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Verena Scheitz & Leandra Procelli über Pointen und Paragrafen

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16 min
Leandra Procelli (l.) und Verena Scheitz
 © trend/Lukas Ilgner

Leandra Procelli (l.) und Verena Scheitz

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Was haben Paragrafen mit Pointe, Bühne mit Bildschirm und Gerechtigkeit mit Gefühl zu tun? Die Kabarettistin und Schauspielerin Verena Scheitz und die Influencerin Leandra Procelli wissen es – schließlich haben sie Jus studiert. 

Sankt Marx ist das Media Quarter der Stadt, ein Ort, an dem Fernsehen, Podcasts und andere Produktionen entstehen. Hier steht mit dem Globe-Theater aber auch einer der größten Veranstaltungsorte für Kabarett und Konzerte. Dort probt Verena Scheitz gerade für „Single Bells“, die Theater-fassung des TV-Weihnachtsklassikers. Ihr Tag ist eng getaktet, wie jener von Leandra Procelli, einer der erfolgreichsten heimischen Content-Creatorinnen. 

In einem typischen Medienlokal, atmosphärisch irgendwo zwischen Kantine und American Sports Bar, treffen die beiden Frauen aufeinander und verstehen sich sofort. Vielleicht, weil sie beide in Salzburg Jus studiert haben. Vielleicht, weil sie ihr Publikum mit Witz und Beobachtungsgabe erreichen – die eine live, die andere digital. Im Gespräch erzählen sie von Höhen und Tiefen des Studiums und davon, wie Recht und Rampenlicht sich manchmal überraschend gut ergänzen.  

trend: Sie sind beide in der Unterhaltungsbranche zu Hause. Sie, Frau Scheitz, als Kabarettistin, Schauspielerin und Moderatorin – und Sie, Frau Procelli, als Content-Creatorin. Sie haben aber auch beide Jus studiert. Was war zuerst da, die Pointe oder der Paragraf? 

Verena Scheitz: Bei mir war es definitiv die Pointe. 

Leandra Procelli: Ich war zwar immer der Klassenclown, also retrospektiv betrachtet ergibt das, was ich jetzt beruflich mache, Sinn. Aber ich hätte mich zum Beispiel nie getraut, bewusst den Weg auf die Bühne zu suchen. 

Welchen Plan hatten Sie? 

Procelli: In erster Linie wollte ich ein Studium machen, das breit gefächert ist, weil ich nicht ganz wusste, wo meine berufliche Reise hingeht. Ich habe Rechtswissenschaften jedenfalls nicht studiert, um später einmal in eine Großkanzlei zu gehen oder Anwältin oder Richterin zu werden. Für mich war jedoch klar: Solange es keinen Plan B gibt, wird Plan A durchgezogen – mit allen Ups and Downs. 

Wie war das bei Ihnen, Frau Scheitz? Sie studierten ja Jus parallel zu Ihrer Bühnenausbildung …

Scheitz: Ich musste gerade lachen. Weil ich hatte eigentlich nur Downs währende meines Studiums. 

Was war der Tiefpunkt? 

Scheitz: Das Bürgerliche Recht. Da bin ich insgesamt vier Mal zur Prüfung angetreten. Ich hab auch die Uni gewechselt und in Salzburg fertig studiert. Einerseits, weil ich damals Engagements in Regensburg und in Klagenfurt hatte und die Uni perfekt auf halber Strecke gelegen ist. Andererseits hieß es, dass die Prüfungen in Salzburg einfacher wären. Eine glatte Lüge. Aber trotz allem habe ich es geliebt, dort zu studieren. Die Uni ist kleiner und überschaubarer als in Wien und alles war super organisiert. 

Procelli: Ich habe auch in Salzburg studiert. Mein großes Verhängnis war übrigens das Strafrecht. Und die ersten Semester waren schon relativ tough. Weil doch sehr viele deutsche Numerus-clausus-Flüchtlinge nach Salzburg kommen und so anfangs viele Studierende auf wenige Studienplätze kommen. Dieses Vorurteil, dass man in Salzburg das Jus-Studium nachgeschmissen bekommt, gibt es übrigens noch immer. 

Sie haben es beide jedenfalls durchgezogen. Wie waren dann eigentlich die Reaktionen auf Ihr Studienende? 

Scheitz: Ich glaub, gerade einmal meine Großmutter hat gesagt: „Gott sei Dank ist das jetzt beendet.“ Meinen Kolleginnen und Kollegen war das allen wurscht. Groß gefeiert wurde das Studienende dann mit Gulasch und Bier, dem „Einser-Menü“ während meines Studiums!

