
Finanzminister Markus Marterbauer (mit Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl) präsentierte das Doppelbudget 2025/2026 im Parlament.
©APA/Roland SchlagerNach der ersten Budgetrede von SPÖ-Finanzminister Markus Marterbauer ist vor dem nächsten Budgetpoker: Warum ÖVP-Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ab sofort zusätzliche Milliarden fürs Heer erobern will. Wie der pinke „Mr. Budget“ Sepp Schellhorn seinen angeschlagenen Ruf retten will.
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Die Luft im Purpursaal des Finanzministeriums war bald zum Schneiden. Gut eine halbe Hundertschaft an Journalisten, Kabinettsmitarbeitern und Beamten hatte sich diesen Montag am frühen Abend im letzten Stock des modernen Zubaus hinter dem Winterpalais von Prinz Eugen zu einem Hintergrundgespräch eingefunden. Markus Marterbauer, der neue Finanzminister, den nach zweieinhalb Jahrzehnten erstmals wieder die SPÖ stellen durfte, und seine ÖVP-Staatssekretärin Barbara Eibinger-Miedl gaben einen ersten Einblick in die Eckwerte des Doppelbudgets 2025/26. Sperrfrist bis zur Veröffentlichung: am Tag danach um 10 Uhr, dem Start der Budgetrede im Parlament.
Dieses Gesprächsformat hat bereits Tradition: Die Medienleute, die tags darauf ein komplexes Zahlenwerk breit verständlich zu vermitteln und einer ersten Analyse zu unterziehen haben, sollen dank des kleinen zeitlichen Vorsprungs nicht in total kaltes Wasser hüpfen müssen. Zugleich versucht der jeweilige Ressortchef – mal mehr, mal weniger – dem trockenen Zahlenwerk vorsorglich den bestverkäuflichen Spin als politischen Stempel aufzudrücken.
Marterbauers vorsorglicher Budgetspin
Marterbauer suchte im Kreise der Medienvertreter zuvorderst drei zentrale Botschaften zu vermitteln: Ohne die beiden Sanierungspakete 2025 und 2026 von in Summe 15 Milliarden Euro würde das Budget derart aus dem Ruder laufen, dass Türkis-Rot-Pink eine bislang in Österreich einmalige Rekord-Schuldenquote von 100 Prozent hinterlassen würde. Sein Mantra: Statt für zusätzliche Milliarden-Zinszahlungen gebe er das Geld lieber für Arbeit, Bildung und Gesundheit aus.
Botschaft zwei: Die Lasten beim milliardenschweren Sparen seien so verteilt, dass sie jeder zu spüren bekommen werde – sprich, sie seien so fair wie irgend möglich verteilt worden.
Botschaft drei: Das Sanierungspaket wurde zu zwei Dritteln ausgabenseitig, sprich mit Sparmaßnahmen, und nur zu einem Drittel einnahmenseitig, sprich durch Steuermaßnahmen, geschnürt.
Botschaft zwei und drei sind dieser Tage auf vielen Medienkanälen von Experten sowohl von links als von rechts mehrfach in Frage gestellt worden.
Bad News, nein danke!
Nachhaltig auffällig ist, was Marterbauer auch auf mehrere Nachfragen penibel meidet: Wie kam es am Ende zu dem – in Summe 2,3 Milliarden schweren – Sparpaket, das die einzelnen Ministerien jeweils im eigenen Haus für das Doppelbudget 2025/26 zu liefern hatten? „Diese Einzelmaßnahmen sind Sache der Minister, das haben sie zu entscheiden und zu vertreten.“
Markus Marterbauer, dem rund um seine Bestellung nachgesagt wurde, ein kämpferischer, verbohrter linker Ideologe zu sein, überraschte nach innen und nach außen nicht nur durch einen besonders verbindlichen und pragmatischen Stil.
Der ehemalige Chefökonom der Arbeiterkammer präsentiert sich in seinen ersten zehn Amtswochen auch als Politiker, der gefährliche Fallen trittsicher umgeht. Das Verkünden konkreter schmerzlicher Sparmaßnahmen überlässt er konsequent den Ministerkolleg:innen.
Was ihm politisch offenbar gegen den Strich ging, lässt er bestenfalls zwischen den Zeilen wissen. „Der Wirtschaftsminister hat sich entschieden, den größten Teil der Einsparungen im Klimabereich zu suchen.“
Staatshaushalt last minute vor Budgetrede abgesegnet
Auch hinter den Kulissen, so übereinstimmende Berichte aus allen drei Regierungslagern, agierte der gelernte Sozialpartner weitgehend verbindlich. Besonders hartnäckige Gegenüber wurden bis zuletzt ausgesessen. Details im Wirtschaftsbudget wurden so last minute noch am Tag vor der Budgetrede endverhandelt.
So kam es, dass das Budget so knapp wie selten zuvor den Ministerrat passierte. Exakt 90 Minuten vor Beginn von Marterbauers Budgetredenpremiere im Hohen Haus gaben die Regierungsmitglieder bei einer Ministerratssitzung im Parlament auch formal grünes Licht zum Staatshaushalt für die Jahre 2025 und 2026.
