
André Hellers kunstvolle botanische Inszenierung „Anima“ in Marrakesch verspricht „die Rückkehr des Paradieses“.
©picturedesk.com/Wolfgang PaternoIm Oktober soll an der Oberen Alten Donau André Hellers erstes Kunstparkprojekt in Wien eröffnet werden. Der Multimediakünstler im trend-Interview über die heilende Kraft von Gärten, Lernprozesse und das Älterwerden.
Noch ist nicht wirklich viel zu sehen. Noch strömen die Badegäste an der weitläufigen Baustelle entlang der Oberen Alten Donau zwischen Mühlschüttelgasse und Drygalskiweg im Wiener Bezirk Floridsdorf einfach vorbei – unbeeindruckt davon, was hinter dem Baugitter vor sich geht. Noch lässt sich nur erahnen, dass hier auf 28.000 Quadratmetern bis Oktober ein Kunsterlebnispark entstehen soll. Die Uferstraße wurde dazu bereits entfernt, rund 150 Jungbäume zum Baumbestand dazu gepflanzt, Wege werden gerade neu gepflastert und die ersten von den mehr als zehn Skulpturen internationaler Künstler:innen sind angeliefert und platziert, bleiben aber noch verhüllt. Und das soll auch bis zur Eröffnung so bleiben, wie André Heller im Interview mit dem trend betont, „um die Möglichkeit des Staunens nicht vorwegzunehmen“.
Der 78-jährige Multimediakünstler ist das Mastermind hinter der „Natur- und Kunstoase“. Im September 2024 wurde das Parkprojekt an der Alten Donau im Rahmen eines Pressegesprächs vorgestellt, als Partnerschaft zwischen der Stadt Wien, einem privaten Unternehmen und dem Künstler André Heller. Die Kosten für die Stadt wurden mit 20 Millionen Euro beziffert. Das Honorar für Heller ist dabei nicht inkludiert. Finanziert werden sein Engagement wie auch die Kunstwerke von der UniCredit Bank Austria – demgemäß soll die Anlage auch den Namen „Bank Austria Park“ tragen. Es ist die erste botanische Inszenierung des „Magiers des Schönen“, wie Bürgermeister Michael Ludwig Heller würdigte, in seiner Heimatstadt.
Bank Austria Park an der Alten Donau


© Stadt Wien
„Während andere Bundesländer Seezugänge privatisieren, werden die Ufer entlang der Wiener Gewässer laufend geöffnet und aufgewertet“, promotet Bürgermeister Michael Ludwig das neue Parkprojekt am Mühlschüttel. Mit Unterstützung der Bank Austria entsteht an der Oberen Alten Donau bis Oktober auf 28.000 Quadratmetern ein frei zugänglicher Kunsterlebnispark, kuratiert von André Heller. Zu Skulpturen, Klang-, Windspielen und designten Sitzobjekten gibt es auch einen Spielplatz und eine 400 Quadratmeter große Kletterwelt.
Der Universalkünstler, der sich in seinen Arbeiten theatergeschichtlicher Wurzeln vom Zirkus über Varieté bis zu Feuerwerk und Wunderkammern bedient, um Mainstream anders zu denken, hat getreu seinem Motto, „sich lernend zu verwandeln“, spektakuläre genreübergreifende Projekte wie den „Circus Roncalli“, das Varieté „Flic Flac“, die chinesische Artistenshow „Begnadeter Körper“ oder „Afrika! Afrika!“ verwirklicht, Bücher geschrieben, Filme wie Oper und für Swarovski zum 100-jährigen Firmenjubiläum 1995 die Kristallwelten inszeniert, die seither über 17 Millionen Menschen gesehen haben. 2019 hat Heller nach 35-jähriger musikalischer Pause mit „Spätes Leuchten“ auch ein neues Album herausgebracht und zuletzt heuer im März die Wienerlieder-Show „Remassuri“ im Theater in der Walfischgasse. Da sei er auch, wie er im Interview anmerkt, oft bei den Vorstellungen und erzähle als Überraschung ein paar merkwürdige Gegebenheiten aus seinem „doch schon sehr langen Leben“.
Vorausgesetzt, er ist in Wien und nicht in Marokko, wo Heller zwischenzeitlich die Hälfte des Jahres lebt und sich um seinen Garten „Anima“ kümmert. Denn Garten und Parkprojekte sind ein zunehmend wichtiger werdender Bestandteil in Hellers Arbeit. Derzeit beschäftigt er sich nicht nur mit der Finalisierung an der Alten Donau, sondern arbeitet auch an einem großen Gartenprojekt in Brixen in Südtirol, das 2027 eröffnet werden soll.
