
Die große trend.LAW-Deregulierungsinitiative mistet Österreichs Gesetzesbestand aus. 14 Anwält:innen geben der Regierung eine Steilvorlage.
Ein gutes halbes Jahr hat Staatssekretär Sepp Schellhorn gebraucht, um eine Liste mit 160 Ideen zu Deregulierung und Entbürokratisierung vorzulegen. Die trend.LAW-Community, bestehend aus 14 Anwältinnen und Anwälten, kam in nur wenigen Tagen auf jedenfalls zwölf Ideen, wie man den heimischen Gesetzesdschungel vereinfachen könnte. Aber eigentlich ist das noch stark untertrieben, denn manche Kanzleien meldeten gleich so viele Vorschläge, dass sie aus Platzmangel gar nicht alle abgedruckt werden konnten. In nahezu allen Rechtsbereichen orten die Experten Reform-, bzw. Vereinfachungsbedarf. Besonders oft wurde das Gebührenrecht in seinen unterschiedlichen Ausprägungen als veraltet und wirtschaftsschädlich angeprangert. Auch das gute alte Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB), das zu weiten Teilen noch aus dem Jahr 1812 stammt, bekam gleich zwei Mal sein Fett ab.
Ein besonders origineller Vorschlag zur Einsparung kam von Georg Eisenberger, Experte für Öffentliches Recht: Er kritisiert die schlechte Lesbarkeit des Umweltverträglichkeitsgesetzes, denn: „Im gesamten Gesetz wird der Lesefluss dadurch gestört, dass der extrem häufig vorkommende Begriff „Projektwerber“ mit „der Projektwerber/die Projektwerberin“ besonders langatmig gegendert wird. Diese Doppelbezeichnung wird z. B. im besonders schwierig zu lesenden § 3 insgesamt zehn Mal verwendet“, führt er aus. Bewilligungsanträge, so Eisenberger, würden aber so gut wie nie von Privatpersonen, sondern von Unternehmen gestellt. Sein Vorschlag: Es sollte künftig nur mehr „die Projektwerberin“ heißen, schließlich wären die wichtigsten Gesellschaftsformen – AG und GmbH – weiblich.
Mietvertragsgebühr
Die Mietvertragsgebühr ist ein überkommenes Finanzierungsinstrument. Für Mietverträge über Wohnräume wurde sie bereits abgeschafft. Der Gesetzgeber begründete den Entfall dieser Gebühr mit der Entlastung der Mieterinnen und Mieter angesichts steigender Wohnkosten. Auch stehe der Mietvertragsgebühr keinerlei Leistung gegenüber. Es spricht einiges dafür, die Gebühr zur Gänze zu streichen:
Auf dem Immobilienmarkt vereinfacht die Abschaffung den Vertragsabschluss, senkt Verwaltungskosten und beseitigt Verzerrungen bei Mietpreisbildung.
Die Gebührenbemessung ist komplex, u. a. spielen für die Berechnung das Entgelt, die Vertragslaufzeit und Kündigungsverzichte eine Rolle.
Die Gebühr führt häufig zu Gebührenvermeidungsstrategien, die Zeit, Aufwand und Rechtssicherheit kosten — ein volkswirtschaftlicher Schaden.
Schließlich ist die aktuelle Differenzierung zwischen Wohnraum und Gewerberaum nicht mehr sachgerecht: Wenn die Gebühr für Wohnraum als nicht sach-gerecht empfunden wird, spricht viel -dafür, sie grundsätzlich zu streichen — unabhängig davon, wer Mieter ist.
Eine solche generelle Abschaffung wäre ein klares Signal für ein modernes und effizientes Vertragswesen im Immobilienbereich.
Daniela Huemer, Partnerin bei Haslinger Nagele, Immobilien- und Stiftungsrecht
§ 1409 ABGB
Paragraf 1409 ABGB sieht vor, dass jeder, der ein Vermögen oder ein Unternehmen erwirbt, den Gläubigern für Altverbindlichkeiten haftet. Die Haftung ist zwar mit dem Wert des übernommenen Unternehmens/Vermögens begrenzt und gilt nur für jene Verbindlichkeiten, die der Erwerber kannte oder kennen musste. Sie kann aber vertraglich nicht ausgeschlossen werden.