Arbeitskreis statt grünes Licht für Milliardenpaket
Dort, wo Marterbauer auf keinen grünen Zweig kam, wird ab sofort weiter verhandelt. Denn als „besonders widerständig und mühsam“, so ein roter Regierungsinsider, habe sich ÖVP-Verteidigungsministerin Klaudia Tanner erwiesen. Die ehemalige niederösterreichische Bauernbunddirektorin hatte mit ihrem NÖ-Parteifreund und Ex-Bundesheer-Offizier Karl Nehammer als Kanzler noch eine Vervierfachung des Heeresbudgets in den kommenden Jahren paktiert. Im Heer laufen so seit Monaten die Vorbereitungsarbeiten für ein mit 16 Milliarden Euro beziffertes Aufrüstungs- und Beschaffungsprogramm: vom Erwerb von Flugabwehrraketen im Rahmen des europäischen Projekts Sky Shield bis hin zum Kauf neuer Abfangjäger.
Milliardenschwere militärische Beschaffungsprojekte wie diese haben eine lange Vorlaufzeit, die weit über das Doppelbudget 2025/26 hinausgeht. Statt eines von Tanner dringend gewünschten gesicherten Budget-Fahrplans zumindest für den Rest der Legislaturperiode, gestand ihr Marterbauer am Ende nur eine Arbeitsgruppe zu. Das reguläre Heeresbudget wurde zwar bis 2026 von rund vier Milliarden auf über fünf Milliarden Euro angehoben. Das entspricht in etwa einem Prozent des BIP.
Eine auch budgetär verbindliche Absicherung der im Regierungsprogramm verankerten zwei Prozent des BIP als Heeresbudget und damit die Zusicherung eines zweistelligen Milliardenbetrags für Modernisierung und Aufrüstung des Bundesheeres bleibt für die Ministerin so weiterhin auf der Wunschliste.
Ausnahme-Genehmigung für Heeresbudgetdefizit?
Wie und wann der Milliardenturbo fürs Heer tatsächlich angeworfen wird, soll nun in einer Arbeitsgruppe innerhalb der Regierung geklärt werden. Tanner & Co. setzen darauf, dass Österreich in Brüssel anklopft, um die „National escape“-Klausel aus dem strikten Maastricht-Regelwerk zu aktivieren. Die EU-Kommission hatte im Frühjahr signalisiert, dass auf nationalen Wunsch Rüstungsausgaben künftig nicht auf das Budgetdefizit und damit die Drei-Prozent-Grenze durchschlagen, also kein – zusätzlicher – Auslöser für ein EU-Defizit-Verfahren zu werden drohen. Damit hofft Tanner, schneller zu grünem Licht durch Marterbauer zu kommen. Die Escape-Klausel war zuletzt während der Pandemie von vielen Staaten in Anspruch genommen worden. Sie ebnete wohl nicht nur hierzulande politisch den Weg zu „Koste es, was es wolle“.
Im Finanzministerium sind freilich noch nicht alle Bedenken ausgeräumt, ob, wann und in welchem Ausmaß die Escape-Klausel für eine Aufstockung des Heeresbudgets in Anspruch genommen werden soll. Tenor der roten Skeptiker ob der türkisen Beschaffungswünsche: Auch wenn neue Milliarden fürs Militär aus dem Defizit herausgerechnet werden können, an höheren Staatsschulden und Zinsen ändere das Null.
„Mr. Fettnapf“ Schellhorn versucht Befreiungsschlag
Offen ist auch, wie sich die Neos in Sachen Militärausgaben positionieren: Dass das Heer frische Milliarden und eine militärische Aufrüstung braucht, ist unter den maßgeblichen Pinken unumstritten. In Sachen Nutzung der Escape-Klausel gibt es noch unterschiedliche Meinungen.
Der „Mr. Budget“ der Pinken, Sepp Schellhorn, war zuletzt zum „Mr. Fettnapf“ mutiert und vor allem mit Selbstverteidigung beschäftigt. „Dass er sich für einen neuen, luxuriöseren Dienstwagen entschieden hat, war nicht geschickt“, sagen auch pinke Mitstreiter, orten zugleich aber auch eine durchsichtige Kampagne.
Für seinen total misslungenen Vergleich mit der Nazi-Zeit hat sich Schellhorn umgehend entschuldigt. Mit einer Brüssel-Reise ab Mitte kommender Woche sucht er nun, über seine pinke Kernklientel hinaus zu punkten. Der Staatssekretär für Deregulierung will sich nun auch in der EU-Zentrale für weniger Regeln und Vorschriften stark machen – ein Anliegen, das vor allem in Unternehmen und bei Firmenchefs massiv umgeht.
In der ÖVP-Reichshälfte beginnen zudem erste Spitzenleute die Bedenken gegen den „Wutwirt“ und „Kammerjäger“ abzubauen. „Schellhorn hat sehr schnell sein Rendezvous mit der Realität gemacht und gelernt, dass mit dem ‚Kopf durch die Wand‘ in der Politik nichts weitergeht. Inzwischen sucht er auch bei uns Bündnispartner, um etwas weiterzubringen.“
Auch wenn Schellhorn weiterhin für Überraschungen gut ist, auch aus pinker Sicht bleibt er eine tragende Säule deren überschaubaren Regierungsteams, so ein Neos-Spitzenmann: „Der Sepp ist vielseitig einsetzbar und für uns sehr wertvoll.“