Nachdem Heller bereits mit seinem Botanischen Garten im italienischen Gardone Riviera einschlägige Erfahrung gesammelt hatte, hat er sich 2006 im Ourika-Tal, 30 Kilometer von Marrakesch entfernt, am Fuße des Atlasgebirges, in Marokko angesiedelt, einem Land, das er seit 1972 zur Inspiration immer wieder bereist hat. Auf dem erworbenen Landstück entstand, neben seinem privaten Wohnareal, in über acht Jahren Arbeit und privat finanziert sein opulentes Gartenparadies „Anima“, das 2016 eröffnet wurde und aktuell erweitert wird. Denn seine Gärten sind das, was hundertprozentig von ihm bleiben wird, ist sich Heller sicher: „Die werden immer schöner, immer heilender. Irgendwann wird keiner mehr wissen, dass ich sie geschaffen habe. Aber sie werden bleiben.“
Dass der Bank Austria Park an der Alten Donau vom Volksmund wohl bald in „Heller-Park“ umbenannt werden wird, darüber ist man sich indes bei der Bank Austria sicher.
Labyrinthe, Teepagoden, Wasserkünste, Schwanenteich … heißt es in Ihrem „Lied vom idealen Park“. Womit wollen Sie bei Ihrem neuen Parkprojekt an der Alten Donau Besucher:innen staunen machen?
Gärten und Parks sind eine Energie des Friedens, der Sinnlichkeit, der Schönheit, der Heilung und von vielem Positiven mehr. Wo immer derlei entsteht, ist es ein Glück für die an der Herstellung Beteiligten und für die späteren Besucher. Im konkreten Fall wird man erst bei der Eröffnung im Oktober Details sehen, bis dahin sind alle Skulpturen verhüllt, um die Möglichkeiten des Staunens nicht vorwegzunehmen.
Die Parkprojekte sind ein wesentlicher Teil in Ihrer Arbeit, mit denen Sie immer auch eine persönliche Geschichte verbindet. Die Strecke an der Alten Donau war einst mein Schulweg, was verbindet Sie mit diesem Areal?
Die Alte Donau war der Schwimmplatz unserer fabelhaften Köchin Gretl. Ich empfand dort das meiste als staunen machenden Gegenentwurf zum Stil in Hietzing, wo wir wohnten. Um ein skurriles Beispiel zu nennen: Das Buffet im Arbeiterstrandbad hatte noch, im Unterschied zum Schönbrunner Bad, ein Angebot von Pferdeleberkäs und erfrischendem Privoznik-Kracherl. Die Mühlschüttel-Gegend war und ist ein großartiges Stück Wien mit berührendem Zauber für Jung und Alt.
Für den Park an der Alten Donau haben sich Politik, Wirtschaft und Kunst verbunden. Sie werden von der Bank Austria bezahlt, kommen, wie Sie betont haben, „nicht mit Steuergeldern in Berührung“. Lassen sich solche Projekte nur mehr derart finanziell umsetzen?
Meine ja.
Ein Joint Venture zwischen den Ambitionen tatenfreudiger politischer Verantwortlicher und privatem Mäzenatentum ist ein Modell, das in Zukunft im kulturellen Bereich immer häufiger das Außergewöhnliche ermöglichen muss. Es wird wohl viel weniger an Steuergeld für Projekte abseits des Mainstreams geben – von der Filmförderung angefangen bis zu wichtigen Veranstaltungen der freien Szene. Für Österreich ist das zweifelsfrei eine Schande.
Park- wie Gartenanlagen sind, wie Sie bereits gesagt haben, ideale Orte für Besinnung und Heilung, Plätze zum Auszittern und Erstarken, die mit den Jahren immer schöner werden, also ein kluges Investment in die Zukunft. Warum gibt es dennoch immer wieder Proteste im Vorfeld der Umsetzung? Wie etwa bei Ihrem Projekt in Brixen. Eine Bürgerinitiative kämpft dort seit Jahren gegen Ihre Neugestaltung des Hofburggartens. Wie ist der aktuelle Stand?
In Brixen verwirklichen wir bereits seit einem Jahr sehr engagiert. Der Hofburggarten findet also unwiderruflich statt. Die Kinder und Enkel der jetzigen wenigen Protestierer werden dann für die im Epizentrum der Stadt gelegene Oase der Kühle mit deren höchstem botanischem Anspruch sowie den bedeutenden Werken hervorragender nationaler und internationaler bildender Künstler garantiert äußerst dankbar sein. Warum man in Zeiten des akuten Klimawandels und seiner zahllosen aggressiven Folgen für den ganzen Planeten ausgerechnet die Verhinderung eines wunderbaren Parks zu seiner Priorität bestimmt, war und ist mir und meinen Tausenden verbündeten Brixner Bürgern ein absolutes Rätsel.
Sie beschreiben Ihr Leben gerne als den Versuch, sich „lernend zu verwandeln“. Wo steht André Heller denn derzeit?
Ich stehe staunend am Rande meiner Lebenszeit, mit der festen Absicht, noch viel an Freundlichkeit, Dankbarkeit, Ermutigung und Inspiration in die Welt zu bringen. Ich kann auch durchaus, ohne zu erröten, behaupten, dass ich mein Leben und die Möglichkeiten, die mir meine Talente bieten, nicht geschwänzt habe.
