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"Die deutsche Wirtschaft steht nach wie vor auf wackeligen Beinen", sagte die Konjunkturchefin vom Berliner DIW, Geraldine Dany-Knedlich. "In den beiden kommenden Jahren erholt sie sich zwar spürbar. Angesichts anhaltender struktureller Schwächen wird diese Dynamik allerdings nicht von Dauer sein."
Appell an deutsche Regierung
Die Wissenschafter forderten die Koalition von Union und SPD in ihrem Gutachten mit dem Titel "Expansive Finanzpolitik kaschiert Wachstumsschwäche" auf, mehr zu tun, um den Wirtschaftsstandort und die Unternehmen wettbewerbsfähiger zu machen. Sie legten einen Zwölf-Punkte-Plan zu Strukturreformen vor, womit Deutschland fitter für die Zukunft sei.
Dank der Mehrausgaben des Staates für die Infrastruktur komme die Binnenwirtschaft zwar spürbar in Fahrt, "allerdings werden die strukturellen Probleme nur kaschiert", betonten die Institute. "Die Perspektiven verschlechtern sich, was sich auch in voraussichtlich sinkenden Wachstumsraten des Produktionspotenzials widerspiegelt." Hohe Energie- und Lohnstückkosten im internationalen Vergleich, Fachkräftemangel sowie eine weiter abnehmende Wettbewerbsfähigkeit bremsten die langfristigen Wachstumsaussichten weiter.
Erholung konzentriert sich auf Binnenwirtschaft
Während die Dienstleistungsbereiche, insbesondere im öffentlichen Sektor, in den kommenden zwei Jahren kräftig zulegen dürften, werde die Erholung im Produzierenden Gewerbe wohl nur verhalten ausfallen, hieß es. Vor allem die Auslandsnachfrage nach deutschen Waren schwächele – wegen schwindender Wettbewerbsfähigkeit und höherer Zölle. "Daher fallen kräftige Zuwächse bei den Exporten dieses Mal als Treiber aus - gestützt durch die expansive Finanzpolitik konzentriert sich die Erholung auf die Binnenwirtschaft."
Im April hatten die Regierungsberater für dieses Jahr 0,1 Prozent Wachstum vorausgesagt und plus 1,3 Prozent für 2026. Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose (GD) wird federführend erarbeitet vom Berliner DIW, Kieler IfW, Münchner Ifo sowie dem Essener RWI und dem IWH aus Halle.
Vorerst keine weiteren Zinsschritte erwartet
Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte aus Sicht der Institute ihre Zinsen vorerst konstant halten. Nachdem die EZB ihre Zinsen in acht Schritten von Juni 2024 bis Juni 2025 gesenkt hat, dürfte sie nach den jüngsten Pausen weiter stillhalten. Der Einlagesatz, über den die EZB ihre Geldpolitik steuert, liegt bei 2,0 Prozent: "An den Finanzmärkten haben sich die Erwartungen eingependelt und deuten derzeit keine weiteren Lockerungen mehr an. Dieser Einschätzung schließen sich die Institute an", heißt es in der Gemeinschaftsdiagnose.
Risiken für die Finanzierungsbedingungen gehen aus ihrer Sicht derzeit vom unsicheren internationalen Umfeld aus. "Zuletzt wertete der Euro recht stark gegenüber dem US-Dollar und etwas schwächer gegenüber anderen Währungen auf", heißt es in der GD. Dies belaste den Export. Die Forscher schreiben weiter: "Unerwartete Änderungen in der US-Politik, wie etwa ein deutliches Absinken der Leitzinsen oder Veränderungen bei den langfristigen Zinsen, hätten über den internationalen Zinsverbund freilich Auswirkungen auf die hiesigen Finanzierungsbedingungen."
BERLIN - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa-Zentralbild/Jens Kalaene