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New Leadership: Lehren für Führungskräfte aus der Geschichte

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Leadership-Lehren©Ivelin Radkov / Getty Images / iStockphoto
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Was sich Führungskräfte von den großen Leadership-Strömungen der letzten 50 Jahre abschauen können und welche Konzepte die Diskussion um Führungsstile aktuell bestimmen. Johannes Steyrer, akademischer Leiter des MBA Health Care Management der WU Executive Academy, erklärt.

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Die Arbeitswelt verändert sich rapide. Beschleunigt durch die Corona-Pandemie haben sich virtuelle Zusammenarbeit, agile Arbeitsweisen und die Verflachung von Hierarchien durchgesetzt. Gepaart mit zunehmender Dezentralisierung von Unternehmen wird ein neues Führungsverhalten unumgänglich.

In den Führungsriegen der Unternehmen und deren HR-Abteilungen ist das oft erst vor kurzem angekommen. Die Wissenschaft beschäftigt sich jedoch seit Jahrzehnten mit dem Thema. Johannes Steyrer, akademischer Leiter des MBA Health Care Management an der WU Executive Academy und Leiter des Interdisziplinären Instituts für verhaltenswissenschaftlich orientiertes Management der WU Wien, analysiert die großen Leadership-Strömungen der vergangenen Jahrzehnte und zieht daraus Learnings für Führungskräfte von heute.

Mitarbeiter- und aufgabenorientierte Führung (1970er: )

In der lang anhaltenden Nachkriegsära prosperierte die Wirtschaft und wuchs bis zu acht Prozent pro Jahr. Es herrschte Arbeitskräftemangel. Unternehmen waren meist funktional strukturiert (z. B. Produktion, Vertrieb, Verwaltung). Die sogenannte Linie garantierte hierarchische Über- und Unterordnung bzw. klare Macht- und Entscheidungsstrukturen.

Die Führung war paternalistisch (wer fleißig und loyal war wurde belohnt bzw. behalten) und hierarchisch zugleich (Oben forderte - Unten lieferte, Oben fragte - Unten antwortete, Oben klagte an - Unten rechtfertigte sich).

Damals waren die klassische Aufgaben- und Mitarbeiterorientierung in der Praxis und auch in der Leadership-Forschung vorherrschend: Die Handlungsmaxime für Führungskräfte war: zuhören, freundlich sein, Aufgaben und Ziele vorgeben und die Zielerreichung überwachen: dieses klassische Konzept war an klaren Kommandostrukturen der Top-Down-Hierarchien orientiert.

Leadership-Learnings

Freundlich und nett zu sein, nach dem Motto „glückliche Kühe geben mehr Milch“, ist zu wenig. Heute hat die Führungskraft primär Coach und Entwickler der Mitarbeiterpotentiale zu sein. Nicht eine externe Instanz überwacht die vorgegebene Zielerreichung, sondern die Mitarbeiter werden konsultativ eingebunden, haben eine hohe Eigenverantwortung und sollen ihre Zielerreichung möglichst selbst steuern.

Transaktionale vs. Transformationale Führung (1990er)

In den 1990er Jahren gab es schließlich den großen Wandel als Reaktion auf Hyperturbulenzen durch die Trias Globalisierung, Digitalisierung und Deregulierung der Märkte. In den Unternehmen wurde als neue Steuerungsgröße die Kapitalrentabilität („Economic Value Added“) zum Maß aller Dinge: Wo wird Wert geschaffen, wo wird Wert vernichtet?

Unternehmen waren plötzlich kein gewachsenes Ganzes mehr, sondern Portfolios, dessen Teile - je nach Marktlage - gekauft oder verkauft wurden. Alles stand zur Disposition. Dieser Wandel in der Wirtschaft führte auch zu einem massiven Umdenken im Management: die Ära des Lean Management und der Effizienz war angebrochen. Ja, Effizienz wurde zum Maß aller Dinge. Gleichzeitig ging es darum, das entstandene Vakuum und die sinnentleerten Strukturen mit Visionen und Leadership aufzufüllen.

