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Geld am Sparbuch: Wertverlust so hoch wie seit 50 Jahren nicht mehr

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Geld am Sparbuch: Wertverlust so hoch wie seit 50 Jahren nicht mehr
k.A©Elke Mayr
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Seit 2011 verlieren Sparbuchsparer durch sinkende Zinsen Geld am Konto. 2022 wird zum Annus horribilis, denn für Sparer zeichnet sich trotz steigender Zinsen das schlimmste Jahr seit 50 Jahren ab.

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2010: Das letzte Jahr mit realem Zinszuwachs am Sparbuch

Bis 2010 war die Welt für Sparbuchsparer noch halbwegs in Ordnung. Betrachtet man die Entwicklung von der Jahrtausendwende bis dahin, dann gab es in dieser Zeit abzüglich der Inflation für Sparer rein rechnerisch zumindest noch eine bescheidene Vermehrung ihrer Sparbuch-Einlagen.

Das letzte wirklich gute Jahr für Sparer vor der Zinswende im Juli 2022 war das Jahr 2009. Damals lagen die realen Zinsen - also die Zinsen abzüglich der Inflation bei 2,8 Prozent. Seither verlieren Sparbucheinlagen aber konstant an Wert.

Chronologie der Geldentwertung

Schuld an dieser Entwicklung ist ein gefährlicher Cocktail aus Mikrozinsen, gleichzeitig steigender Inflation und Kapitalertragsteuern (KESt) von 25% auf die ohnehin bescheidenen Zinserträge. Für Österreicher ist das tendenziell besonders schmerzlich, bunkern die Österreicher doch Milliarden auf ihren Sparbüchern.

Schon 2011 verlor das Ersparte am Konto nach Abzug aller Taxen erstmals seit mehr als 20 Jahren ein Prozent an Wert. Von 2017 bis 2020 ging es im selben Tempo abwärts. Niedrige Sparzinsen und geringe Inflation schmälerten das Ersparte im Schnitt pro Jahr um rund ein Prozent. Ausnahmen waren lediglich die Jahre 2015 und 2016.

Wie hoch war der Wertverlust am Sparbuch in Österreich gesamt?

Das hatte gravierende Folgen. Die kumulierten realen negativen Zinserträge - also die Verluste - am Sparbuch, liegen den Berechnungen von tagesgeldvergleich.net zufolge bei 60,15 Milliarden Euro.

Zinsertrag real in Milliarden Euro auf Spareinlagen in Österreich

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Zinsertrag real in Milliarden Euro auf Spareinlagen in Österreich

Grüner Chart: täglich fälliges Geld, Chart in Pink: Einlagen mit Laufzeit bis 2 Jahre, graue Linie: Einlagen länger als zwei Jahre, Linie in Altrosa: Zinsertrag gesamt, jeweils in Euro.

© tagesgeldvergleich.net

Seit dem Jahr 2020 höchste Wertverlust am Sparerbuch

Seit Ende 2020 nimmt der Wertverlust am Sparbuch dramatische Ausmaße an. Lag der reale Wertverlust auf Österreichs Spareinlagen etwa bei Einlagen mit zwei Jahren Laufzeit (hier ist der Verlust am kurzen Ende am größten) bei 200.000 Millionen Euro, beträgt der Wertverlust für gebundene Sparbücher laut tagesgeldvergleich.net insgesamt 2,3 Milliarden Euro pro Jahr (siehe Grafik).

Der Zinsverlust pro Kopf liegt 2022 voraussichtlich bei minus 2.337 Euro, im August betrug der gesamte Zinsverlust in Österreich bereits 2,3 Milliarden Euro.

Inflation bringt 2022 Wertverlust von über sechs Prozent

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Inflation bringt 2022 Wertverlust von über sechs Prozent

Je höher die Inflationsrate, umso geringer der reale Zinssatz am Sparbuch. Im August 2022 ergab sich durch die hohe Inflation am Sparbuch ein Wertverlust von 9,3 Prozent.

© Agenda Austria

Der reale Zinsverlust, also der Zins am Sparbuch abzüglich der Inflationsrate, ist damit so hoch wie seit fast 50 Jahren nicht mehr (siehe auch Grafik unten). Im März 2022 lag der Realzins in Prozent beispielsweise bei minus 6,7 Prozent, im August bereits bei minus 9,34 Prozent.

