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Wie ein Oberösterreicher die Leiterplatte neu erfindet

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Plasma Innovations-Geschäftsführer Fritz Pesendorfer (links) mit einer fertigen Leiterplatte mit Alu-Leiterbahnen, Forschungsleiter Maximilian Stummer mit einem Leiterplatten-Rohling aus Kupfer, wie er dem bisherigen Standard entspricht.

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Aluminium ist das bessere Kupfer, glaubt Plasma-Innovations-Chef Fritz Pesendorfer. Für seine patentierte Leiterplatte interessieren sich Fachwelt und Investoren.

Über Trial and Error, richtiges Timing und glückliche Zufälle beim Erfinden kann Fritz Pesendorfer viel erzählen. Im Jahr 2012 begann der Unternehmer mit seinen Leuten mit ersten Versuchen, Leiterplatten mit Aluminium- statt mit Kupferleiterbahnen zu beschichten. „Wir waren einige Male knapp vor dem Durchbruch und hatten immer wieder Rückschläge“, blickt Pesendorfer auf mühsame Jahre zurück, in denen sich Euphorie und Enttäuschung abwechselten. „Mal scheiterten wir technisch beim Erreichen einer bestimmten Lötfähigkeit. Mal scheiterten wir an den Erwartungen der Hersteller.“

Die Idee des mittlerweile patentierten FLEXXAL-Verfahrens ist es, Leiterbahnen durch die Verwendung von Aluminium günstiger und leichter zu machen. Kupfer ist eine teure Ressource, und Aluminium hat die bessere Ökobilanz: „Der Durchbruch gelang mit einer Zinn-Nickel-Schicht mit hervorragender intermetallischer Verbindung, die die Platten gut lötbar und korrosionsbeständig macht“, sagt Pesendorfer, „und die reinen Materialkosten sinken damit um bis zu 88 Prozent.“ Die einzelne Leiterplatte kann um ein Viertel günstiger produziert werden. Starke Argumente, dachten sich Pesendorfer und seine Leute – raus damit auf den Markt.

Staunende Industrie und erster Kunde

Fritz Pesendorfer begann, die Industrie zu bemustern, und präsentierte das Verfahren den Granden der Beleuchtungsindustrie, von Signify, der LED-Sparte von Philips über Trilux bis Zumtobel und Siemens, wo er gleich vor 20 Fachleuten pitchen durfte, die leidenschaftlich zu diskutieren begannen. „Nahezu alle haben sich für eine kostenpflichtige Bemusterung entschieden, und wir haben ausschließlich positives Feedback erhalten“, freut sich Pesendorfer. Von einem großen deutschen Beleuchtungshersteller bekam er sogar die Rückmeldung, dass das dessen Meinung nach das Ende der konventionellen Leiterplatte sei. Das war ein tolles Kompliment, aber Bestellungen kamen keine. „Die Kunden hätten dafür ihre Maschinen ändern müssen“, erinnert er sich, „und das wollten sie natürlich nicht.“

Einen ersten Referenzkunden aus der Industrie hat Plasma Innovations aber heuer dann doch gewonnen: Der britische Leuchtenhersteller Whitecroft Lightning plant, seine Hauptprodukte in den kommenden sechs Monaten auf das FLEXXAL-Verfahren umzustellen. „Für die Briten war interessanterweise nicht der Kostenaspekt allein ausschlaggebend, sondern die bessere Ökobilanz“, sagt Pesendorfer. „Kupfer ist eigentlich Sondermüll, wenn es nicht sauber verwertet wird, und Umweltschutz hilft natürlich auch in der Vermarktung.“

China: Partner und Absatzmarkt

Als kleine Firma aus Attnang-Puchheim eine neue Technologie in einem 80-Milliarden-Dollar schweren Weltmarkt einzuführen, ist eine Mischung aus Klinkenputzen und strategischem Geschick. „Dieser Markt wird von China dominiert, sowohl bei der Produktion als auch im Absatz“, sagt Pesendorfer. Vor zwei Jahren fanden zwei Mitarbeiter von Pesendorfer mit Croll Technology Limited ein junges chinesisches Unternehmen, das Produktions-Know-how in dem Bereich aufgebaut hatte. Pesendorfer: „Wir vereinen unser Wissen und nutzen die IP-Rechte gegenseitig.“ Croll produziert für den chinesischen Markt und Plasma Innovations hat das Recht, Fertigungsstätten außerhalb von China oder den USA zu betreiben. Derzeit sind die beiden Unternehmen durch eine vertraglich geregelte Zusammenarbeit verbunden. Plasma Innovations und Croll Technology wollen diese in Zukunft weiter vertiefen zum Beispiel über eine gegenseitige Unternehmensbeteiligung.

