Kika/Leiner mit 132 Millionen Euro Schulden in die Insolvenz
Die Möbelkette strebt eine Sanierung und somit Neustart an. Gegen den Möbelkonzern Kika/Leiner gibt es unbesicherte Gläubigerforderungen in der Höhe von 132 Millionen Euro. 440 Gläubiger sind von der Kika/Leiner-Pleite betroffen. Angaben zu verwertbaren Vermögenswerten (Aktiva) gibt es nicht.
Wien/St. Pölten. Die angeschlagene Möbelkette Kika/Leiner hat unter ihrem neuen Eigentümer Hermann Wieser am späten Montagnachmittag ein Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung am Landesgericht St. Pölten beantragt. Die unbesicherten Gläubigerforderungen (Passiva) belaufen sich auf 132 Mio. Euro, zum Vermögen (Aktiva) machte das Unternehmen keine Angaben, teilten AKV, Creditreform und KSV mit.
Die Möbelkette strebt einen Sanierungsplan zahlbar innerhalb von 2 Jahren an. Die rund 440 Gläubiger sollen eine Quote von 20 Prozent erhalten. Die Insolvenzursachen liegen laut Kika/Leiner unter anderem im erhöhten Preisdruck und nicht eingetretenen Umsatzerwartungen sowie in Lieferverzögerungen aufgrund der Coronapandemie. Von der Insolvenz sind laut Unternehmensangaben rund 3.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betroffen.
Anfang Juni verkaufte die Signa Retail Gruppe des Tiroler Investors Rene Benko das operative Kika/Leiner-Geschäfts an Wieser und die Möbelgeschäfte-Immobilien an die Supernova Gruppe des deutschen Fachmarkt-Unternehmers Frank Albert. Wie bereits angekündigt, sollen von den insgesamt 40 Kika/Leiner-Filialen österreichweit 23 Standorte geschlossen und 1900 von zuletzt 3900 Stellen gestrichen werden.
Benko hatte Kika/Leiner im Juni 2018 übernommen, als das Unternehmen infolge der Schieflage seines Eigentümers Steinhoff selbst ins Trudeln kam. Die damalige Regierung um Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP/Türkis) und dem damaligen FPÖ-Vizekanzler Hein-Chrisitan Strache hatte sich damals noch gerühmt mit einer "österreschischen Lösung " 5000 Arbeitsplätze gerettet zu haben. Sie hatten Rene Benko als einen Retter in höchster Not präsentiert.
Vertraglicher Ausschlüsse
Doch heute will Benkos Signa nichts mehr von der Möbelkette wissen. Signa hat sich beim Verkauf des operativen Kika/Leiner-Geschäfts an Wieser sämtliche Rückgriffsrechte so gut wie ausgeschlossen. Vertraglich sei die Gewährleistung und Haftung auf die Höhe des Kaufpreises beschränkt, in Summe also auf drei Euro, schrieb der "Standard" kürzlich.
Außerdem könne der Käufer keine Ansprüche gegen bisherige Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder, Gesellschafter oder Darlehensgeber geltend machen und er könne nicht vom Vertrag zurücktreten bzw. den Kontrakt anfechten. Die kolportierten Vertragsdetails bestätigte der Kika/Leiner-Sprecher gegenüber der APA.
Die Vernichtung von Steuergeldern
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) verwies im Zusammenhang mit dem im Raum stehenden Verlust von Steuergeldern durch ein etwaiges Insolvenzverfahren von Kika/Leiner auf die Finanzprokuratur. Man habe diese "beauftragt, die Interessen der Republik wahrzunehmen" und zu prüfen, welche rechtlichen Möglichkeiten es gebe, bekräftigte er am Montag vor Journalisten.
Es soll dabei um Steuerstundungen in der Höhe von bis zu 150 Millionen Euro gehen, die der Kika/Leiner-Gruppe mit ihrem Eigentümer Signa von Rene Benko gewährt wurden. Diese gestundeten Beträge sollten später zurückgezahlt werden.
Der Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, will die Vorgänge rund um den Verkauf von Kika/Leiner sowie eine Kompensation für die Steuerstundungen nun genau prüfen, wie er im "Ö1-Mittagsjournal" ankündigte. Zum genauen Anteil der Republik an den Verbindlichkeiten der Kette machte Peschorn keine konkreten Angaben. In dem geplanten Sanierungsverfahren werde die Republik jedenfalls aber "ein gewichtiges Wort mitzureden haben". "Wir haben hier sicherlich die entscheidenden Stimmrechte."
Zu klären ist aus Sicht von Peschorn auch, ob die Insolvenz der Möbelkette hinausgezögert worden sein könnte. "Das ist alles Gegenstand eines Insolvenzverfahrens. Das ist die Aufgabe des Masseverwalters unter gerichtlicher Aufsicht und mit Unterstützung des Gläubigerausschusses, sich diese Dinge genau anzuschauen. Und es ist auch unsere Aufgabe, hier alles zu prüfen", sagte Peschorn. Er gehe aber davon aus, "dass alle Beteiligten bestrebt waren, die Gesetze einzuhalten".