In dieser Ära wurde daher das Konzept der transformationalen im Gegensatz zur transaktionalen Führung entwickelt. Transaktionale Führung funktioniert im Sinne eines Tauschgeschäftes (Belohnung nach Zielerreichung), transformationale Führung begleitet hingegen die Geführten auf eine höhere Ebenen der Bedürfnisbefriedigung, sodass sie sich jenseits ihrer Eigeninteressen für ein größeres Ganzes einsetzten. Transformationale Führung soll Menschen mit einer Vision inspirieren, sie emotional mitreißen, sie begeistern und so transformieren, und zwar nach dem Credo: „Wer Leistung will, muss Sinn schenken.“

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In der Praxis findet dieser Ansatz derzeit zunehmend seinen Weg in die Unternehmen. Leadership bzw. transformationale Führung geht im Gegensatz zum Management immer vom Warum aus, kommt dann zum Was und in weiterer Folge zum Wie. Klassisches Management macht das in die entgegengesetzte Richtung. Was, wird wie, warum gemacht! Die sinnstiftende Wirkung von Leadership lässt sich wohl am besten mit einem Friedrich Nietzsche Zitat umschreiben: „Wer ein Warum hat, erträgt fast jedes wie.“ Das sind die "Lessons Learned".

Agile Leadership (2000er)

Seit den Nuller-Jahren entwickelte sich mit der weiteren Dynamisierung der Märkte und der Verkürzung von Produktlebenszyklen ein neues Konzept: das Agile-Leadership. Für den Leadership-Experten Johannes Steyrer allerdings viel alter Wein in neuen Schläuchen, wie z. B. Selbstorganisation, Empowerment, Vernetzung, aber all das gepaart mit Flexibilität und Agilität (= Beschleunigung).

Das Grundkonzept kommt nicht von ungefähr aus der raschen Software-Entwicklung und prägt heutzutage den Management-Slang. Steyrer weiter: „Zu den zwei zentralen Erfolgsgrößen Preis und Qualität kam nämlich als Dritte Zeit hinzu. Die Produktlebenszyklen werden immer kürzer, überall nimmt Komplexität zu und die Zeit für solides Entscheiden ab. Das sind paradoxe Anforderungen, die mit diesem Konzept gelöst werden sollen.“

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Steyrer ist skeptisch, was die Praxistauglichkeit des Konzeptes in seiner grundsätzlichen Ausrichtung betrifft und erklärt: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht alle in einen Zustand rasenden Stillstands kommen bzw. uns vom blinden Aktionismus und hektischer Betriebsamkeit leiten lassen. Jedenfalls verleitet das Konzept dazu. Wenn der Zeitbedarf für eine angemessene Problemlösung aufgrund zunehmender Komplexität steigt, dann kann man nicht permanent fordern, die Reaktionszeiten zu kürzen. Wir brauchen Ent- statt Beschleunigung als handlungsleitenden Imperativ"

Servant Leadership (2010er & 2020er)

Der Ansatz des „Servant Leadership“, findet seinen Ursprung in Robert K. Greenleafs Essay „The Servant as Leader“ aus dem Jahr 1970 findet. Es stellte die Pflicht der Führungskraft dar, den Menschen bzw. Mitarbeitern zu dienen. Für Greenleaf können Menschen wie Unternehmen als Servant Leaders anderen dienen.

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Leadership-Experte Johannes Steyrer: „Wer Leistung will, muss Sinn schenken.“

 © Christian Fischer

Diese Servant Leadership erlebt in der aktuellen, menschzentrierten New Work-Bewegung ein Revival. Eine Haltung der Demut, der „vornehmen Zurückhaltung“ und Bescheidenheit, die sich auch im neueren Ansatz des „Humble Leadership“ wiederfindet. Auch andere Konzepte wie „Führung auf Augenhöhe“ und „Peer Leadership“, das die Mitarbeiter dazu befähigt, selbst zu führen und zu entscheiden, schlagen in diese Kerbe.

Für Steyrer ist die radikale Ausrichtung am Menschen allerdings eine allzu einseitige Betrachtung von Führung: „Man proklamiert gern: Der Mensch ist im Mittelpunkt. Dabei ist es so: der Mensch ist für Unternehmen Mittel. Dann folgt ein Punkt.“ Dass Servant Leadership wieder en vogue ist, scheint der gegenteilige Pendelausschlag zum effizienzgetriebenen Management der 1990er zu sein. Steyrer: „Womöglich ist es dem schlechten Gewissen geschuldet, weil man in der Vergangenheit zu wenig auf die Menschen geachtet hat."

