Trend Logo

Chinas Autobranche erstickt an Überkapazität

Subressort
Aktualisiert
Lesezeit
5 min
Neuwagen made in China gibt es zum Schnäppchenpreis
 © APA/APA/dpa/Julian Stratenschulte
©APA/APA/dpa/Julian Stratenschulte
  1. home
  2. Aktuell
  3. Nachrichtenfeed
Das ganze Elend der chinesischen Autobranche zeigt sich bei einem Händler am Rand der Stadt Chengdu. Hier gibt es Neuwagen made in China zum Schnäppchenpreis. Ein neuer Audi wird zum halben Preis verkauft, ein siebensitziger SUV des chinesischen Herstellers FAW sogar mit einem Nachlass von mehr als 60 Prozent.

von

Auf dem Parkplatz fährt Wang Lihong mit einem E-Scooter an den Fahrzeugen vorbei und filmt sie für die Social-Media-Kanäle von Zcar. Das Unternehmen ist einer von vielen Händlern in China, die ungewollte Autos en gros aufkaufen und zum Dumpingpreis an die Kunden weitergeben. "Es gibt kein Auto, das nicht verkauft werden kann, es gibt nur einen Preis, der nicht passt", sagte Wang bei einem seiner Livestreams im Juli.

Zcar bekommt seine Autos von Autohändlern, die die Fahrzeuge lieber für wenig Geld als Tageszulassung in den Graumarkt geben als sie gar nicht zu verkaufen. Gerade größere Vertragshändler bekommen von den Herstellern oft mehr Fahrzeuge auf den Hof gestellt als sie selbst verkaufen können, damit die Produktionsziele erreicht werden, erzählt Chen Keyun, Autohändler im Ruhestand aus der Provinz Jiangsu. Er sieht die Wurzel der Probleme darin, dass das Wirtschaftsmodell in China ganz auf die Produktion ausgerichtet ist. Autobauer würden sich nach Produktionszielen richten, nicht nach der Nachfrage.

Dahinter steht ein jahrzehntealter Plan aus Peking. Führende Politiker haben bereits in den 1990er-Jahren Elektroautos als Chance für die chinesischen Hersteller gesehen, den Weltmarkt zu erobern. 2009 wurde ein erstes milliardenschweres Programm aufgelegt, mit dem der Bau und Verkauf von Elektroautos gefördert wurde. 2017 verfasste die Regierung das entscheidende Dokument, das die Revolution ins Rollen brachte: Der "Mittel- und langfristige Entwicklungsplan für die Autoindustrie" zeichnete auf, wie bis 2025 die jährliche Fahrzeugproduktion auf 35 Millionen Stück gesteigert werden sollte. 2024 liefen in China nach Daten des Branchenverbandes CAAM 31 Millionen Autos vom Band - von Herstellern wie SAIC, BYD, Geely und einer Reihe von Newcomern wie Xpeng oder Leapmotor. Nach Angaben der Beratungsfirma Gasgoo Automotive Research Institute sind die Kapazitäten aber weitaus höher, Verbrennerfabriken eingeschlossen.

China kämpfte 2017 mit einem überhitzten Immobiliensektor. Für Provinzverwaltungen kam daher die Vorgabe aus Peking gerade recht, das Geld von Immobilien in Autowerke umzuleiten. Viele Kommunen gingen gezielt auf Elektroautobauer zu. Sie lockten mit billigem Land im Gegenzug für Steuereinnahmen und Arbeitsplätze. Für die Autobauer war es wichtig, die Produktionsvorgaben einzuhalten. Die Profitabilität rückte für viele in den Hintergrund. Unternehmen, die im Westen längst pleite wären, wurden zum Teil von den lokalen Behörden am Leben gehalten, um die Arbeitsplätze nicht zu verlieren.

Jahrelang ging das gut. 2021 etwa lockte die Gemeinde Changfeng in der Provinz Anhui den Autohersteller BYD mit billigem Baugrund an. Amtlichen Unterlagen zufolge lag der Preis für BYD 40 Prozent unter dem Marktpreis. Im Gegenzug erhielt der Landkreis, der bisher für sein traditionelles Fladenbrot bekannt war, ein modernes Elektroautowerk. 2023 lief die Produktion an. Die Wirtschaft in Changfeng wuchs in der Folge 9,1 Prozentpunkte schneller als die Gesamtwirtschaft. 2024 war das Wachstum um 5,6 Prozentpunkte höher. Die staatliche Zeitung "Renmin Ribao" lobte Changfeng im März für sein Wirtschaftswachstum und erwähnte dabei explizit BYD.

Doch inzwischen ist der Markt von Überkapazitäten geprägt. Seit drei Jahren tobt ein Preiskrieg. Im Mai steuerte die Regierung in Peking um und warnte, dass die Situation nicht haltbar sei. Im Sommer wies Präsident Xi Jinping Provinzregierungen zurecht und stellte in Frage, dass jede Provinz am Rennen um eine Handvoll Technologien wie Elektroautos oder Künstliche Intelligenz teilnehmen müsse.

Die marktwirtschaftliche Antwort auf den Preiskrieg ist es nach Einschätzung von Analysten, die schwächeren Autobauer scheitern zu lassen. Doch chinesische Politiker fürchten Massenarbeitslosigkeit und einen Rückgang des Konsums und scheuen Experten zufolge deshalb diesen Weg. Damit bleibe die Branche in einem Teufelskreis gefangen, sagt Yuhan Zhang, Volkswirt bei der Forschungseinrichtung The Conference Board's China Center. Um zu überleben, müssten die Autobauer ihre Fahrzeuge zur Not auch mit Verlusten verkaufen, weil das Bares in die Kassen spüle, sagt Liang Linhe, Verwaltungsratschef beim Lkw-Bauer Sany Heavy Truck. "Es ist wie beim Fahrradfahren: Solange man strampelt, ist man zwar vielleicht außer Atem, aber fällt nicht um."

WOLFSBURG - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa/Julian Stratenschulte

Über die Autoren

Logo
Bleiben Sie im trend.