Im Detail ist diese Bestimmung äußerst komplex und umstritten. Kommentierungen zu § 1409 ABGB füllen ganze Bibliotheken. Der Zweck der Haftungsbestimmungen bestand historisch darin, die Gläubiger, die im Vertrauen auf das Vermögen des Schuldners Kredit gewährt haben, vor dem Verlust ihres Haftungsfonds zu bewahren. Es soll somit verhindert werden, dass ein Schuldner den Gläubigern sein Vermögen entzieht.
Tatsächlich ist die Bestimmung aber als überschießend zu qualifizieren, weil sie Gläubigern im Ergebnis einen doppelten Haftungsfonds zur Verfügung stellt – neben dem Veräußerer soll nunmehr auch der Erwerber für Schulden haften. Die Norm beruht auf dem Vorbild des bereits im Jahr 1999 aufgehobenen § 419 BGB. In Deutschland hat sich die Aufhebung bewährt.
Mit Außerkrafttreten der §§ 1409 und 1409a ABGB könnte ein Schritt in Richtung Vereinfachung des Rechts durch Beseitigung einer Haftungsfalle gesetzt werden.
Ingo Kapsch, Partner bei HLMK, Anlegerrecht
Unterscheidung Arbeiter:innen und Angestellte
Wer im Arbeitsrecht nach Doppelgleisigkeiten sucht, wird bei der Unterscheidung zwischen Arbeiter:innen und Angestellten schnell fündig. Die Einstufung entscheidet, welche Normen Anwendung finden und welche Ansprüche im Einzelfall zustehen. Während es für Arbeiter:innen keine gesetzliche Definition gibt, beschreibt § 1 Angestelltengesetz Angestellte als Personen, die im Geschäftsbetrieb eines Kaufmanns vorwiegend kaufmännische oder höhere, nicht kaufmännische Dienste leisten oder mit Kanzleiarbeiten betraut sind. Eine Definition, so veraltet wie die Unterscheidung selbst. Zwar ist die Differenzierung zwischen Blue und White Collar Workers in vielen Industrienationen bekannt, das Festhalten daran in Österreich aber besonders ausgeprägt.
Aus heutiger Sicht entspricht die Unterscheidung kaum noch der Realität des Arbeitsmarkts. Zuletzt gab es daher zahlreiche Angleichungsbestrebungen, etwa bei den Kündigungsfristen im Jahr 2021. Zu einer vollständigen Gleichstellung konnte man sich bislang jedoch nicht durchringen. Aktuelle Deregulierungsbestrebungen bieten die Chance, frischen Wind in die Debatte zu bringen.
Hannah Lutz, RAA bei Körber-Risak, Arbeitsrecht
Ausnahmeregelung § 2 Abs 2 InvKG
Ausnahmeregelung § 2 Abs 2 InvKG
Nach § 2 Abs 2 InvKG ist eine Genehmigung durch das Bundesministerium für Wirtschaft, Energie und Tourismus nicht erforderlich, wenn das österreichische Zielunternehmen ein Kleinstunternehmen (inklusive Start-up-Unternehmen) mit weniger als zehn Beschäftigten und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanzsumme von unter zwei Millionen Euro ist.
Diese extrem niedrige De-minimis-Schwelle und der sehr breite Anwendungsbereich führen dazu, dass die Ausnahmeregelung in den seltensten Fällen anwendbar ist. FDI-(Foreign-Direct-Investment-)Prüfungsverfahren, die auch ohne vertiefte Prüfung mindestens drei Monate dauern, sind etwa bei Start-ups besonders kontraproduktiv; diese sind ab Finanzierungsrunde 2 bzw. 3 in der Regel auf US- oder UK-Kapital fokussiert. Damit wird Österreich als Standort für Start-ups unattraktiv. Darüber hinaus fehlt ganz generell ein praktikables Vorprüfungsverfahren, das irrelevante Fälle in maximal einem Monat freigibt.
Vorschlag: Die Ausnahmeregelung sollte wesentlich großzügiger gestaltet werden. In Anlehnung etwa an die Regelungen in Polen könnte überlegt werden, Investoren aus OECD-Ländern, also den wichtigsten Wirtschafts- und Investitionsstandorten, von der Genehmigungspflicht generell auszunehmen.
Dies würde den Verwaltungsaufwand für Prüfverfahren deutlich reduzieren. Gleichzeitig würde Österreich als Wirtschaftsstandort attraktiver gemacht.
Christian Herbst und Sascha Schulz, Partner bei Schönherr, Corporate, M&A
Lesen Sie die weiteren acht Vorschläge von Rechtsanwält:innen in der neuen trend.LAW-Ausgabe.