Reale Verzinsung am Sparbuch seit 2004

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Seit 2017 wird am Sparbuch Geld vernichtet. Das Tempo Richtung Süden erhöht sich.

© Agenda Austria

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Das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo schätzt, dass die realen Zinsen im Jahr 2022 bei minus 2,8 Prozent zu liegen kommen werden. Das Ersparte wird damit am Ende des Jahres um fast drei Prozent weniger wert sein.

Es dürfte aber nach dem letzten starken Anstieg der Inflation wohl noch schlimmer kommen, Chancen auf eine merkliche Trendwende sind jedenfalls trotz der bisher erfolgten Zinsschritte nicht in Sicht. Wenngleich das Wifo seine Inflationsprognose für 2023 auch von 4,0 Prozent auf 3,1 Prozent gesenkt hat. ausgeht.

Börse als Ausweg aus den Negativzinsen

„Die Österreicher sparen viel“, so Agenda Austria-Ökonom Hanno Lorenz, "aber nicht am richtigen Fleck." Denn sie investieren ihr Geld nicht an der Börse. Gerade in Zeiten wie diesen eine Entscheidung, die das Ersparte in wenigen Jahren in jedem Fall um vieles weniger wert macht, die falsche Option, auch wenn sie als die sichere erscheint, weil der Wertverlust nicht wie an der Börse so klar ersichtlich ist. An der Börse sind dagegen gerade auf lange Sicht betrachtet, die Chancen auf Gewinne hoch (siehe Grafik).

US-Aktienindex S&P: Plus 23.700 % in 5 Jahrzehnten

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Der breite US-Aktienindex S&P legte trotz zahlreicher Krisen, Rezessionen und Kriegen seit 1970 um 23.700 Prozent zu.

© onvista.de

"Die Kapitalmarktkultur in Österreich ist unterentwickelt, das muss sich ändern“, so Lorenz. Sonst bleibt am Ende am Sparbuch nicht viel übrig. „Auch Kleinsparer können vom Kapitalmarkt profitieren und am langfristigen Wachstum der Weltwirtschaft teilhaben“, resümiert Lorenz. Um an der Börse zu investieren, ist auch eine entsprechende Finanzbildung ratsam. Doch Finanzbildung ist ein fortwährender Prozess.

Fondssparpläne als eine Alternative zum Sparbuch

Wer raus aus der Zinsfalle Sparbuch möchte und erste Schritte an der Börse wagen möchte, tut das am einfachsten und mit überschaubarem Risiko in Form von Fondssparen. Fonds oder ETF bündeln mehrere bündeln und streuen dadurch das Risiko von Kursschwankungen. (siehe auch den Artikel "Geld anlegen: vorsorgen mit Aktien, ETFs und anderen Wertpapieren".

Mit einem Fondssparplan können Anleger nicht nur von einer möglichen Wertsteigerung an der Börse, sondern auch vom Zinseszinseffekt profitieren. Ein weiterer Vorteil: Bei niedrigen oder fallenden Kursen können mehr Fondsanteile für dasselbe Geld gekauft werden, so werden Kursentwicklungen automatisch über die Zeit geglättet und die Ausschläge auch nach unten abgefedert.

Anleger sind je nach Anbieter schon ab kleinen Sparsummen von ca. 50 Euro im Monat dabei. Die Beträge werden monatlich automatisch vom Konto eingezogen. Die so gekauften Fondsanteile fließen in den oder die Fonds, die der Anleger zuvor ausgesucht hat und ist jederzeit kündbar.

Eine Spezialform der Aktienfonds sind die sogenannten ETFs (Exchange-Trading-Fonds), oft auch Indexfonds genannt. Dabei handelt es sich nicht um aktiv gemanagte Fonds, sondern um für jedermann investierbare Produkte, die exakt einen Wertpapierindex wie den österreichischen ATX, den deutschen DAX oder auch einen Weltaktienfonds nachbilden und exakt dessen Entwicklung folgen.

