
Trotz breiter Zweifel in der Bevölkerung scheint man in der EZB wild entschlossen, das Projekt „Digitaler Euro“ durchzuziehen.
©Getty ImagesDie Europäische Zentralbank will die US-Dominanz im weltweiten Zahlungsverkehr durch den digitalen Euro brechen. Doch sowohl in der Bevölkerung als auch bei den Banken fehlt noch Verständnis für das Projekt.
Manchmal muss man die Bevölkerung auch zu ihrem Glück zwingen. Als die Österreicher 1996, drei Jahre vor Einführung des Euro, befragt wurden, ob sie diesen überhaupt bräuchten, lehnte ihn nahezu jeder zweite Befragte ab. 20 Jahre nach dessen Einführung zeigten sich aber drei Viertel der Österreicher mit der Gemeinschaftswährung zufrieden.
Dieses Experiment will die Europäische Zentralbank (EZB) nun scheinbar noch einmal durchführen – und zwar mit dem digitalen Euro. Aktuell gibt gerade einmal ein Drittel der in der Eurozone von BearingPoint befragten Bevölkerung an, sie würde einen digitalen Euro nutzen, allerdings nur wenn er gratis und überall akzeptiert wäre. Etwas positiver fällt eine von der Oesterreichischen Nationalbank in diesem Sommer durchgeführte Studie aus, die 45 Prozent mögliche Nutzer der digitalen Währung ortet. Dem steht allerdings wiederum der aktuelle Global Payments Report der Boston Consulting Group gegenüber, der hierzulande ein massiv verlangsamtes Wachstum digitaler Zahlungen und eine starke Neigung zum Bargeld manifestiert.
EU und EZB zeigen sich entschlossen
Trotz breiter Zweifel in der Bevölkerung scheint man in der EZB wild entschlossen, das Projekt „Digitaler Euro“, das bereits 2021 gestartet wurde, durchzuziehen. Und zwar mit Nachdruck, wie spätestens seit dem Finanzministertreffen letzten Freitag bekannt ist. „Der digitale Euro ist nicht nur ein Zahlungsmittel, sondern ein politisches Statement über die Souveränität Europas und seine Fähigkeit, Zahlungen mit Hilfe einer eigenen europäischen Infrastruktur abzuwickeln“, meinte EZB-Präsidentin Christine Lagarde.
Und EU-Kommissar Valdis Dombrovskis ergänzte: „Es herrscht nun eine gewisse Dringlichkeit, die offenen Fragen anzugehen.“ Dies insbesondere deshalb, weil die USA ihre wirtschaftliche Macht gegenüber Europa unter Präsident Trump immer stärker ausspielen und seit der kürzlichen Verabschiedung des US-„Genius Acts“ zur Regulierung von Stablecoins in Europa die Befürchtung herrscht, die USA könnten damit den Markt für digitale Währungen überrollen.
Turbo US-Stablecoins
Diese an den Dollar gebundenen Kryptopapiere, so die konkrete Angst, könnten die bereits durch Anbieter wie PayPal, Visa, Mastercard oder Apple Pay manifestierte US-Dominanz im weltweiten Zahlungsverkehr noch zusätzlich verstärken. Anders als sein Vorgänger Magnus Brunner hat Finanzminister Markus Marterbauer offenbar weniger Ressentiments gegenüber dem digitalen Euro: „Grundsätzlich unterstützt Österreich das Ziel der Kommission, die Rolle des Euro zu stärken und die Abhängigkeit von elektronischen Zahlungsanbietern aus Drittstaaten im Sinne einer strategischen Autonomie zu reduzieren“, sagt er.
Dabei sei ihm insbesondere wichtig, dass Bargeld erhalten bleibe, der digitale Euro für Bürger kostenlos sei, einen klaren Mehrwert biete und die Privatsphäre der Bürger gewahrt werde. Außerdem, so Marterbauer, sei klar, dass dem Steuerzahler durch die Einführung der digitalen Währung keine zusätzlichen Kosten entstehen dürfen: „Sollte es zur Einführung kommen, würde das Eurosystem die Kosten für die Einrichtung des Systems und die Infrastruktur tragen.“ Soll heißen: Zu den Kosten, die die Bereitstellung von Bargeld ausmacht, sollten keine zusätzlichen dazukommen.
