnerk Hansen

 © EY

„Mehr Zukunfts­themen“, Adi Pohn, GIG & Pohn Management (u. a. Fassadenbau), OÖ

Mit der Pflichtmitgliedschaft habe ich kein Problem, allerdings ver­stehe ich nicht, warum alle gleich viel zahlen müssen, wenn nicht alle ­alles brauchen. Mein Vorschlag wäre eine Art Grundmitgliedschaft, die 70 Prozent der bisherigen Beiträge kostet, und eine Mitgliedschaft+, die man sich dazubuchen kann. Wenn man etwa die hervorragenden Exportservices braucht und sie nutzen will, sollte man das extra dazubuchen können. Ein Riesenthema ist natürlich die Struktur. Zwischen dem Bund, dem Land, den Bezirken, den Fachorganisationen gibt es viel zu wenig Abstimmung. Fachgruppen kann man sicher zusammenlegen, wenn man Digitalisierung klug nutzt. Beim Bund könnte man das Personal sicher um ein Drittel, beim Land um 20 Prozent, beim Bezirk um zehn Prozent reduzieren. Die Kammer könnte auf diese Weise sogar ein Vorreiter für eine allgemeine Verwaltungsreform sein. Eine Zusammenlegung der Landesorganisationen halte ich hingegen nicht für vorrangig, wichtiger wäre eine Arbeitsteilung, sodass nicht alles neunmal gemacht werden muss: Wien sollte sich mehr um großstädtische Themen kümmern, der Westen mehr um ländliche Themen. Oft habe ich ja den Eindruck, die Kammer verteidigt die Vergangenheit, sie sollte viel stärker – und für alle nachvollziehbar und messbar – auf Zukunftsthemen setzen.

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Adi Pohn

 © Freystil Content Agentur e.U.

„Stärkere Vertretung in der Politik“, Julia Skergeth, Taschendesignerin, Wien

Ich habe schon sehr viel Hilfe von der WKO in Anspruch genommen. Die Leistung, die ich erhalten habe, übersteigt meinen Mitgliedsbeitrag um ein Vielfaches. Natürlich gibt es Unternehmen, die nicht genug Bescheid wissen, welches Service es gibt, und es daher nicht in Anspruch nehmen oder die Unterstützung nicht brauchen. Dann verstehe ich, wenn man die Pflichtmitgliedschaft kritisiert. Ich habe bisher aber sehr davon profitiert. In der Politik sollte die WKO die Perspektive von uns Unternehmer:innen viel stärker vertreten. Wir halten das System am Laufen.

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Julia Skergeth

 © Julia Liebentritt/Buero Butter

Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 5. Dezember 2025 erschienen.

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