
Viele Jahre hindurch erwiesen sich die Beteiligungspapiere der Luxusbranche als resistent gegen Konjunkturschwankungen. Zuletzt gab es allerdings auch in der Glitzerbranche Kursrückgänge. Mutige können diese für einen Einstieg nutzen.
Als Abschluss Ihres nächsten Chinarestaurantbesuchs sollten Sie ein Gläschen Mao Tai probieren. Einerseits weisen Sie sich damit als Kenner der chinesischen Tischkultur aus, andererseits auch als unerschrockenen Trinker. Der Schnaps aus Sorghum, roter Hirse, mit seinen rund 50 Volumenprozent Alkohol, einem eher rustikalen Geruch und einem Geschmack zwischen Lösungsmittel und Desinfektionsspülung führt westliche Konsumenten an die Grenze ihrer Leidensfähigkeit. In China gilt der extravagante Brand hingegen neben Whisky und Cognac als Luxusspirituose, mit der gern auch Auslandsgäste beglückt werden.
Doch nicht nur Genießer mit einem Hang zur Extravaganz, sondern auch Anleger finden Gefallen an dem eigenwilligen Getränk: Kweichow Moutai (ISIN: CNE0000018R8), die „offizielle“ Mao-Tai-Brennerei, ist im Shanghaier Aktienindex SSE 50 vertreten und eine der wichtigsten chinesischen Luxusaktien.
Diese teilen mit ihren westlichen Pendants ein wechselvolles Schicksal. Lange Jahre hindurch galten Luxusaktien als eher resistent gegenüber Börsenbaisse und Konjunkturtief. Das liegt teils daran, dass der Wohlstand weltweit stetig zunimmt – Ende 2024 gab es laut UBS Global Wealth Report weltweit 58 Millionen Millionäre. Teils lag es auch daran, dass sich die Konsumgewohnheiten wohlhabender Menschen offenbar nicht an so profanen Dingen wie Aktienkursen und Wirtschaftsprognosen orientieren. Motto: Mit einem Gläschen Champagner in der Rolex-bewehrten Hand lässt sich jede Baisse entspannt überbrücken. Vor allem der Aufstieg asiatischer Schwellenländer und die dort rasch anwachsende Zahl von „High-Net-Worth Individuals“ (HNI, laut dem jährlich von Merrill Lynch und Capgemini veröffentlichten World Wealth Report sind das Menschen mit einem investierbaren Vermögen von mindestens einer Million Dollar), sorgten für verlässliche Nachfrage. Allerdings nicht von allen Käuferschichten: „Im High-End-Segment ist das Konsumverhalten relativ robust. Im mittleren Luxussegment, Fachterminus ‚Affordable Luxury‘, sind die Kunden jedoch sensibler gegenüber Konjunkturschwankungen“, analysiert Harald Kober, Fondsmanager bei Erste Asset Management, das Kaufverhalten der Luxuskunden.
Grundsätzlich zählen Luxusaktien zu den Konsumgüterwerten. Analysten unterscheiden hier zwischen Basiskonsum – dazu gehören unter anderem Lebensmittel, Haushalts- und Pflegeprodukte – und zyklischen Konsumgütern, darunter der gesamte Automobilsektor, bestimmte Dienstleistungen, Sportartikel und eben Luxusgüter. Wesentlicher Unterschied: Zyklischer Konsum reagiert stärker auf Konjunkturschwankungen als Basiskonsum. Die Autobranche zählt beispielsweise zu den typischen Vertretern des zyklischen Konsums.
Irrationale Käufer
Charakteristisch für den zyklischen Konsum: Kaufentscheidungen lassen sich, im Gegensatz zum Basiskonsum, hinausschieben. Auf Autos bezogen: Wenn sich die Konjunktur eintrübt, steigt deren Nutzungsdauer.