Zeitplan für den digitalen Euro
Wie genau all das gewährleistet sein soll, soll in den nächsten Monaten noch ausgiebigst diskutiert werden. Ende Oktober soll das Projekt „digitaler Euro“ in die nächste Vorbereitungsphase eintreten, bis dahin soll klar sein, wie die technische Ausgestaltung, etwa über App oder Karte, aussehen soll. Im Frühjahr 2026 sollen der Rat und das EU-Parlament dann den finalen Startschuss dafür geben. Vor 2028 wird es aber trotz aller Dringlichkeit wohl keinen digitalen Euro geben, ist der in der OeNB zuständige Direktor, Josef Meichenitsch, überzeugt: „Die Banken und Händler benötigen zwei Jahre Vorlaufzeit, bis technisch alles steht.“
Dennoch fließen bereits jetzt viel Zeit und Aufwand in das Projekt. Die „Allianz für den digitalen Euro“, wie eine Arbeitsgruppe aus deutscher, italienischer, spanischer, französischer, österreichischer und litauischer Zentralbank heißt, ist bereits auf der Suche nach – europäischen – IT-Anbietern. „Wir bilden die Speerspitze für die technische Entwicklung des digitalen Euro“, sagt Meichenitsch. Dafür stockt man in der OeNB das Personal um rund 25 Mitarbeiter auf. Die Kosten für diese, verspricht der OeNB-Direktor, trägt die EZB. In einer technischen Pilotphase zum digitalen Euro sind 70 Unternehmen mit dabei, aus Österreich als einzige Bank die Erste Group. Banken sollen ja in dem System neben den Zentralbanken die Verteilung des digitalen Euro gewährleisten. Ein Gutachten von PwC im Auftrag europäischer Bankenverbände kommt aber auf Kosten in Höhe von 18 Milliarden Euro für die Banken. Josef Meichenitsch hält das für zu hoch. Und: „Das ist eine Investition in die Zukunft, in die Unabhängigkeit von einem US-Monopolisten. Da ist der Kostenaspekt nicht der wichtigste“, findet er.
Banken sind kritisch
Bei den heimischen Banken sieht man das naturgemäß etwas anders. „Ich sehe den digitalen Euro kritisch. Auch wenn er geopolitisch vielleicht Sinn macht, sehe ich nicht, welchen Mehrwert er für den Kunden bringen soll“, kritisiert Bankenverbandspräsident Enver Siručić. Insbesondere im Euro-Ausland würde man erst wieder ein anderes Zahlungsmittel benötigen. Außerdem rechnet er zusätzlich mit „massiven Kosten“, will man alle europäischen Zahlungssysteme unter einen Hut bringen. Wie hoch diese für die Banken sein würden, sei aber nicht abschätzbar. Auch Bankenobmann und Raiffeisen-NÖ-Wien-Chef Michael Höllerer kann sich für das Projekt bislang noch nicht erwärmen. „Bisher konnte mir noch niemand den Mehrwert des digitalen Euro erklären.“ Auch die wenigen Gespräche mit Vertretern der Zentralbanken dazu hätten wenig Erhellendes gebracht.
Dafür hat Höllerer im Sommer angedeutet, einen Beitritt zu dem von europäischen Banken gegründeten Payment-Anbieter Wero zu prüfen: „Das kann eine Alternative zum digitalen Euro sein. Auch weil wir hier mehr Details kennen.“ In drei Ländern ist Wero bereits zwischen Privatpersonen im Einsatz, der Handel soll heuer eingebunden werden. Für Meichenitsch ist das keine adäquate Konkurrenz: „Die privaten Anbieter hatten sehr lange Zeit, etwas auf die Beine zu stellen. Dafür müssten sich Akteure aus 20 Ländern einig sein. Bisher ist das gescheitert. Jetzt ist es Zeit, eine öffentliche Struktur zu schaffen“, findet der OeNB-Mann. Den Einwand, dass die EZB auch schon geraume Zeit an dem Projekt arbeitet, lässt er nicht gelten: „Hier steht zumindest ein konkreter Zeitplan für die technische Vorbereitung“ – der aber auch damit steht und fällt, ob die Banken dabei mitmachen, denn ein nur von den Zentralbanken emittierter digitaler Euro würde vermutlich noch länger dauern.
Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 26. September 2025 erschienen.
