
Ein russisches Gericht hat den Antrag Raiffeisenbank Russland abgelehnt, ein seit September 2024 geltendes Verkaufsverbot der Bank wieder aufzuheben. Die Raiffeisenbank Russland sieht eine „beispiellose Entscheidung“.
Das Handelsgericht von Nordwestrussland mit Sitz in St. Petersburg hat am Mittwoch den Antrag der Raiffeisenbank Russland abgelehnt, ein seit September 2024 geltendes Verkaufsverbot der Bank wieder aufzuheben. Darüber informierte die RBI-Tochter am Mittwochnachmittag. Die Gerichtsentscheidung kommt nach der Bezahlung von mehr als zwei Mrd. Schadenersatz, zu dem die Bank als „Verwandte“ österreichischer Strabag-Kernaktionäre im April 2025 rechtskräftig verurteilt worden war.
„Das Gericht hat heute abgelehnt, eine einstweilige Verfügung in Form des Verbots einer Umregistrierung sowie des Transfers der Rechte an Aktien der Raiffeisenbank (Russland, Anm.) aufzuheben, das zuvor für die Dauer eines Gerichtsverfahrens festgesetzt worden war“, hieß es in der Erklärung der Bank. Dabei sei das Gerichtsverfahren der Substanz nach erledigt und am 30. April 2025 sowie am 27. Mai 2025 seien von der russischen Zentralbank mehr als zwei Mrd. Euro auf Konten des Klägers überwiesen worden. Derzeit gebe es keine finanziellen Ansprüche an die Raiffeisenbank Russland und die verhängten Maßnahmen seien daher auch aufzuheben. „Nichtsdestotrotz hat das Gericht eine beispiellose Entscheidung gefällt, die Maßnahmen zu verlängern“, kommentierte die Bank.
Interner Konflikt bei Strabag als Auslöser russischer Gerichtsverfahren
Hintergrund der somit weiter laufenden Causa ist der Konflikt zwischen dem russischen Strabag-Aktionär und österreichischen Mitaktionären im Baukonzern. Die zumindest bis März 2024 offiziell vom Oligarchen Oleg Deripaska kontrollierte russische Gesellschaft Rasperia Trading Limited mit Sitz in Kaliningrad war im Zusammenhang mit EU-Sanktionen im österreichischen Baukonzern entmachtet worden und wandte sich im vergangenen August an das Kaliningrader Handelsgericht, dessen Zuständigkeit die österreichischen Beklagten anzweifelten. Dennoch entschied im Jänner das Gericht in Kaliningrad und bestätigte Ende April auch die Berufungsinstanz in St. Petersburg die Rechtmäßigkeit der Forderungen von Rasperia - neben einem milliardenschweren Schadenersatz ist dies auch eine auf fragwürdiger rechtlicher Grundlage stehende Übertragung von Rasperias Strabag-Aktien an die Raiffeisenbank Russland. Russische Urteile haben in Österreich keine bindende Wirkung, insbesondere gilt dies auch für die angeordnete Aktienübertragung.
Die russische Raiffeisenbank war von Rasperia nur deshalb geklagt worden, weil sie in einem Verwandtschaftsverhältnis zum Strabag-Aktionär Raiffeisen-Holding Niederösterreich-Wien steht. Letztere ist Eigentümerin der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien, die ihrerseits 25 Prozent am Mutterkonzern der Raiffeisenbank Russland, RBI, hält. Da unter den Beklagten letztlich nur die RBI-Tochterbank in Russland über Vermögen verfügt, waren russische Gerichtsentscheidungen in dieser Angelegenheit nur für die Bank von wirtschaftlicher Relevanz. Angesichts von Überlegungen des Mutterkonzerns, die russische Tochterbank zu verkaufen, galt dies insbesondere auch für das weiterhin aufrechte Verbot, diese Bank zu veräußern.
Neue Rasperia-Klage gegen Strabag-Schiedsverfahren in Amsterdam
Mit einer neuen Klage von Rasperia Trading Limited gegen österreichische Strabag-Kernaktionäre sowie die Raiffeisenbank Russland wird sich indes das Handelsgericht von Kaliningrad in einer Verhandlung am 16. Juli beschäftigen. Im öffentlichen Gerichtsregister ist davon die Rede, dass Rasperia am 9. Juni eine „Erklärung zum Verbot, gerichtliche Verfahren an internationalen Gerichten und Schiedsgerichten außerhalb der Russischen Föderation einzuleiten oder fortzusetzen“ eingebracht hat. Da auch dieses Verfahren auf Antrag von Rasperia unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt wird, sind im Register keine weiteren inhaltlichen Details zur eingebrachten Klage veröffentlicht worden.
Ein Rasperia-Anwalt sprach vergangene Woche gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters vom Bestreben seines Klienten, ein niederländisches Schiedsgerichtsverfahren gerichtlich in Russland untersagen zu lassen und etwaige Verstöße gegen dieses Verbot mit einer Strafzahlung von einer Mrd. Euro zu ahnden. Konkret bezieht sich Rasperia damit auf jene Klage, die österreichische Kernaktionäre der Strabag im Herbst 2024 beim Schiedsgericht in Amsterdam eingebracht haben. Geklärt werden soll dabei, ob Bestimmungen eines 2022 beendeten Syndikatsvertrag von Strabag-Kernaktionären noch gelten, in dem sich die Syndikatspartner wechselseitig ein Vorkaufsrecht bei Strabag-Aktien eingeräumt hatten. Im Fokus steht dabei die Frage, ob Rasperia nach einem gemeldeten Besitzerwechsel im März 2024 seine Aktien österreichischen Kernaktionären zum Kauf hätte anbieten müssen oder nicht.
Neue Klage kein Hindernis für RBI-Schritte gegen Rasperia in Österreich
Sollten das Kalingrader Gericht und eine etwaige Berufungsinstanz in St. Petersburg dieser neuen Rasperia-Klage stattgeben und würden österreichische Strabag-Kernaktionäre ihr Amsterdamer Verfahren gegen Rasperia fortsetzen, käme dies der Raiffeisenbank Russland aller Wahrscheinlichkeit nach teuer zu stehen. „Die Strabag-Kernaktionäre befinden sich immer in einem konstruktiven Austausch. Dies betrifft auch die aktuelle Situation“, erklärte Strabag-Kernaktionär Hans-Peter Haselsteiner am Dienstagabend auf die Frage, ob es bereits Kontakte mit RBI in Bezug auf die neue Rasperia-Klage gegeben habe. Nicht kommentieren wollte er gegenüber der APA die Frage, unter welchen Umständen Strabag-Kernaktionäre auf das niederländische Schiedsverfahren verzichten könnten, um damit in Russland einen hypothetischen Milliardenschaden für RBI abzuwenden.
Keine Rede ist laut APA-Informationen in dieser neuen Klage jedoch von etwaigen rechtlichen Schritten von RBI gegen Rasperia in Österreich, die die Bank als Reaktion auf die Verurteilung ihrer Tochter Raiffeisenbank Russland zu zwei Mrd. Euro Schadenersatz Ende April angekündigt hatte. Die Vorbereitungen für eine diesbezügliche Klage in Österreich liefen weiter, erklärte ein RBI-Sprecher am Dienstag auf APA-Nachfrage.
(trend/APA)