
Geringe durchschnittliche Auslastung, aber hohe Investitionen: Der Wildwuchs bei den Ladenetzbetreibern wird nicht lange gut gehen.
©Martin HörmandingerÖsterreichs erstes Ladenetz-Ranking zeigt: Neue Player heizen den Wettkampf an. Angesichts der bescheidenen Dichte an Elektroautos ist das immer noch eine riskante Wette auf die Zukunft.
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Eigentlich sollte schon längst alles unter Strom stehen. Doch seit dem Vorjahr versucht die staatliche Mautgesellschaft Asfinag erfolglos, Ladestationen auf ihren eigenen Raststationen zu errichten. Grundsätzlich ist die Dichte des Ladenetzes in der EU-AFIR-Verordnung festgelget, auch das Verkehrsministerium sieht in einem Ausbauplan 2.800 Ladepunkte für Pkw (bis 2030) und für Lkw (bis 2035) vor. Die obligate Ausschreibung dazu scheiterte bisher aber an den Mineralölmultis, die das traditionelle Tankstellennetz auf den herkömmlichen Raststätten daneben betreiben.
Sie müssen hohe Pachten zahlen, genießen daher eine Art Gebietsschutz, wollen gleichzeitig selbst in das Business mit dem Ladestrom einsteigen und können alles gebrauchen, nur keine Konkurrenz in nächster Umgebung. Asfinag-Sprecherin Petra Mödlhammer: „Wir schreiben dann aus, wenn die Verhandlungen mit den Mineralölfirmen abgeschlossen sind.“
Das Gerangel ist kein Zufall. Jahrelang passierte der Ausbau öffentlicher Ladeinfrastruktur in Österreich eher planlos. Doch der langsame, aber stetige Hochlauf der E-Mobility – aktuell 214.524 rein elektrisch betriebene Pkw, rund vier Prozent des Fahrzeugbestands– zwingt alle Marktplayer nun, ihre Claims doch strukturierter abzustecken.
Jetzt geht es plötzlich um das dichteste Netz, das bequemste Kundenkonzept, den schnellsten Ladevorgang, da kann man sich schon einmal in die Quere kommen – selbst wenn im Business selbst noch wenig zu verdienen ist. Hauke Hinrichs, Geschäftsführer des Marktführers und Schnellladespezialisten Smatrics, beschreibt das Risiko: „Für das Ladebusiness zählt die Lage, die Lage und nochmals die Lage. Daher haben wir darauf geachtet, die guten Standorte in Österreich frühzeitig zu besetzen, stark im Voraus investiert und auf die Auslastung der nächsten Jahre spekuliert. Das ist auch in Ordnung – solange es aufwärts geht.“


Österreichs erstes Ladenetz-Ranking: Smatrics führt bei der Schnellladung, Wien Energie bei Normalladestationen. Durch die aktuelle Übernahme von da Mobil rückt Energie AG (OÖ) knapp vor EVN auf Platz 2.
© trendParadigmenwechsel
Dafür, dass es aufwärts geht, sorgt vor allem einmal der Trend zu Schnellladestationen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sich die Ladetechnologie an die gewohnten raschen Abläufe des fossilen Tankens anpassen muss, um von Kunden akzeptiert zu werden. Das bedeutet eine radikale Kehrtwende in der Mobilitätstheorie, die bisher eher das Langsamladen propagierte – zu Hause, Stromnetze schonend. Hinrichs: „Auch ich habe früher so gedacht, aber es stellt sich immer mehr heraus, dass für Kunden das Laden so schnell funktionieren muss wie Tanken.“
Smatrics, ein Joint Venture der deutschen EnBW (25,1 Prozent) und der österreichischen Verbundgesellschaft (74,9 Prozent), will das Netz bis 2030 daher von derzeit 320 öffentlichen Schnellladepunkten auf 1.500 fast verfünffachen. Alleine heuer und nächstes Jahr kommen je 200 neue Schnellladepunkte (Ladeleistung von 150 bis 300 KW, bis zu 600 KW wären möglich) hinzu.
Exakt das gleiche Konzept verfolgt mit Electra auch einer der neueren Player am Markt, ein französisches Start-up, das nach einem beachtlichen europaweiten Start in zehn Ländern und 770 Millionen Euro an frischen Investorenkapital (u. a. durch einen niederländischer Pensionsfonds) nun auch nach Österreich expandiert. Man betreibt ausschließlich Schnellladeinfrastruktur, will bis 2027 hier 140 Ladeparks errichten und ist auch sonst recht selbstbewusst unterwegs. Sébastien Aldegué, Country-Manager von Electra Österreich: „Österreich ist vergleichsweise sehr elektroautoaffin, und wir bieten das beste Service am Markt. Denn eines ist klar: Man muss den Kunden die Angst vor dem Laden nehmen. Und das können wir.“
Was den Markteintritt von Electra zusätzlich spannend macht, ist dessen Mitgliedschaft in der neu gegründeten Spark Alliance, einem der größten Zusammenschlüsse von Ladebetreibern in Europa. Nicht nur, dass Electra so mit einem Schlag auch ein europaweites Netz an kompatiblen Ladepunkten anbieten kann. Durch die gleichzeitige Teilnahme von Ionity an der Spark Alliance steht auch der Ladeanbieter großer Automobilhersteller – BMW, Ford, Hyundai, Kia, Mercedes-Benz, VolkswagenGruppe, Global Infrastructure Partners (GIP), Teil von Black Rock als Finanzinvestor – hinter dem Projekt. Man versteht sich als Pendant zu Teslas Supercharger-Netzwerk, ist langfristig interessiert und hat genügend Kapital, um den Aufbau eines Ladenetzwerks auch über längere Durststrecken hinweg zu finanzieren.