Peschorn vermutet, dass Signa als bisheriger Eigentümer hauptsächlich an Mietengelten aus den Liegenschaften der Kette interessiert gewesen sei. Das Handelsgeschäft habe Signa möglicherweise nur als Mittel zum Zweck gesehen. "Man muss sich anschauen, wie die Verrechnungspreise waren", so der Finanzprokurator-Chef.
Am Wochenende wurde bekannt, dass dem Unternehmen in der Coronapandemie Steuern gestundet worden waren, die Kika/Leiner eigentlich später zurückzahlen sollte. Man schaue sich "jetzt im Detail an, was überhaupt die Herausforderungen sind", so Brunner. In den kommenden "Stunden und Tagen" soll unter Federführung der Finanzprokuratur geprüft werden, "was überhaupt die Konsequenzen sein werden". Dabei gehe es um unterschiedliche Themenbereiche wie die zur Verfügung gestellten Unterstützungsgelder oder den Insolvenzentgeltfonds, so Brunner.
Lange Geschichte von "Roten Zahlen"
Der operative Teil der Möbelkette schrieb schon lange rote Zahlen. Für den südafrikanischen Kika/Leiner-Eigentümer Steinhoff (2013-2018) und für Signa (2018-2023) war der Möbelhandel ein Verlustgeschäft. Bis Ende September 2021 summierte sich über die Jahre ein Bilanzverlust bei der Kika Möbel-Handelsgesellschaft und bei der Rudolf Leiner Gesellschaft von 106 Mio. Euro bzw. 83,7 Mio. Euro, geht aus dem Firmenbuch (Wirtschafts-Compass) hervor. Mitte 2022 wurden beide Gesellschaften miteinander verschmolzen und firmieren seitdem unter Leiner & kika Möbelhandels GmbH. Der Jahresabschluss für 2021/2022 liegt noch nicht vor.
Nach knapp fünf Jahren als Eigentümer verkaufte die Signa Retail Gruppe Anfang Juni die Immobilien der Möbelkette laut APA-Informationen um 350 Mio. Euro an die Supernova Gruppe des deutschen Fachmarkt-Unternehmers Frank Albert. Wieser als neuer Eigentümer des operativen Geschäfts kündigte an, 23 von 40 Standorten per Ende Juli zu schließen und 1.900 von 3.900 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu kündigen. Beim geplanten Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung entscheidet dann der Masseverwalter über Filialschließungen und Stellenabbau.
Die operativen Kika- und Leiner-Gesellschaften zahlten in den vergangenen Jahren Mieten in Millionenhöhe an eigene Immobiliengesellschaften, welche die Standorte besaßen. Die Miet-und Leasingverpflichtungen beliefen sich im Geschäftsjahr 2020/21 bei Kika auf 24 Mio. Euro, bei Leiner auf 19 Mio. Euro. Der über die Jahre summierte Bilanzgewinn der KIKA Immobilien GmbH betrug Ende 2021 laut Firmenbuch (Wirtschafts-Compass) 60 Mio. Euro und bei der Leiner Immobilien GmbH waren es 6,6 Mio. Euro.
"Die Höhe der Mieteinnahmen wird allerdings noch zu einigen Diskussionen führen, da diese für den Verlust in der operativen Gesellschaft mitverantwortlich war", so der Chef des KMU-Beraters Finanzombudsteam, Gerald Zmuegg, am Montag in einer Aussendung. Die Bankverbindlichkeiten, etwa ein Kredit von 123,2 Mio. durch die RLB NÖ-Wien, seien aus den Mieteinnahmen der operativen Gesellschaft beglichen worden.
Für Zmuegg ist es kein Zufall, dass der Jahresabschluss der Leiner & kika Möbelhandels GmbH zum 30. September 2022 noch nicht beim Firmenbuch hinterlegt ist. "Anfechtungsfristen könnten hier in die Überlegung miteingeflossen sein", erklärte der Finanzombudsteam-Chef.
Die Sozialisierung einer Pleite mit Anlauf
"Was hier passiert, ist ein Skandal auf dem Rücken der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler sowie Beschäftigten", kritisierte GPA-Vorsitzende Barbara Teiber in einer Aussendung. "Der gesamte kika/Leiner-Deal muss rückabgewickelt werden. Der Finanzminister hat die Republik schadlos zu halten", forderte Teiber.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kika/Leiner mussten auf Details des Sanierungsverfahrens abwarten. Ab Dienstag sind bis zum Ende der Woche Betriebsversammlungen an allen Filialstandorten von Kika/Leiner in ganz Österreich geplant.
Die Arbeiterkammer und der Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer:innen (ISA) werden dort über die Wahrung der Ansprüche (u.a. laufendes Entgelt, Sonderzahlungen) informieren. Nach Eröffnung der Insolvenz übernimmt der öffentliche Insolvenz-Entgelt-Fonds (IEF) nach Geltendmachung die Zahlung der Mitarbeitergehälter. Offene Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis müssen zur Wahrung der Ansprüche zeitnahe beim Landesgericht St. Pölten sowie bei der IEF Service GmbH geltend gemacht werden.