
Wolfgang Urbantschitsch, Alfons Haber, E-Control: "Die Systematik wurde umgestellt, weil die alte Berechnungsform nicht zielführend war.“
©e-controlDer Ökostromanteil ist eine der wichtigsten Kennzahlen der österreichischen Energiepolitik. Jetzt hat die E-Control bislang unbemerkt ihre Kalkulationsbasis dazu geändert.
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Österreich soll laut Regierungsplan seinen Stromverbrauch bis 2030 ganz mit selbst produziertem grünem Strom abdecken. Nicht wirklich, aber zumindest rechnerisch und im Jahresdurchschnitt.
Jetzt stellt sich heraus, dass die staatliche Regulierungsbehörde E-Control ihren Wert dazu über Jahre hinweg zu hoch eingeschätzt haben könnte. In den Jahren 2022 und 2023 – zu Zeiten von Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) – hat man nämlich den enormen Strom-Verbrauch von Pumpspeicherkraftwerken einfach weggelassen, deren Strom-Produktion aber durchaus mitkalkuliert. Die Methodik hat den Ökostromanteil im Land rechnerisch deutlich erhöht, und zwar bis auf stolze 92 Prozent etwa im Jahr 2023.
Das fiel allerdings erst auf, als vor wenigen Tagen der sogenannte EAG-Monitoringbericht für das Jahr 2024 erschien, eine Rückschau auf Gewesslers letztes Jahr als Umweltministerin. Plötzlich zählt in den Berechnungen auch der Verbrauch der Pumpspeicher – und das bremst den damals eigentlich steilen Ökosotromanstieg rechnerisch wieder ein. Man landete dank der überdurchschnittlichen guten Wasserführung der Flüsse bei durchaus beachtlichen 94,3 Prozent, nach alter Methodik allerdings wäre man sogar bis an die 100 Prozent Ökostrom gekommen, oder darüber.
Die Berücksichtigung der Pumpspeicher ist inhaltlich grundsätzlich komplex, denn sie brauchen zuerst Strom, um das Wasser aufwärts pumpen zu können. Bein Ablassen kann man nur mehr zwei Drittel davon wiedergewinnen, ein Drittel ist verloren. Andere Institutionen, die ebenfalls Regierungsunterlagen zum Ökostromanteil liefern, wie die Statistik Austria, kommen zu noch anderen Ergebnissen.


Je mehr Pump- oder Batteriespeicher, umso höher kann der Ökostromanteil in Österreich sein. Hier der Verbund-Pumpspeicher Kaprun, Limberg I, II, III: Gerade erst eröffnet und derzeit wegen technischer Gebrechen ausser Betrieb.
Die E-Control ist in in der Beantwortung der trend-Anfrage dazu dann auch etwas vage. Sie erklärt, dass die Systematik umgestellt wurde, „weil die alte Berechnungsform nicht zielführend war.“ Außerdem habe man vor 2024 angeblich keine aussagekräftigen Zahlen gehabt: „Der Anteil der Pumpspeicher konnte damals noch nicht herausgerechnet werden.“ Darüber hinaus gebe es die neuen Regeln seit kurzem auch in anderen Berichten (etwa im sogenannten Securicty of Supply - oder SoS - Bericht zum 100-Prozent-Ökostrom-Ziel Österreichs): „Ausgehend von der Änderung im SoS Bericht, haben wir den Monitoringbericht angepasst“. Weniger wohlmeinende Kritiker vermuten, dass das Hoch- und dann Runterrechnen auch etwas mit der zwischenzeitlich politisch geänderten Regierungskonstellation zu tun habe. Und mit der anstehenden Ausschreibung der Chefposten bei der E-Control.
Auch wenn nicht alles, was gleichzeitig passiert, immer auch zusammenhängen muss - brisant sind die Zahlenspiele allemal, denn erst vor wenigen Tagen sorgten andere Berechnungen der Behörde für Aufregung. Sie hat bei der alljährlich obligat behördlich durchgeführten Kalkulation der Strom- und Gasnetztarife den Netzbetreibern in Summe eine großzügige Eigenkapitalrendite von fast zehn Prozent zugestanden. Dabei hat die E-Control die Bandbreite eines externen Privatgutachtens dazu bis an oder über die oberste Grenze ausgereizt, inklusive sogenannter „Marktrisikoprämie“ von fünf Prozent, gibt man zu. Das ist, obwohl Monopolbereich, ebenfalls gesetzlich gedeckt, aber es erhöht natürlich die Kosten für die Strom- und Gaskunden, die die Netztarife ja bezahlen müssen. trend berichtete online.
Beide Vorfälle könnten nun die Diskussion zum Entwurf des neuen Elektrizitätswirtschaftsgesetzes (ElWG) weiter anfachen. Dort ist nämlich eine noch weitergehende Ausweitung der Befugnisse der E-Control vorgesehen.