Procelli: Bei mir löst es nach wie vor immer wieder Erstaunen aus, wenn die Menschen erfahren, dass ich Juristin bin. Für viele ist es gesellschaftlich gesehen ein extremer Abstieg, wenn man dann als Content-Creator auf Social Media landet. Outet man sich als Influencerin, wird zunächst einmal mit den Augen gerollt. Das Studium gibt mir aber schon eine gewisse Legitimation. Die Leute denken sich: „Die ist nicht nur so ein Pupperl, die kann nicht ganz hohl im Kopf sein.“

Wie profitieren Sie beide heute sonst noch davon? 

Scheitz: Ich muss schon sagen, dass man vom Jus-Studium wirklich gescheiter wird. Und wenn du nur bei einer Verkehrskontrolle dem Polizisten mit Sätzen wie „Ich fühle mich in meinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten beeinträchtigt“ kommst. 

Procelli: Natürlich nutzt das Studium immens, wenn es um Verträge geht. Vor allem weil Agenturen – ich muss es so sagen – schon immer ziemlich hinterlistig sind. Man sollte sich daher seiner Rechte stets bewusst sein und sie auch kennen. 

Zu den Personen

Machen Sie Ihre Verträge selber? 

Procelli: Jetzt nicht mehr. Aber ich bin schon diejenige, die bei wichtigen Verträgen den letzten Senf dazugibt und noch Dinge reinschreiben lässt. Ich dachte ja auch, dass ich als Juristin gut darin bin, Preise zu verhandeln. Es stellte sich aber heraus, dass ich anfangs immer viel zu günstig war und dass diese Branche wesentlich lukrativer ist, als man denkt. Mittlerweile habe ich ein Management dafür. 

Scheitz: Vertragsverhandlungen und Geldverhandlungen sind wirklich zwei verschiedene paar Schuhe. Bei Vertragsverhandlungen geht es darum, die Tricks und Finten zu finden, die sich im Vertrag verstecken. Bei Geldverhandlungen geht es vorwiegend darum, sich selbstbewusst gut zu verkaufen. Dafür braucht es unterschiedliche Talente. Aber was ich interessant finde, dass soziale Medien eigentlich ein rechtsfreier Raum sind. 

Procelli: Findest du? 

Scheitz: Ich glaube schon, dass man viel machen kann, wo man sagt …

Procelli: Ja, aber dürfen tut man es nicht. Aber ja, es gibt viele Graubereiche und es wird wenig geahndet. Allerdings muss man ab einer gewissen Größe wirklich aufpassen. Vor allem wenn es um Nutzungsrechte geht. Und auch in steuerlicher Hinsicht tut sich jedes Jahr ziemlich viel. Viele Influencer haben ja einfach keine Steuern bezahlt. 

Scheitz: Ist man also draufgekommen, dass es was zu holen gibt … 

Haben Sie eigentlich auch als Juristinnen gearbeitet? 

Procelli: Ja, ich war in der Rechtsabteilung bei einem Modeunternehmen tätig. Dann habe ich mir tatsächlich überlegt, ob ich Richterin werden soll. Es kam dann aber anders … 

Scheitz: Ich habe das Gerichtsjahr gemacht und parallel dazu bereits Kabarett gespielt. Das war eine schräge, harte Zeit. Bis 17 Uhr war ich immer am Straflandesgericht, abends stand ich dann auf der Bühne. Tagsüber harte Einvernahmen und am Abend dann lustig sein. Da musste ich letztendlich eine Entscheidung treffen. Und das war für mich ganz klar die Bühne. 

Wobei ein Gerichtssaal ja irgendwie doch auch eine Bühne ist … 

Scheitz: Für viele ja, weil wem die Richterin oder der Richter am Ende Glauben schenkt, hängt viel von den Argumenten und dem Auftreten vor -Gericht ab.  

Sind im Gerichtssaal auch gute Pointen versteckt? 

Scheitz: Ehrlich gesagt ist mir das Lachen dort eher vergangen. Allerdings erinnere ich mich an einen aberwitzigen Prozess. Eine verheiratete Frau hatte ein Pantscherl und der Ex-Liebhaber wurde zum Stalker. Vor Gericht trafen die Frau, ihr Ehemann und der Stalker aufeinander, und zwischen den Männern entbrannte ein Eifersuchtskrieg, in dem die intimsten Dinge ausgebreitet wurden. Eigentlich gar nicht lustig. 

Ein bisschen schon … 

Scheitz: Es war so skurril, dass zwei erwachsene Männer auf so einem Niveau miteinander streiten und diskutieren. Erschreckend. Fürchterlich. Die Richterin hat mich mit folgenden Worten rausgeschickt: „Bitte verlassen Sie den Saal, Sie können nicht die ganze Zeit lachen!“ 

Das klingt nach gutem Content für Social Media. Könnten Sie sich vorstellen, Reels und Storys zu posten? 

