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Wifo-Chef warnt erneut vor verlorener Dekade für Wirtschaft

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Mehr Wirtschaftswachstum 2025
 © APA/APA/THEMENBILD/HANS KLAUS TECHT
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Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr hat seine Warnung vor einem verlorenen Jahrzehnt für Österreichs Wirtschaft erneuert. Bereits im Frühjahr warnte der Spitzenökonom vor einem derartigen Szenario. Laut der am Dienstag vorgestellten Wifo-Mittelfristprognose wird das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf im Jahr 2030 erst wieder den Wert von 2019 erreichen. "Das Bild ist düster", sagte Felbermayr. Auch IHS-Chef Holger Bonin sieht "keinen Anlass für Entwarnung".

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Die Wirtschaftsforscher von Wifo und IHS haben am Dienstag ihre Konjunkturprognose für das laufende Jahr angehoben. Im Juni ging man noch für die heimische Wirtschaft von einem Nullwachstum (Wifo) bzw. "Mini"-Plus (IHS) von 0,1 Prozent aus, nun wird ein Plus von 0,3 bzw. 0,4 Prozent erwartet. Der längste Wirtschaftsabschwung der Zweiten Republik wird damit Geschichte sein. Als Grund für die Prognoseänderung verwiesen Wifo und IHS auf eine veränderte Datengrundlage. Die Statistik Austria revidierte Ende September die heimischen BIP-Daten für 2023, 2024 und das erste Halbjahr 2025 nach oben. Demnach schrumpfte die Wirtschaftsleistung in den beiden Vorjahren nicht wie zunächst erwartet insgesamt um 2 Prozent, sondern um 1,5 Prozent und wuchs im ersten Halbjahr leicht.

"Wir stehen noch besser da als im Sommer gedacht. Ein echter Aufschwung ist aber nicht in Sicht", kommentierte der Wifo-Chef die aktuelle Konjunkturprognose. Es sei "Zeit für eine breite Reformpartnerschaft" von Unternehmen, Gewerkschaft und Politik. Neben der Inflationsbekämpfung sieht Felbermayr auch großen Handlungsbedarf in der Industriepolitik. Die Industrie habe in den vergangenen Jahren knapp 10 Prozent an realer Wertschöpfung eingebüßt, der industrielle Anteil am BIP sei seit 2019 um 2 Prozentpunkte auf 15 Prozent gesunken.

Auch IHS-Chef Bonin sieht "keinen Anlass für Entwarnung" für Österreichs Wirtschaft. Das Wachstumstempo sei langsamer als in vielen anderen EU-Ländern. "Der Reformdruck bleibt hoch", sagte Bonin bei dem Pressetermin mit dem Wifo. Man müsse vor allem "das Inflationsproblem in den Griff bekommen. "Dafür müssen diverse Akteure über ihren Schatten springen." Der Spitzenökonom plädierte für "eine Bekämpfung von Mangellagen" im Bereich Wohnen, Energie und Arbeitskräfte. "Solche Ansätze wirken langfristig". Felbermayr und Bonin lobten den aktuellen Metaller-KV-Abschluss unter der Inflationsrate.

Die wirtschaftliche Erholung wird laut Wifo und IHS vom privaten Konsum getragen, der Warenaußenhandel ist im laufenden Jahr aber noch rückläufig. Die konjunkturelle Dynamik dürfte 2025/2026 "deutlich hinter früheren Erholungsphasen" zurückbleiben, erwartet das IHS und verwies auf "die verhaltene internationale Konjunktur und heimische Strukturprobleme". Für 2026 senkten die Ökonomen ihre Wirtschaftswachstumsprognose vom Juni um 0,1 Prozentpunkte auf 1,1 bzw. 0,9 Prozent. Im Jahr 2023 schrumpfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Österreich um 0,8 Prozent und 2024 um 0,7 Prozent.

Nach den Rekord-Inflationsjahren 2022 und 2023 mit 8,6 Prozent und 7,8 Prozent sank die Teuerung 2024 auf 2,9 Prozent. Die von Wifo und IHS erwartete Seitwärtsbewegung bei der Inflation ist heuer aber nicht eingetreten, beide Institute rechnen nun für das laufende Jahr mit 3,5 Prozent. In den letzten Monaten hätten die Lebensmittelpreise "kräftig zugelegt" und entgegen den Erwartungen habe der Preisauftrieb bei den lohnkostenintensiven Dienstleistungen nicht nachgelassen, so das IHS. Im kommenden Jahr prognostizieren Wifo und IHS einen Rückgang der Teuerung auf 2,4 Prozent.

Die Erholung der Wirtschaft kommt zeitverzögert am Arbeitsmarkt an: Für heuer erwarteten die Ökonomen noch einen Anstieg der Arbeitslosenrate nach nationaler Berechnung um 0,5 bzw. 0,4 Prozentpunkte auf 7,5 (Wifo) bzw. 7,4 Prozent (IHS). Im kommenden Jahr soll die Arbeitslosenrate dann auf 7,3 Prozent sinken.

Die Budgetlage der öffentlichen Hand bleibt angespannt. Wifo und IHS prognostizieren für heuer ein gesamtstaatliches Defizit von 4,2 bzw. 4,3 Prozent der Wirtschaftsleistung und von 3,9 bzw. 4,1 Prozent im kommenden Jahr. Das gesamtstaatliche Defizit in Österreich lag 2024 mit 4,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) deutlich über dem Maastricht-Grenzwert von 3 Prozent. Im Juli wurde deswegen die Eröffnung eines EU-Defizitverfahrens gegen Österreich offiziell beschlossen.

Das Wifo veröffentlichte mit der Kurzfrist-Konjunkturprognose erstmals zeitgleich auch die Mittelfristprognose. Das reale BIP-Wachstum im Zeitraum 2026 bis 2030 soll im Durchschnitt 1,1 Prozent pro Jahr betragen. Die österreichische Wirtschaft dürfte laut Wifo mittelfristig um 0,2 Prozentpunkte schwächer wachsen als der Durchschnitt des Euroraums. Die Wirtschaftsforscher erwarten bis zum Ende des Jahrzehnts hierzulande vergleichsweise niedrige Investitionen, ein schwaches Wachstum der Beschäftigung und eine geringe Dynamik bei der Produktivität.

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/THEMENBILD/HANS KLAUS TECHT

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