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EZB-Vizepräsident de Guindos: "Das Risiko ist gestiegen"

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EZB-Vizepräsident Luis de Guindos

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Eine schwächelnde Konjunktur, rasant gestiegene Zinsen und geopolitische Spannungen: EZB-Vizepräsident Luis de Guindos mahnt zur Wachsamkeit. Die Folgen verschärften Lage seien in der Realwirtschaft noch nicht in vollem Umfang voll zu spüren.

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Die Aussichten für die Stabilität des Finanzsystems im Euroraum bleiben nach Einschätzung der Europäischen Zentralbank (EZB) fragil.

"Die schwachen Wirtschaftsaussichten und die Folgen der hohen Inflation belasten die Fähigkeit von Menschen, Unternehmen und Regierungen, ihre Schulden zu bedienen", erklärte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos. Von entscheidender Bedeutung sei es daher, wachsam zu bleiben. Die Auswirkungen der schärferen Finanzierungsbedingungen auf die Realwirtschaft seien noch nicht in vollem Umfang zu spüren, sagte der Notenbanker zur Vorlage des halbjährlichen Finanzstabilitätsberichts der EZB.

Die Notenbank hat im Kampf gegen die Inflation die Schlüsselzinsen seit Sommer 2022 zehnmal angehoben. Der Leitzins, zu dem sich Banken frisches Geld bei der Notenbank besorgen können, liegt damit inzwischen bei 4,5 Prozent. Der Einlagensatz, den Banken für das Parken überschüssiger Gelder von der Notenbank erhalten, beträgt nun 4,00 Prozent. Das ist das höchste Niveau seit dem Beginn der Währungsunion 1999.

Kredite haben sich dadurch kräftig verteuert, was sich zusätzlich bremsend auf eine schwache Konjunktur auswirkt. Dazu kommt der eskalierte Nahost-Konflikt mit seinen schwer absehbaren Folgen für die weltweiten Energiemärkte.

Folgen der gestiegenen Finanzierungskosten

Die Auswirkungen der gestiegenen Finanzierungskosten zeigten sich bereits auf den Immobilienmärkten, die sich im Abschwung befänden, erklärte die EZB. Wohneigentum sei aufgrund der gestiegenen Hypothekenzinsen inzwischen weniger erschwinglich. Die Immobilienpreise fielen. Bei den Gewerbeimmobilien mache sich zusätzlich bemerkbar, dass im Anschluss an die Coronapandemie Büroräume inzwischen weniger gefragt seien. Die Bedingungen sind laut EZB besonders schwierig für Immobilienentwickler. Diese sähen sich mit fallenden Verkaufspreisen konfrontiert und schrumpfenden Auftragsbüchern. Zudem stiegen die Beschaffungskosten.

"Die Risiken auf den Staatsanleihe-Märkten bleiben erhöht", sagte de Guindos. Die fiskalischen Fundamentaldaten seien vielen Ländern mit hohen Schuldenniveaus und anhaltenden Budget-Defiziten angesichts schwächerer Wirtschaftswachstumsaussichten angespannt. Bisher seien die Risikoaufschläge (Spreads) für Staatsanleihen dieser Länder aber noch im Rahmen. "Allerdings, könnte das Risiko einer fiskalischen Fehlentwicklung die Sorgen um die Tragfähigkeit der Staatsverschuldung wieder aufflammen lassen und Marktteilnehmer dazu zwingen, Länderrisiken neu zu bewerten", warnte die EZB.

Europas Banken "schockresistent"

Die Banken des Euroraums hätten sich seit der Pandemie als schockresistent erwiesen, und ihre Profitabilität habe zugenommen, erklärte die Notenbank. Allerdings dürfte sich die Qualität ihrer Vermögenswerte unter anderem aufgrund des schwachen Konjunkturumfelds verschlechtern. Dazu seien die Institute mit einem erheblichen Rückgang der Kreditvergabe konfrontiert. Ihre derzeit hohe Profitabilität werde wahrscheinlich unter Druck geraten, da sich zudem die Finanzierungskosten erhöhten. Die regulatorischen Vorgaben für die Krisenpuffer der Banken sollten de Guindos zufolge daher nicht angetastet werden.

Im Blick hat die Euro-Notenbank aber auch die sogenannten Schattenbanken. Das sind spezielle Geldmarktfonds, Hedgefonds und andere Finanzfirmen, die abseits der klassischen Bankenbranche im Geschäft mit Finanzierungen und Krediten unterwegs sind. In der Fachwelt werden diese als "Nicht-Banken Finanzintermediäre" (NBFI) bezeichnet. Der Sektor ist wenig reguliert.

Sorge bereitet der EZB unter anderem, dass solche Finanzfirmen häufig sehr niedrige Liquiditätspuffer besitzen. "Eine Verschlechterung der Konjunkturaussichten oder größere negative Schocks könnten einen plötzlichen Liquiditätsbedarf im NBFI-Sektor auslösen", warnt die Notenbank. Erzwungene Verkäufe könnten Turbulenzen an den Finanzmärkten verstärken. Laut EZB hat sich der Sektor allein in der Eurozone seit der globalen Finanzkrise 2008 von 15 Billionen Euro auf inzwischen 31 Billionen Euro mehr als verdoppelt.

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