Die Ölmultis kommen
Für weitere Konkurrenz im Kabelsalat sorgt, dass nun auch die Mineralölmultis aufwachen, wie das Beispiel Asfinag zeigt. Die Unternehmen müssen beim Ersatz ihres langsam, aber stetig sinkenden Retailgeschäfts mit fossilen Treibstoffen Gas geben. Die Bereinigung im traditionellen Business ist nämlich schon voll im Gang, kleinere Tankstellenketten haben in den letzten Jahren ihr Geschäft aufgegeben oder verkauft, von der steirischen A1Kette (2022) über Stiglechner (IQ, 2023), Turmöl (2024) und Jet (2024) bis hin zuletzt BP, die ihren Rückzug aus Österreich angekündigt hat.
Speziell Marktführer OMV ist dabei, sein Tankstellennetz zu optimieren. Statt Wasserstoff oder Erdgas will man bis 2030 unter der Marke eMotion konzernweit lieber 5.000 schnelle und ultraschnelle Ladestationen für Elektrofahrzeuge anbieten, sagt Michal Kubinec, Leiter des OMV-Tankstellengeschäfts in Österreich: „Wir beobachten den österreichischen Mobilitätsmarkt kontinuierlich, und gehen nicht mehr von einer Trendumkehr aus.“


Andreas Reinhard, Geschäftsführer Bundesverband Elektromobilität, BEÖ: „Wir wissen, dass das Geschäft immer noch eine starke Wette auf die Zukunft ist. Aber wer, wenn nicht die Energieversorger, sind von ihrem Kraftwerksgeschäft her gewohnt, in ganz langfristigen Horizonten zu denken?“
© BEÖ, beigestelltAn den Schalthebeln
Zunehmendes Interesse am Aufbau eines Ladenetzes kommt letztlich auch von den eigentlichen Energielieferanten, den Stromproduzenten und Landesenergieversorgern, von Wienstrom bis Illwerke-VKW. Nach anfänglichen Querelen und Streitigkeiten hat man sich im Bundesverband Elektromobilität Österreich (BEÖ) zusammengeschlossen, einer Tarif- und Rechnungsgemeinschaft, die unter anderem dafür sorgt, dass Ladekarten untereinander anerkannt werden.
Die Mitglieder haben sich darauf spezialisiert, Ladelösungen für den Handel auszuarbeiten, beginnend mit herkömmliche Ladestationen, zunehmend aber auch Schnellladestationen. Erst vor wenigen Wochen etwa unterzeichnete die EVN einen exklusiven Vertrag mit XXXLutz, der seinen Kunden am Parkplatz eine Möglichkeit anbieten will, die Einkaufszeit gleich auch mit Nachschub für die Autobatterie zu kombinieren.
Dass man eine Hand an den Schaltern haben möchte, liegt in der Natur der neuen Stromwelt. Zum einen kann man mit der zunehmenden Elektrifizierung der Mobilität – seit Kurzem auch im Lkw-Sektor – den bisher dominanten Fossilunternehmen in der Lieferkette der Energieversorgung große Marktanteile abjagen. Zusätzlich sind Elektroautos nicht nur große Stromverbraucher, sondern dank ihrer Batterien zusammengerechnet auch große Stromspeicher, die bei intelligentem Management zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen könnten – ein bisher wenig beachtetes Geschäftsfeld.
Andreas Reinhard, Geschäftsführer BEÖ und Abteilungsleiter bei der Linz AG: „Wir wissen, dass das Geschäft immer noch eine starke Wette auf die Zukunft ist. Aber wer, wenn nicht die Energieversorger, sind von ihrem Kraftwerksgeschäft her gewohnt, in ganz langfristigen Horizonten zu denken?“
Auslastungsdrama
Tatsächlich sind es bisher Positionierungskämpfe, denn zu verdienen gibt es noch lange nichts. Zu gering ist die Dichte an potenziellen Kunden (E-Fahrzeugen), zu teuer der Aufbau des Ladenetzes – eine Schnellladesäule kostet rund 100.000 bis 200.000 Euro.
Der deutsche Brancheninformationsdienst Elvah hat vor wenigen Wochen eine erste Analyse der öffentlichen Ladebetreiber in Deutschland und in umliegenden Ländern wie Österreich vorgelegt. Die Auslastung der Parks beträgt durchschnittlich nur 17 Prozent, wobei einzelne Ausreißer das Niveau in die Höhe verzerren, vier von fünf liegen weit darunter. Das gesamte geladene Stromvolumen im zweiten Halbjahr 2024 lag laut Elvah in Österreich nur bei rund 80 GWh, ein Marktwert von 40 bis 60 Millionen Euro. Zum Vergleich: Alleine die EVN will 100 Millionen Euro bis 2030 investieren.
Dementsprechend vorsichtig ist man, wenn es um die Erträge geht. Marktneuling Electra etwa spricht von „Death Valley“, wenn er an Österreich und Deutschland denkt. Smatrics hofft, im nächste Jahr zumindest für den operativen Betrieb ein positives Ergebnis darstellen zu können: Hinrichs: „Wir sind zwar Marktführer, aber weit weg von Marktbeherrschung. Die Branche erwartet eine Konsolidierung in den kommenden Jahren.“
Vielleicht geht die Marktbereinigung ja noch schneller als erwartet. Erst im März wurde das 2017 in Tirol gegründete Unternehmen da Emobil, mit rund 3.500 Ladepunkten bisher eines der aktivsten alternativen Betreiber Österreichs und im Ranking prominent vertreten (siehe Tabelle), vom oberösterreichischen Landesenergieversorger Energie AG übernommen.
Dieser Artikel ist im trend.PREMIUM vom 23. Mai 2025 erschienen.