
Martha Schultz hält ihre erste öffentliche Rede als interimistische WKO-Präsidentin.
©APA/Hans Klaus TechtAls 24-Jährige stieg sie in das Reisebüro ihrer Eltern ein. 38 Jahre später übernimmt sie die angeschlagene WKO von Harald Mahrer. In ihrer ersten Rede als interimistische Präsidentin verteidigt sie die Pflichtmitgliedschaft.
Dass es nach 15 Jahren als Nummer zwei in der WKO nun doch so schnell in die erste Reihe geht, kam wohl auch für Martha Schultz überraschend. Grund dafür ist der rasche Fall ihres Vorgängers Harald Mahrer: Innerhalb weniger Wochen veränderte sich das Image von einem umtriebigen Netzwerker mit Weitblick zu jemandem, der Wasser predigt, aber Wein trinkt. Nachdem die Kritik an seinem Kommunikationsstil nicht abreißen wollte, blieb Mahrer kaum etwas anderes übrig, als seinen Chefsessel in der Wiedner Hauptstraße zu räumen. Ein Platz, der nun zum ersten Mal in der 79-jährigen Geschichte der WKO von einer Frau eingenommen wird – wenn auch nur interimistisch.
Fehlende unternehmerische Erfahrung, wie sie Mahrer von manchen Seiten unterstellt wurde, kann man Schultz nicht vorwerfen. Der Einstieg in die Wirtschaft erfolgte bereits mit 24 Jahren, als sie das Reisebüro Hochzillertal ihrer Eltern übernahm. Im trend-Interview von 2021 spricht Schultz von einer „enormen Herausforderung“, da sie zu diesem Zeitpunkt gerade Mutter geworden war.
Erste private Kinderbetreuung im Zillertal
Als Unternehmerin mit Kind setzte sich Schultz unter anderem dafür ein, dass sich Lohn- und Sorgearbeit besser vereinbaren lassen. So rief sie vor knapp 35 Jahren eine private Kinderbetreuung – die erste ihrer Art im Zillertal – ins Leben. „Das wurde nicht von allen im Dorf positiv gesehen, und das Wort „Rabenmutter" habe ich damals mehr als einmal gehört“, so Schultz.
In der Zwischenzeit expandierte das Reisebüro zur Schultz-Gruppe, die die Tirolerin in Personalunion mit ihrem jüngeren Bruder Heinz führt. Der Betrieb mit Sitz im Zillertaler Kaltenbach umfasst mittlerweile fünf Skigebiete, zahlreiche Seil- und Bergbahnen sowie Restaurants, Hotels, einen Golfplatz und eine Baufirma.
Antrittsrede von Schultz
Im trend-Interview äußerte sich Schultz auch über den Gender Pay Gap, der in Österreich ausgeprägter ist als in den meisten EU-Ländern. „Männer sind bei Gehaltsverhandlungen oft mutiger und fordern mehr, da müssen wir Frauen noch viel selbstbewusster werden und uns mehr zutrauen.“
In einer ihrer ersten Entscheidungen als interimistische WKO-Präsidentin ging es für Schultz ebenfalls um das Gehalt. Zwar nicht um ihr eigenes, sondern um jenes der 5.800 WKO-Mitarbeiter:innen. Statt eines geplanten Gehaltsplus von 4,2 Prozent ab Juli 2026 gibt es nun ab Jänner 2026 ein Plus von 2,1 Prozent. Damit fällt die Basis für zukünftige Lohnverhandlungen deutlich geringer aus. Diese Entscheidung sei Schultz nicht leicht gefallen, sie sei aber notwendig, um „das zu tun, was wir von anderen einfordern: Augenmaß und Verantwortung in schwierigen Zeiten.“
In ihrer Antrittsrede am Donnerstag sagte Schultz, dass sich einiges ändern müsse, um Vertrauen zurückzugewinnen. Das WKO-Image beschrieb sie als ramponiert: „Dieses Bild müssen wir korrigieren, weil es uns in dieser Schärfe auch nicht gerecht wird.“ Außerdem verteidigte sie die Pflichtmitgliedschaft und verwies auf die wichtige Rolle der Wirtschaftskammer, um für einen „dynamischen Wirtschaftsaufschwung“ zu sorgen.
Zudem soll es ab 2027 ein neues Gehaltsmodell geben. Ob Schultz dann immer noch an der Spitze der WKO steht und wer ihr folgen könnte, ist derzeit offen.