Doch für Luxusgüter, die ebenfalls zum zyklischen Konsum gezählt werden, trifft dieser Zusammenhang eben nur abgemildert zu. Dass Menschen überhaupt Luxusgüter kaufen – oft also Dinge oder Dienstleistungen, die sie auch billiger haben könnten –, beschreiben die Wirtschaftswissenschaften mit der Bezeichnung „Veblen-Effekt“, benannt nach dem US-amerikanischen Ökonomen und Soziologen Thorstein Veblen. Der Yale-Absolvent beschrieb das an sich irrationale Verhalten einiger Konsumenten, in einen Markt erst einzutreten, wenn die Preise eine bestimmte Höhe erreicht haben. Veblen ging davon aus, dass dafür das Prestige der betreffenden Güter verantwortlich sei. Laut Veblen spielt hingegen der Nutzen eines Produkts für den typischen Luxuskonsumenten keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle.
Die Psychologie wiederum beschreibt mehrere Motive, die zu einem „Luxuskauf“ führen: Luxusartikel weisen den Träger als wirtschaftlich erfolgreich aus, sie wirken identitätsstiftend oder sie helfen, Minderwertigkeitsgefühle zu kompensieren.
So ist es möglicherweise zwar verwunderlich, aber immerhin erklärbar, dass der Markt jener Güter, die anderswo vielleicht ohne prestigeträchtiges Krokodil oder Polospieler, aber mit gleichem Gebrauchsnutzen billiger zu haben wären – eben der Luxusgüter – seit Jahren wächst. Einer Berechnung der Strategieberatung Bain & Company und der italienischen Vereinigung der Luxusgüterhersteller Fondazione Altagamma zufolge, belief sich der Umsatz mit Luxusgütern 2014 weltweit auf 219 Milliarden US-Dollar, vergangenes Jahr waren es schon 363 Milliarden.
Das waren zwar deutlich mehr als zehn Jahre zuvor, doch um immerhin sechs Milliarden oder 1,6 Prozent weniger als im Vorjahr. „In der Vergangenheit waren Luxusaktien durch ihr starkes Wachstum getrieben, das insbesondere aus China kam. Nun aber stagniert das Wachstum selbst in Asien. Somit muss man aktuell den Luxusaktien keinen großen Stellenwert in einem Aktienportfolio beimessen“, zeigt sich Fondsmanager Kober eher skeptisch.
Potenzial
Längerfristig sehen die Marktforscher allerdings dann doch beachtliches Wachstumspotenzial. Die Schätzungen zum aktuellen Marktvolumen gehen zwar weit auseinander, was auch an unterschiedlichen Definitionen des Sektors liegt. So geht etwa Fortune Business Insights von einem Marktvolumen von nur 284 Milliarden Dollar im Jahr 2023 aus. Doch in einem sind sich die Analysten einig: Längerfristig betrachtet wird der Markt wieder wachsen, und zwar laut Fortune Business Insights auf über 392 Milliarden im Jahr 2030. Eine besondere Bedeutung kommt dabei den asiatischen Käufern zu. 2022 verfügte der asiatisch-pazifische Raum über einen Anteil von 40,12 Prozent am weltweiten Luxusgütermarkt. Insgesamt wird sich das rasante Wachstum der vergangenen Jahre allerdings etwas abschwächen.
Wie sich die Branche insgesamt entwickelt, ist am S&P Global Luxury Index abzulesen, der vom Finanzdienstleister S&P Dow Jones berechnet wird. Dieser Index umfasst mehrere Segmente: Schmuck, Mode, Parfums, Luxusautos, alkoholische Getränke und Reisen. Indexschwerpunkte sind Hermès International, Richemont, Ferrari NV, LVMH Moët Hennessy, Royal Caribbean Group, Mercedes-Benz, Tesla, L’Oréal, Marriott International und Hilton. 86 Prozent des Index entfallen auf zyklischen Konsum („Consumer Discretionary“), der Rest auf Basiskonsum („Consumer Staples“).