 „Damit können wir auch liefern, wenn es um kritische Infrastrukturen geht, wo viele Unternehmen eben nicht direkt in China einkaufen.“ An das Potenzial in China glaubt Pesendorfer auch aus geostrategischen Überlegungen: „China hat verhältnismäßig wenig Kupfervorkommen, dafür viele Aluminiumreserven. Unser Technologiepartner Croll ist in einer lokalen Arbeitsgruppe für Leiterplatten-Normierung drin. Das könnte ein Gamechanger werden.“

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Fertigungsstraße von Croll Technology Limited (CRT) in Shenzhen, auf der die Leiterplatten aus Aluminium von Plasma Innovations gefertigt werden.

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Interesse von überraschender Seite

Jüngst meldete sich das Forschungsinstitut CERN aus der Schweiz und fragte um ein Muster an: „Die haben von uns auf einer Konferenz erfahren und haben vor, bis 2032 eine 120-Millionen-Euro-Investition in Kupfer zu tätigen. CERN würde das Geld aber lieber für Aluminium als für Kupfer ausgeben, und war deshalb erleichtert zu hören, dass jemand offenbar Leiterplatten mit Aluminium fertigt“, so Pesendorfer. Solche Anfragen füllen die „Motivationsspeicher wieder voll auf“, freut sich Pesendorfer, „vor knapp drei Jahren hätten wir schon fast aufgegeben.“

Anrufe kommen nicht nur aus der Schweiz, sondern auch aus dem arabischen Raum. Der saudi-arabische Staatsfonds steigt demnächst mit fünf Prozent ein, und denkt mit anderen Investoren über lokale Produktionsstätten im Nahen Osten nach. Investoren bestätigen nicht nur den technologischen Weg, sie geben auch finanziellen Rückenwind.

Bislang hat Pesendorfer die Entwicklung mit 400.000 Euro FFG-Förderung und knapp fünf Millionen Euro selbst bzw. mit dem Schweizer Investor Medicode (seit sechs Jahren dabei) finanziert. Pesendorfer hat in seiner eigenen Firmengruppe INO Group fünf kleine Industrieunternehmen zusammengeführt, in denen sich 235 Mitarbeitende mit Sondermaschinentechnik und Automatisierungen beschäftigen, zwölf Mitarbeitende davon ausschließlich in der Forschung. „Davon arbeiten am Rande ein paar bei der Plasma Innovations mit, die aber eigentlich nur zwei Mitarbeitende und mich als Geschäftsführer hat“, erzählt Pesendorfer.

Nächstes Patent am Weg

Während Pesendorfer gerade mehr Zeit mit Anwälten verbringen muss, als ihm lieb ist, um Investorenverträge und Zertifizierungen klar zu machen, ist Michael Bisges, der Cheftechnologe von Plasma Innovations, wieder entscheidend vorangekommen. Gemeinsam mit Maximilian Stummer, dem Forschungsleiter der INOCON Technologie GmbH, des auf Technologieentwicklung spezialisierten Schwesterunternehmens von Plasma Innovations, hat Bisges den nächsten Meilenstein gelegt.

„Wir sind dabei, das Verfahren für zwei- und mehrlagige Leiterplatten zu patentieren“, sagt Pesendorfer. „Die Patenteinreichung ist am Weg. Die ersten Muster dafür sind bereits gefertigt.“ Dieser Schritt würde das Marktpotenzial schlagartig erweitern: Die Leiterplatten könnten nicht nur in „einfachen“ Produkten wie Beleuchtungskörpern eingesetzt werden, sondern auch in größeren technischen Anwendungen wie Fahrzeugen oder komplexeren Geräten zum Einsatz kommen. „Wenn die Industrie sieht, dass das funktioniert, wird der Wunsch, das auch einzusetzen, groß sein“, glaubt Pesendorfer. „Bei einer neuen Technologie müssen Kunden Mut und Zuversicht mitbringen. Diese Menschen sind heute seltener als man glaubt.“

Zur Person

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Eine FLEXXALUMINA® -Leiterplatte mit Leiterbahnen aus Aluminium.

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