Würden Sie diesbezüglich auch den medialen Super-GAU rund um den gebastelten Basquiat-Rahmen, der wohl auch Wasser auf die Mühlen traditioneller Feinde war, als wichtige Erfahrung bezeichnen?
Alle Ermittlungen wurden eingestellt. Mehr ist dazu von meiner Seite nicht zu sagen. Jede Erfahrung ist aber durchaus ein Geschenk und trägt dazu bei, klüger zu sterben, als man geboren wurde.
Sie waren in Österreich jahrzehntelang in der Sozialdemokratie engagiert. Wo ist die mahnende Stimme von André Heller zur gesellschaftspolitischen Situation geblieben? Was ist heute Ihre Vorstellung von sinnvollem politischem Engagement?
Seit vielen Jahren gehört meine zentrale Aufmerksamkeit dem wahrhaft glühenden Eisen der maßlosen globalen Erwärmung, der Flüchtlings- und Bildungsproblematik und den kaum fassbaren Nöten in meiner zweiten Heimat Afrika. Auch die weltweiten Entgleisungen der Vernunft und mörderischen Anmaßungen von Unglücksprotagonisten wie Trump, Putin, aber auch Orbán oder Erdogan lassen mich natürlich keinesfalls gleichgültig. Und die Ausdünnung der Demokratien braucht Gegenwehr, wo immer es dafür eine Chance gibt.
Die Welt als Spielball von Verrückten, die Erstarkung rechter Parteien, Stopp für bereits erkämpfte Klimaschutzprogramme … Wie geht es Ihnen da im Anblick der eigenen drei Enkelkinder?
Ihre geliebte Existenz lässt mir keine Chance, im verantwortungsvollen Handeln müde zu werden.
Wie läuft Ihre neue Wienerliedshow „Remassuri“? Sind Sie oft selbst vor Ort? Und was wird beim angekündigten „work in progress“ noch nachgeschärft?
Das kleine Stadttheater in der Walfischgasse ist ein von der Besitzerin Anita Ammersfeld liebevoll erschaffener idealer Spielplatz. Dafür muss man wirklich dankbar sein. Ich besuche die gefeierten Vorstellungen jede Woche und justiere nach. Manchmal erzähle ich, als Überraschung, ein paar merkwürdige Gegebenheiten aus meinem doch schon sehr langen Leben.
Nach Shows, Feuerwerk und Gartenskulpturen, Platten, Büchern und Filmprojekten, was reizt Sie da überhaupt noch als kreative Herausforderung?
Eine der möglichen Antworten lautet: Mit großer Ernsthaftigkeit und mithilfe der mir vergönnten Lernprozesse versuche ich, die denkbar gelungenste Form des mir anvertrauten André Heller wahr werden zu lassen.
In unseren früheren Interviews haben Sie das Netz noch als „Tummelplatz für Narren erster Güte“ bezeichnet. Die Welt verändert sich rasant. Wie hält es der Multimediakünstler aktuell mit sozialen Netzwerken und KI?
Ich nütze nach wie vor weder Facebook noch Instagram, schaue kein TikTok, verwende kaum Streamingdienste und erhoffe, dass statt künstlicher Intelligenz auch noch echte zur Anwendung kommt. Anstelle all dieser Angebote schenke ich mein Interesse enthusiastisch und altbewährt dem Lesen von Romanen, Biografien, Reiseberichten und Gedichten.
Sie kämpfen seit Jahren für Qualität in der Unterhaltungsindustrie, Mainstream anders zu denken. Was muss ein gutes Unterhaltungsprogramm für Sie können?
Eine stärkende Energie vermitteln und keine schwächende.
Sie selbst stehen schon lange außerhalb der Rituale des Kunstbetriebs. Wie lautet der weitere Lebensentwurf?
Da gibt es einen Satz von Peter Altenberg, der ungefähr so lautet: „Sei der du bist, in Allem und in Jedem, und wenn du stürzest, so sei es dein eigener Abgrund, in den du fällst, und nicht in den anderer Leute.“
Worauf sind Sie noch neugierig?
Zum Beispiel auf das große Abenteuer des Verlassens meines Körpers.
Sie sind 78 Jahre. Sehen Sie auch das Älterwerden als spannende Herausforderung?
Altern bedeutet, im relativ harmlosen Bereich, dass man sich öfter verkutzt, sich öfter anpatzt und sich häufig an Namen nicht erinnern kann. Aber der Tod war und ist seit jeher mein wichtigster Mitarbeiter. Er weist mich jeden Tag auf die Kostbarkeit der verbliebenen Zeit hin und auf die Verpflichtung, diese nicht zu verschwenden.
Dieser Artikel ist erstmals im trend.PREMIUM vom 18. Juli 2025 erschienen.