In der Länderaufteilung führen die USA mit 34,1 Prozent vor Frankreich (25 Prozent), Italien (11,1 Prozent) und der Schweiz (10,1 Prozent, Quelle: S&P Dow Jones). Gegenüber dem Weltaktienindex, in dem die USA rund 60 Prozent stellen, sind amerikanische Papiere deutlich untergewichtet. Anleger können diesem Index mit dem Amundi S&P Global Luxury UCITS ETF EUR (ISIN: LU1681048630) folgen.
Wer über Erfahrung mit Aktien verfügt, kann auch direkt in die Luxusmarken investieren. Zu den prominentesten zählt zweifellos der in Paris notierte französische LVMH-Moët-Hennessy-Konzern (ISIN FR0000121014). Der Branchengigant im Luxussegment verfügt über einen ganzen Bauchladen verschiedenster Produkte, hält Rechte an 75 Marken und betreibt rund 5.000 Geschäfte weltweit. Sechs Champagnermarken, darunter die Nobelmarke Krug, Whisky (Glenmorangie, Ardbeg), Cognac (Hennessy), Wein (u. a. Chateau d’Yquem), Lederwaren (Louis Vuitton), Koffer (Rimowa), Mode (Dior, Fendi, Marc Jacobs) Parfums (Guerlain, Christian Dior, Kenzo), verschiedene Duty-free-Shops, die Finanzzeitung „Les Échos“, die Tageszeitung „Le Parisien“, das Kaufhaus La Samaritaine und zahlreiche andere Aktivitäten runden das Portfolio des LuxusMischkonzerns ab. Mit einer Dividendenrendite von 2,6 Prozent und einer Bewertung mit dem 21-fachen Jahresgewinn ist die Aktie zwar nicht mehr billig, doch eines der solidesten Investments im Luxusbereich.
Luxusreisen
Mit einem KGV von 16 im Vergleich mit anderen US-amerikanischen Aktien günstig bewertet ist der Kreuzfahrtriese Royal Caribbean (ISIN: LR0008862868, die Schiffe fahren unter liberianischer Flagge). Vor allem mit der Marke Celebrity Cruises/Azamara Club Cruises spricht Royal Caribbean eine gehobene Klientel an. Die Nummer zwei am Kreuzfahrtmarkt profitiert vom anhaltenden Boom der Kreuzfahrtbranche. Nicht gerade üppig ist die Dividendenrendite von 1,6 Prozent.
Von den beiden Top-Ten-Indexwerten aus der Hotelbranche – Hilton und Marriott – ist Marriott vorzuziehen. Marriott weist das mit 26 gegenüber 34 günstigere KGV auf. Die Dividendenrendite von einem Prozent ist zwar bescheiden, doch Hilton bietet seinen Aktionären nur rund ein Viertelprozent. Beide Hotelkonzerne betreiben Beherbergungsbetriebe unter verschiedenen Marken. Bei Marriott sind das unter anderem die Tophäuser The Ritz-Carlton und Regis, darüber hinaus noch mehr als zwei Dutzend andere Marken wie Westin, AC Hotels, Sheraton, Le Méridien und Marriott.
Zu den größten Hoffnungsmärkten im Luxussegment zählt China. Doch der Versuch der Pekinger Regierung, den Binnenmarkt zu stärken, hat auch vor der Luxusbranche nicht haltgemacht. Zwar dominieren hier immer noch die imagestarken und prestigeträchtigen westlichen Marken, aber auch China verfügt über Unternehmen im Luxussegment. Prominentester Vertreter ist der Mao-Tai-Erzeuger Kweichow Moutai. Nach westlichen Kriterien vergleichbare Zahlen sind hier freilich nicht verfügbar. Wie das Getränk, so eignet sich auch die Aktie eher für Wagemutige. Gleiches gilt für Proya Cosmetics (ISIN: CNE100002TP9), einen Kosmetikkonzern, der besonders vom Wachstum des chinesischen Binnenmarkts profitiert. Vor allem dort wird sich in den kommenden Jahren das Schicksal der schillernden Branche entscheiden.
Der Artikel ist in der trend.COMMUNITY-Ausgabe von Juni 2025 erschienen.