Scheitz: Nein. Ich lese lieber Zeitungen und Magazine. Die Schnelligkeit von Instagram ermüdet und überfordert mich. Es ist mir unmöglich, Interessantes und Relevantes aus diesem endlosen Strom von Beiträgen rauszufiltern. Ich bin absolut oldschool. Mit Social Media kannst du mich jagen. 

Wäre für Sie ein Medienwechsel denkbar, Frau Procelli? Sie wären nicht die erste Influencerin, die plötzlich auf der Bühne steht … 

Procelli: Es gibt tatsächlich Angebote, auch von Fernsehsendern. Aber ich muss sagen, dass ich mir das aktuell überhaupt nicht vorstellen kann. 

Warum? 

Procelli: Weil ich gar nicht so extrovertiert bin. Wenn ich mir vorstelle, dass ich auf einer Bühne stehe, bekomme ich Herzrasen. Ich glaube aber, dass das auch sehr viel Spaß macht und in gewisser Weise auch abhängig macht. 

Scheitz: Du musst das wollen oder einmal Blut lecken. Aber ich bin mir sicher, du wärst eine Sympathieträgerin auf der Bühne. 

Procelli: Danke schön. Aber irgendwie ist der Impuls noch nicht da gewesen, und wenn man etwas Neues macht, muss man das auch wollen. 

Wo ist es Ihrer Meinung nach schwieriger, Publikum zu erreichen und zu halten: über Social Media oder von einer Bühne aus? 

Procelli: Beides schwierig. 

Scheitz: Die Bühne ist jedenfalls fürs Publikum viel mehr Aufwand. Ein Besuch im Theater oder im Kabarett muss geplant werden, es wird Geld und Zeit investiert. Auf Social Media hat das Publikum keine große Arbeit, um an die Inhalte zu kommen. Man geht rein und schaut. 

Procelli: Und wischt schnell wieder weiter, wenn es nicht gefällt. Man muss in den ersten Sekunden überzeugen. Es muss gleich was los sein. 

Scheitz: Darum glaube ich, dass du die größere Erfordernis hast, mit Inhalten zu überzeugen und Publikum zu halten. 

Wann weiß man als Content-Creator, dass man es geschafft hat? Wie viele Follower braucht es? 

Procelli: Follower-Zahlen sind eigentlich gar nicht so wichtig. Ich habe im Vergleich zu den Views meiner Videos gar nicht so viele Follower. Aber wenn der monatliche Umsatz steigt und es abgeschlossene Verträge gibt, die eine längerfristige Planung zulassen, sind das gute Indizien. 

Wie ist das am Theater und beim Fernsehen? 

Scheitz: Ich bin in meinen Beruf richtig reingewachsen. Beim Kabarett und später als Moderatorin im ORF genauso. Ich durfte anfangs einmal in der Woche am Vorabend moderieren. Das wurde kontinuierlich immer mehr. Da hat man nicht das Gefühl: „So, jetzt habe ich es geschafft.“ Eigentlich undenkbar heute. 

Inwiefern? 

Scheitz: Die Jungen werden in Unternehmen heute generell sofort ins eiskalte Wasser geworfen und müssen auf der Stelle funktionieren. Dabei erledigen sie Aufgaben, die bislang altgediente Mitarbeiter gemacht haben. Und dafür gibt es ein Minimum an Geld. 

Weckt das den Gerechtigkeitssinn der Jus-Absolventin in Ihnen? 

Scheitz: Ja. Aber man kann leider nicht viel dagegen tun. Und man lernt bereits ganz am Anfang vom Studium, dass das eigene Gerechtigkeitsempfinden mit dem gesatzten Recht und dessen Auslegung, Interpretation und Anwendung wirklich nur sehr wenig zu tun hat. 

Haben Sie auch diesen Eindruck? 

Procelli: Ich sehe das auch. Selbst in großen Agenturen mit wirklich hohen Budgets und Etats läuft es ähnlich ab. 

Zum Abschluss noch eine leichte Frage: Sie spielen ja beide gerne mit Klischees. Welches Klischee übers Kabarett oder über die Generation X stimmt?

Procelli: Das Sofort-mit-den-Augen-Rollen, wenn es um Social Media geht.

Und umgekehrt, welches Klischee über Influencerinnen und Gen Z stimmt?

Scheitz: Natürlich, dass sie Tag und Nacht am Handy hängen, sich ständig selbst fotografieren und nur noch im Netz, in einer anderen, eigenen Welt sind und den Bezug zur Realität verloren haben.

Procelli. Das ist jetzt nicht super weit hergeholt. Ich bin oft auf Events, und da werden diese Klischees wirklich gut bedient. Viele dieser Vorurteile bewahrheiten sich, man tut uns aber auch oft Unrecht. 

Das Interview ist im trend.LAW von November 2025 erschienen.

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