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"Macht macht mit der Zeit Menschen überheblich, abgehoben und dünkelhaft. Das hat auch neurobiologische Ursachen. Zudem zeigt die Forschung, dass begünstigt Narzissten an die Macht kommen. Im schlimmsten Fall gerieren sich Führungskräfte dann als „Master of the Universe“, taktisch kalkulierend, skrupellos, manisch und zynisch zugleich, und ohne Gewissensbisse in Bezug auf potentielle Grenzüberschreitungen. Zur Selbstregulierung halte ich daher den Aspekt der dienenden Bescheidenheit und Zurückhaltung für Führungskräfte sehr bedeutsam“, sagt Johannes Steyrer.

Leadership-Herausforderungen

Führungskräfte befinden sich seit jeher in einem Spannungsgefüge. Führung hat immer mit Dilemmata zu tun – es ist nie ein Entweder-Oder. Für Steyrer gibt es drei derartige Dilemmata, die zusammengefasst folgendes Spannungsgefüge ergeben:

  1. Folge einer inspirierenden Vision, und fördere die Prinzipientreue – sei aber gleichzeitig realistisch und verfolge kalkulierbare Ziele, deren Erreichung belohnt wird!

  2. Kümmere Dich um Deine Mitarbeitenden, fördere, und entwickle sie und nimm ihr Wohlergehen ernst – vergiss aber nicht, dass Organisationen dazu da sind, Ziele zu erreichen und Aufgaben effizient zu erledigen!

  3. Setze auf persönliche, vertrauensvolle Beziehungen – schaffe aber gleichzeitig Systeme und Routinen, die Interaktionen überflüssig machen und Kontrolle anonymisieren!

Der auch in den vergangenen Jahren immer wieder proklamierte Anspruch an Führungskräfte, situative Führung anzuwenden, also indem sie auf den Bedarf der jeweiligen Situation oder des Gegenübers eingehen, sei zu hoch gegriffen. Steyrer plädiert für eine realistischere Betrachtung, was Führungskräfte leisten können: „Diese sind zwar idealerweise reife Menschen, aber auch deren Flexibilität und Veränderbarkeit ist enden wollend.“ Wichtiger als allen Ansprüchen zu genügen sei, den richtigen Kontext, das richtige Umfeld für den persönlichen Führungsstil zu finden: „Der richtige „Fit“ macht den Unterschied. Essentiell ist, die eigenen Stärken und Schwächen als Führungskraft zu erkennen und das passende Umfeld dafür zu finden“, so Steyrer.

Auf Führungskräfte sieht Johannes Steyrer zwei große Herausforderungen zukommen:

  1. Remote bzw. Hybrid Work, also das ortsunabhängige Arbeiten, und damit auch Remote bzw. Hybrides Leadership als neue Normalität für Führungskräfte: Studien zeigen zwar, dass die Produktivität und Zufriedenheit der Mitarbeiter im Home-Office besser als erwartet ist – jedoch geht die Zufriedenheit der Führungskräfte im Gegensatz zu den Mitarbeitern eher zurück. Ein Grund dafür: es fehlt die soziale Bindung zu den Mitarbeitern bzw. die soziale Kontrolle.

  2. Der akute Fachkräftemangel, der sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird. Allein in Deutschland werden bis 2035 zwischen fünf und sechs Millionen Fachkräfte fehlen. In Österreich rund eine halbe Million. Darum wird sich Führung und auch die Politik unbedingt kümmern müssen.

WU Executive Academy

Die WU Wien, eine der weltweit führenden Business-Hochschulen, bündelt in der WU Executive Academy ihr Programmportfolio im Bereich „Executive Education“. Zu diesen zählen MBA, Master of Laws und Professional Master Programme, das Universitätsstudium Diplom BetriebswirtIn, Universitätslehrgänge, kompakte Weiterbildungsprogramme und Custom Programs. KI ist an der WU Executive Academy bereits in vielen Lehrangeboten ein wichtiger Teil der Digitalökonomie, der auch konkret angewandt wird. Mit durchschnittlich 750 Graduate Students und ca. 900 Führungskräften, Fachleuten und High-Potentials aus über 75 Ländern, die jährlich an den Programmen teilnehmen, gehört die WU Executive Academy zu den führenden Weiterbildungsanbietern in Zentral- und Osteuropa.

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