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Frauen-Schwund in deutschen Vorständen

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 © Paris Tsitsos

Sabine Aigner ist Executive Search-Spezialistin und Partnerin bei Stanton Chase Österreich.

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Executive-Search-Expertin Sabine Aigner spricht über Frauen, die gerade auffallend häufig aus Vorständen fliegen, Diversity-Initiativen, die in den Untergrund gehen – und Fallen, in die Frauen noch immer tappen.

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Audi trennt sich gerade von der einzigen Frau im Vorstand, die Cargo-Chefin der Deutschen Bahn muss gehen. Fällt der Abgang von ohnehin wenigen Frauen an der Spitze mehr auf oder stehen in der prekären Wirtschaftslage Frauen zuerst zur Disposition?

Sabine Aigner

Seit drei Jahren nehme ich wahr, dass in großen internationalen Konzernen Frauen aus Top-Positionen abgezogen und durch Männer ersetzt werden. Meine Interpretation mag etwas zynisch und sicher nicht immer richtig sein: „Frauen hatten ihre Chance, meist in schwer lösbaren Situationen, haben nicht rasch genug Wirkung gezeigt. Wir haben’s ja eh probiert“, lauten die Kommentare dann oft.

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Wie hoch ist der Einfluss des aus den USA kommenden Diversity-Backlashs, der auch in europäischen Unternehmen zum Rückbau von Diversity-Programmen führt?

Sabine Aigner

Mit Trump & Co. wurden solche Entscheidungen dann „legitimiert“ und haben rasant an Geschwindigkeit zugenommen, auch über die Gender Diversity hinaus! Alle diesbezüglichen Programme wurden bekanntlich sofort gestrichen und die KPIs entfernt.

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Es gibt aber auch Entscheider:innen, die im kleinen Kreis erzählen, dass sie weitermachen, es aber nicht mehr an die große Glocke hängen.

Sabine Aigner

Ich treffe zahlreiche Key Player, die mir sagen, natürlich machen wir damit weiter, es wurde nur aus der Kommunikation entfernt. Leider sind die, die aus Überzeugung weitermachen, dabei leise, aber zumindest immer noch konsequent – ein bisschen wie im Untergrund.

Zur Person

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Und jene, die es aus zeitgeistigen Überlegungen gemacht haben, hören jetzt gerne wieder damit auf?

Sabine Aigner

Diversity ist entweder natürlich integriert, also Teil der Firmen-DNA oder man hat dies auf bestehende traditionelle Systeme aufgesetzt, weshalb Diversity jederzeit leicht von der Agenda genommen werden kann. Interessanterweise ist Diversity in osteuropäischen Ländern „natürlicher“ verankert als in Mitteleuropa. Dort war die weibliche Arbeits- und Führungskraft gesellschaftlich seit jeher extrem wichtig, und deren Beitrag deshalb selbstverständlicher. Die Frage, was an Diversity eigentlich so wichtig sei, wurde mir wiederholt gestellt.

Natürlich wird das Thema auch in der uns nachfolgenden Generation anders verstanden. Meine Söhne können – gottseidank – nicht nachvollziehen, was Sie und mich da bewegt - und natürlich ist es in vereinzelten Unternehmen, die die strategische Entscheidung getroffen und umgesetzt haben und den Nutzen längst erkannt haben und nicht mehr zurückfallen werden, ein wesentlicher strategischer Vorteil und Erfolgsfaktor. Ich verweise da auch gern auf die OeNB Studie. „Aufgesetzt“ ist das Thema in zahlreichen Corporations – als Maßnahme getroffen und nur halbherzig weitergeführt, nie Teil der DNA geworden: Die wenden sich seit Jahren ab, und nicht erst seit Trump und Zuckerberg („Es braucht mehr männliche Energie“).

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Aus der Sicht der Executive Search, wie Sie sie betreiben: Wie stellt sich der Markt für Frauen mit Karriereambitionen gerade dar?

Sabine Aigner

Der Markt ist trotz der gesamtwirtschaftlich schwierigen Situation gut für Frauen, die qualifiziert sind und sich gezielt ein entsprechendes Umfeld suchen. Wichtig ist die gedankliche Logikkette: Zunächst muss das Profil passen, danach sollte man sich erst mit dem Gender-Fokus beschäftigen.

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Welche Muster sehen Sie bei der Personalsuche? Gibt es Kompetenzen, die gerade besonders gesucht werden? Wie werden die Themen Kind oder Gehalt bei Frauen gerade verhandelt?

Sabine Aigner

Für Beruf und Familie gibt es inzwischen erprobte Lösungsmodelle, Gehaltsunterschiede bestehen leider noch immer. Was ich auch sehe, ist, dass eine klassische Rollenzuteilung noch anzutreffen ist. In nach innen gerichteten Funktionen finden sich vergleichsweise mehr weibliche Führungskräfte, als in Top-Funktionen mit Nähe zum Business und zur Macht.

Eine weitere Falle, in die Frauen häufig tappen: Zu Beginn ihrer Laufbahn fühlen sie sich geschätzt und gefördert. Dabei übersehen sie den Moment, rechtzeitig interne Netzwerke zu bauen. Leistung allein aber reicht nicht. Ehe man sich versieht, wird das weibliche Talent plötzlich zur potenziellen Bedrohung, sozusagen, vom High-Potential zum Potential-Internal-Competitor. Deshalb sollten Frauen die positiven Seiten der Macht als Werkzeug betrachten und einzusetzen lernen: Meinung äußern, Wünsche artikulieren, rhetorische Fähigkeiten trainieren, Taktik erlernen, Netzwerke bilden. „If you want power to be used for good, you need more good people to use power“.

Leistung allein aber reicht nicht. Ehe man sich versieht, wird das weibliche Talent plötzlich zur potenziellen Bedrohung, sozusagen vom High-Potential zum Potential-Internal-Competitor.

Sabine Aigner
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Für wen suchen Sie eigentlich, worauf sind Sie spezialisiert?

Sabine Aigner

Bei meinen Klienten geht es immer um strategisch wichtige Besetzungen, meist unter Zeitdruck und komplexen Rahmenbedingungen. Während ich Anliegen wie Diversity gerne mit integriere, stehen für mich Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität immer im Vordergrund.

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