
Windpark Mönchhof, Teil des von Wien Energie übernommenen Portfolios von ImWind
©Wien Energie, RockenbauerBis zu einer Milliarde Euro lassen sich die Wiener Stadtwerke, Eigentümer von Wien Energie, die Übernahme des mittelgroßen Projektentwicklers ImWind kosten. Ein lukrativer Exit für die Betreiber – und der Beginn einer Marktbereinigung im Erneuerbaren-Sektor.
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Langsam werden die Dimensionen des vor wenigen Tagen in Grundzügen bekanntgegebenen Deals ersichtlich. Der städtische Energieversorger dürfte für die Transaktion zwischen 800 Millionen und einer Milliarde Euro in die Hand nehmen, heißt es mittlerweile in seinem Umfeld. Er verschafft den Betreibern nicht nur einen der lukrativsten Exits eines Windkraftbetreibers. Er sei nicht weniger als „einer der größten Kraftwerkdeals in Österreichs Energiebranche“, ordnet etwa Florian Maringer, Chef des Lobbyingverbands IG Windkraft den Kauf ein.
Von der Stadt Wien kommen vage Bestätigungen ihrer neuen Offensiv-Strategie im Energiebereich, auch wenn man sich zu den exakten Zahlen noch in Schweigen hüllt. So stellt Peter Weinelt, Generaldirektor der Wien Energie-Mutter Wiener Stadtwerke die Rechnungen zu seinen Alternativen an: „Was heißt schon hoher Kaufpreis? Das ist relativ. Würden wir weiter in unsere drei Gasraftwerksblöcke investieren, die spätestens 2040 erneuert werden müssen, kommen wir auf jeweils eine Milliarde, aber wir wären immer noch im Gas, mit all den Risiken, von der Versorgungslage bis zum CO2-Preis.“ Immerhin, die Wettbewerbsbehörden haben den Deal bereits abgenickt.


Peter Weinelt, Wiener Stadtwerke und Aufsichtsratchef von Wien Energie: „Was heißt schon hoher Kaufpreis? Das ist relativ."
Tatsächlich macht das wirtschaftliche Umfeld die Zahlen nach Einschätzung mehrerer Marktkenner durchaus plausibel. Die noch zu rund drei Viertel von fossiler Energie abhängige Wien Energie ist schwer unter politischem Druck, ihren Kraftwerkspark umzustellen. Immerhin will Österreich seinen Strombedarf zumindest rechnerisch im Jahresdurchschnitt schon 2030 zu 100 Prozent ausschließlich grün abdecken. Und die aktuell betriebenen Erzeugungskapazitäten von 570 MW in Wien bedeuten gerade einmal 26,5 Prozent Ökoanteil. Für den Fossilausstieg griff man daher schon früher tief in die Tasche. Erst im Februar hat Wie Energie einige Mitbewerber mit Kampfangeboten aus dem Feld geschlagen, als ImWind ein erstes Gustostückerl aus seinem Projektportfolio auf den Markt warf.
ImWind: Lukrativer Exit
Die Eigentümer des nur mittelgroßen Unternehmens auf Platz sechs im Größenranking in Österreich – Johannes Trauttmansdorff, Thomas Huemer, Gabriel Schweiger Georg Eder und Georg Waldner – dürften für ihren Exit jedenfalls einen idealen Zeitpunkt erwischt haben. Seit den Anfängen im Jahr 1994 ist ihr Kraftwerkspark auf 230 MW angewachsen, 140 Windkraft- und Photovoltaikanlagen im In- und Ausland produzieren dabei 1,2 Terawattstunden Ökostrom. Das ergibt nach durchschnittlichen Marktpreisen gerade einmal 100 bis 120 Millionen Euro Umsatz, genauere Zahlen gibt die stark fremdfinanzierte Gruppe nicht bekannt. Sie ist ein dutzende Einzelgesellschaften zersplittert, und muss für den endgültigen Verkauf erst konsolidieren werden.
Das wirkliche Asset für Wien Energie ist eine Projektpipeline von rund einer Milliarde Euro Investitionsvolumen. Mal sind es Vorhaben, die erst auf eine Grundstückgenehmigung warten, dann solche mit einer Zusage eines Netzanschlusses oder schon einem Abnahmevertrag mit einem Großkunden, manchmal gar ein schlüsselfertiger Windpark samt Fördervertrag und stolzen Ertragsaussichten dank gutem Windstandort.


Die ImWind-Eigentümer (im Bild: Johannes Trauttmansdorff, Thomas Huemer, Gabriel Schweiger, Georg Eder) haben einen der lukrativsten Exits der Energiebranche hingelegt
Paradigmenwechsel für Erneuerbare-Branche
Umgekehrt könnte der Deal für die Branche einen Paradigmenwechsel bedeuten. Bis auf drei in dem Segment aktiven Landesenergieversorger (Wien Energie, EVN, Burgenland Energie) besteht sie vorwiegend aus klein strukturierten Familienunternehmen oder Zusammenschlüssen eher ideologisch motivierter Ökostromliebhaber. Die überwiegend fremdfinanzierten Projekte für die voluminösen politischen Ausbauvorgaben der Energiewende wachsen ihr langsam über den Kopf, zumal auch das regulatorische Umfeld die Windkraft nicht eben beschleunigt, weiß auch Wiener Stadtwerke-Boss Weinelt: „Ab einer gewissen Größe, wie wir sie als Wiener Stadtwerke haben, bewirkt unsere Bonität die besseren Konditionen bei der Finanzierung ist.“
Es wäre also kein Wunder, wenn der Deal Nachahmer finden würde, auch andere Windkraftbetreiber suchen neue Finanzquellen oder Partner. So unternimmt etwa der zweitgrößte private Betreiber WEB in Österreich bereits einen zweiten Anlauf, über die Börse frisches Kapital zu bekommen. Auch die Ökostrom AG deutet Börsephantasien an. Lukas Püspök wiederum, Chef der gleichnamigen Gruppe aus dem Burgenland bestätigt Kooperationsgespräche mit der Ökoenergie-Gruppe in Niederösterreich. Vorläufig gehe es nur um gemeinsame Projekte in Rumänien, sagt Püspök: „doch natürlich machen auch wir uns Gedanken um die Zukunft“.
Und auch die Wiener Stadtwerke verneinen weitere Aquisitionsbereitschaft keineswegs. Weinelt: „Da halte ich es mit James Bond: Sag niemals nie. Aber vorläufig müssen wir erst einmal diese bewältigen. Die Umsetzung ist ein herausfordernder Vorgang, aber es wäre fatal gewesen, wenn wir diese Möglichkeit nicht genutzt hätten.“ Das letzte Mal, das die Wiener übrigens ähnlich viel Geld für ein fremdes Energieunternehmen ausgegeben hatten, war im Jahr 2021. Damals allerdings ging es um rund 28 Prozent der börsenotierten EVN, einer der größten Energieversorger Österreichs.
