
Wilhelm Celeda, 61, ist seit 2019 CEO der Kathrein Privatbank, die im Eigentum der Raiffeisen Bank International steht.
©FOTO: LUKAS ILGNERNach 40 Jahren zieht sich Wilhelm Celeda, zuletzt CEO der Kathrein Bank, aus dem Bankgeschäft zurück. Im Abschiedsinterview spricht er über die Überregulierung seiner Branche und wieso er dennoch wieder Banker werden würde.
Sie waren 40 Jahre als Banker tätig. Wie hat sich das Bankgeschäft in der Zeit geändert?
Als ich 1986 bei der Centro Bank begann, war ich der Einzige in der Abteilung, der einen Computer mit Excel hatte. Alles war damals manuell, alle Trades wurden noch mehrfach per Hand in Bücher geschrieben. Zehn Trades pro Tag wurden als stressig empfunden. Heute macht man zehn Trades in zwei Sekunden. Es gab damals auch weniger gesetzliche Vorgaben, und die Kontrolle erfolgte fast nur intern oder durch den Wirtschaftsprüfer. Somit war auch ein höheres Maß an Selbstständigkeit für ein verantwortungsvolles Handeln gefragt, während heute die Verantwortung mehrheitlich darin besteht, alle regulatorischen Vorgaben bis ins Detail zu erfüllen.
Und das ist in Ihren Augen eine schlechte Entwicklung …
Übertriebene Regulierung ist fast immer negativ. Es war sicher richtig, dass man speziell nach der Finanzkrise 2008 versucht hat, die erforderliche Kapitalausstattung für Banken drastisch zu erhöhen und die Qualität des Risikomanagements deutlich zu verbessern. Aber um es pointiert zu sagen, ist es meines Erachtens dafür nicht erforderlich, dass alles in einer unglaublichen Komplexität bis zur fünften Kommastelle vorgegeben wird und man auch als erfahrener Banker ohne Hilfe von Raketenwissenschaftlern nicht in der Lage ist, die Vorgabe zu verstehen. Darüber hinaus muss fast jeder Handgriff in einer Bank dokumentiert werden, wer diesen wann und in welcher Form in welches System eingibt, wer diese Tätigkeit überprüft und wer wen bei Abwesenheit ersetzt. Deswegen sind Banken intensiv und streng überwacht und müssen ein Sammelsurium an Prüfungen über sich ergehen lassen. Der erste Weg für neue Produkte, Märkte und Strategien führt zumeist zur Aufsicht. Insgesamt hat man hat das Gefühl einer De-facto-Verstaatlichung der Bank oder Entmündigung, die zu reduziertem selbstständigem Handeln führt.
War die KIM-Verordnung auch ein Beispiel für Entmündigung?
Bis zu einem gewissen Grad, auch wenn Eigenkapital von 20 Prozent meist sinnvoll sein kann, aber die Grenze von 40 Prozent des Einkommens für die Kreditrate ist im Vergleich zu den hohen Mieten meines Erachtens zu strikt und zu gering.
Die Regierung und die EU haben sich ja Entbürokratisierung auf die Fahnen geheftet. Ist da etwas spürbar?
Aus meiner Wahrnehmung kann ich das nicht bestätigen, auch wenn vielleicht die Zahl der neuen Gesetze und Richtlinien etwas zurückgegangen ist, sind im Gegenzug keine vorhandenen weggefallen. Eine definierte Obergrenze wäre sicher hilfreich.
Wie hat sich das Bild des Bankers über die Jahre verändert? Sind sie immer noch die Buhmänner der Nation?
Ich glaube nicht, dass wir zu den beliebtesten Berufsgruppen gehören, auch wenn sich die Stimmung gegenüber Banken nach der Finanzkrise deutlich verbessert hat. Das liegt meines Erachtens an der sehr zentralen Rolle von Banken in der Wirtschaft und dem daraus entstehenden Gefühl einer Abhängigkeit. Das Ganze gepaart mit einer gewissen Unkenntnis vom Bankgeschäft. Einerseits glauben viele, die Banken waren dafür verantwortlich, dass es über viele Jahre keine Zinsen für Einlagen gegeben hat oder jetzt für Kredite so hohe Zinsen bezahlt werden müssen, und andererseits ist nicht bekannt, dass die Ablehnung für einen Kreditantrag meist aufgrund regulatorischer Vorgaben erfolgt. Dass sich die Stimmung gegenüber Banken in den letzten Jahren wieder verbessert hat, erkenne ich auch daran, dass es uns im Vergleich zu früher wieder gelingt, offene Stellen gut und rasch zu besetzen. Trotzdem hält sich das Mitleid für die erneute Bankenabgabe zur Budgetsanierung in der Bevölkerung in Grenzen.