Ein großer Vorteil dieser passiv gemanagten Fonds: Über den Daumen gepeilt fallen bei ETF-Investments nur rund ein Zehntel der Kosten an, die bei einem herkömmlichen Fonds-Investment anfallen würden. In etwa 0,2 Prozent statt 2 Prozent. Ein Prozentsatz, den, man als Anleger nicht unterschätzen sollte, denn 2 Prozent Kosten bedeuten, dass über einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren rund die Hälfte des Vermögenszuwachses den laufenden Kosten zum Opfer fällt.

So finden Sie einen konservativen Weltaktienfonds

Jenen, die bisher noch kein Investment an der Börse getätigt haben und die Kosten sparen wollen empfiehlt sich daher als Einstieg und Basisinvestment ein Weltaktienfonds-ETF. Am besten einer, der in der Vergangenheit in schwierigen Börsenphasen weniger als der Durchschnitt verloren hat oder vielleicht sogar leichte Zugewinne erzielen konnte. Spezielle Branchen- oder Länderfonds bergen dagegen ein erhöhtes Risiko.

Auf der Homepage der Fondsratingagentur Morningstar lassen sich relativ einfach Fonds vergleichen. In wirtschaftlich schwierigen Zeiten sind Aktienfonds, die auf Dividendenaktien (mit jährlicher Ausschüttung) setzen besonders empfehlenswert Ebenso sogenannte Value Fonds, bei denen der Fokus auf Unternehmen aus dem Konsumgüter- oder Pharma-Bereich liegt, deren Umsatzentwicklung weniger krisenanfällig ist. Auch in diesen Bereichen gibt es günstige ETFs.

Wer zudem auf Nachhaltigkeit setzt - einerseits aufgrund persönlicher Überzeugung und wegen des guten Gewissens, andererseits auch wegen der steigenden Bedeutung der Nachhaltigkeit in der Wirtschaft - der sollte auf nachhaltige Fonds, die den ESG-Kriterien entsprechen, setzen.

Das Akronym ESG steht in der Finanzwelt für „Environmental, Social, Governance“.

  • Environmental. Umweltaspekte können zum Beispiel den CO2-Fußabdruck eines Unternehmens, den Energieverbrauch und das Abfall-Management umfassen. Sie können aber auch die Einhaltung von Umweltvorschriften durch das Unternehmen berücksichtigen.

  • Social. Die soziale Komponente konzentriert sich auf Fragen, die mit der Unternehmenskultur und der Beziehung des Unternehmens zu seinen Mitarbeitern, Lieferanten und Kunden zusammenhängen. Die Liste der Kriterien kann unter anderem Diversität, Arbeitsplatzstandards und Datenschutz umfassen.

  • Governance. Aktionärsrechte, Vergütung von Führungskräften und Mitarbeitern, aber auch Bestechung und Korruption sind nur einige der Punkte, die unter dem Punkt „Governance“ bewertet werden. Im Rahmen ihrer ESG-Reportings müssen Unternehmen auch belegen, dass sie die Standards von Agenturen wie dem Sustainability Accounting Standards Board, der Global Reporting Initiative und der Task Force on Climate-related Financial Disclosures erfüllen. Auch Rating-Agenturen und Aktionären müssen Daten zur Verfügung gestellt werden.

Für ihr ESG-Rating werden Unternehmen genau analysiert. Nur wenn sie nicht gegen klar definierte Ausschlusskriterien verstoßen erhalten sie ein gutes ESG-Rating und bleiben damit für ESG-Fonds investierbar. Anleger haben daher die Gewissheit, dass sie ihr Geld nicht in Unternehmen fließt, die im Geschäfte mit Kohle, Waffen oder Rüstung, Kernenergie, Gentechnik, Tabak, Pornografie oder Glücksspiel machen. Weitere wichtige Ausschlusskriterien sind Menschenrechtsverletzungen, Arbeitsrechtsverletzungen, Kinderarbeit, Korruption oder Bestechung.

Spezielle ESG-Fonds, die sich an SDGs der Vereinten Nationen orientieren und die ESG-Kriterien einhalten, bieten Anlegern die Möglichkeit, mit gutem Gewissen in Aktien zu investieren. Und das mit nachhaltigem Erfolg: ESG-Fonds haben etwa auch die massiven Kursstürze in der Corona-Krise vergleichsweise besser überstanden. Dafür gibt es zwar keine Garantie, doch etliche Indizien sprechen dafür, dass nachhaltige Investments auch krisenfester, resilienter und besonders auch zukunftsorientierter sind.

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