Kann man in Ihrem Geschäft, der Beratung vermögender Kunden, in Österreich gut verdienen?
Grundsätzlich ja, vor allem weil die persönliche Beratung für die Veranlagung oder für das immer wichtiger werdende Thema der Nachfolgeregelung steigend ist, auch begünstigt durch die kontinuierliche Reduktion von Bankfilialen. Das wird auch dadurch belegt, dass seit meinem Beginn bei Kathrein im Jahr 2019 das verwaltete Vermögen um rund 75 Prozent gestiegen ist. Auch unterstützt vom Wegfall der Negativzinsen konnten wir damit vergangenes Jahr ein Rekordergebnis erzielen.
Es gibt auch etliche Fintechs, die mit KI Vermögensberatung anbieten. Wie wirkt sich das auf Ihr Geschäft aus?
Wir spüren das bislang überhaupt nicht. Wir bezeichnen unseren persönlichen Beratungsansatz pointiert sogar als Antithese zur Digitalisierung. Wir bieten unseren Kunden selbstverständlich ein bestmögliches digitales Service, aber der Wunsch nach dem persönlichen Beratungsgespräch bleibt unverändert bestehen.
Was ist das Hauptbedürfnis Ihrer Kunden: Sicherheit, Rendite, Diskretion?
Sicherheit spielt für unsere Kunden nach wie vor eine große Rolle. Fixed Income ist bei uns übergewichtet, auch wenn der Aktienanteil in den letzten Jahren vor allem während der Nullzinsphase zugenommen hat. Gegenwärtig ist das Verhältnis in der Kundenveranlagung zwischen Anleihen und Aktien circa 65 zu 35.
Hat der Bankenstandort Österreich irgendwelche Vorteile gegenüber unseren Nachbarländern, zum Beispiel für Stiftungen?
Auch wenn Privatstiftungen hierzulande steuerlich nicht mehr so attraktiv wie früher sind, ist das Interesse an österreichischen Stiftungen nach wie vor vorhanden, weil diese ein probates Mittel zur Nachfolgeplanung darstellen.
Die FATF hat kürzlich Österreich als Geldwäscheland angeprangert …
es wurde aber ausdrücklich festgehalten, dass der Finanzsektor von dieser Kritik ausgenommen ist, offensichtlich sind damit andere Sektoren gemeint, Banken sind hier sicher sehr rigoros und strikt in der Einhaltung aller Vorgaben.
Es gab bei Ihnen in der Bank einen Compliance-Fall, bei dem ein Mitarbeiter einen Schaden von 50 Millionen Euro verursacht hat. Was sind die Lehren daraus?
Dass mit ausreichend krimineller Energie leider immer etwas passieren kann. Wir haben damals selbst sofort Anzeige bei der Staatsanwaltschaft erstattet, und die durch diese Malversationen entstanden Abflüsse wurden allen Kunden ersetzt. Lediglich mit einem Kunden gibt es noch unterschiedliche Standpunkte zu einer Ersatzpflicht für Erträge einer hypothetischen Alternativveranlagung, welche hoffentlich bald vor Gericht geklärt werden können.
Macht es überhaupt noch Spaß, eine Bank zu führen?
Durchaus, auch wenn die Vorgaben immer strenger und mehr werden, bleibt es nach wie vor ein hoch komplexer, spannender und abwechslungsreicher Beruf. Ich würde den gleichen Berufsweg wieder einschlagen.
Warum wollen Sie sich dann mit 61 Jahren aus der Bank zurückziehen?
Trotz aller spannenden Herausforderungen sind 40 Jahre Bank für mich ausreichend, und ich möchte mich anderen Tätigkeiten zuwenden.
Wie werden Sie also Ihr weiteres Leben gestalten?
Da bin ich noch recht offen. Von strategischer Beratung im Finanzbereich bis hin zur intensiveren Beschäftigung mit Wein kann ich mir nach einer kurzen Auszeit vieles vorstellen.
Zur Person
Wilhelm Celeda, 61, ist seit 2019 CEO der Kathrein Privatbank, die im Eigentum der Raiffeisen Bank International steht. Unter seiner Führung wuchs das verwaltete Vermögen von 4,5 auf sieben Milliarden Euro an. Vor Kurzem wurde bekannt, dass er seinen Vertrag nicht verlängern wird. Neuer CEO ab Anfang 2026 ist Stefan Neubauer. Celeda ist insgesamt 40 Jahre als Banker tätig, die meiste Zeit davon in der Raiffeisen-Gruppe. Von 2015 bis 2019 leitete der Kapitalmarktexperte die Raiffeisen Centrobank.
Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 5. Serptember 2025 erschienen.