
Thomas Arnoldner, Deputy CEO der A1 Group, über Investitionen, Regulierung und digitale Souveränität in Europa.
Trend: Die Branche warnt vor einem drohenden Investitionsstopp. Wie realistisch ist dieses Szenario?
Arnoldner: Das ist nicht nur ein mögliches Szenario, das ist heute bereits Realität. Die Branche hat in Österreich im ersten Halbjahr erstmals einen deutlichen Umsatzrückgang erlebt, parallel dazu sehen wir rückläufige Investitionen. In den vergangenen Jahren hat die gesamte Telekommunikationsbranche fast sechs Milliarden Euro in Österreich investiert, 98 Prozent 5G-Versorgung erreicht und fast eine Million Haushalte mit Glasfaser erschlossen. Aber nun schlägt die wirtschaftliche Lage durch, verstärkt durch hausgemachte Probleme: eine überbordende Regulatorik, komplexe Genehmigungsverfahren und ein Paradoxon, wonach gerade jene, die am meisten investieren, am stärksten reguliert sind.
Was meinen Sie mit „regulatorischem Paradoxon“?
Nehmen Sie das Beispiel Glasfaser: Wer ausbaut, hat mit massiver Regulierung, langen Verfahren, Rechtsunsicherheiten und Verwerfungen durch Förderungen zu kämpfen. Mobilfunkbetreiber, die ein eigenes Netzwerk mit Sendestationen betreiben, sind etwas weniger reguliert, virtuelle Netzbetreiber ohne eigene Infrastruktur hingegen kaum. Sie nutzen fremde Netze, investieren selbst aber wenig. Ganz ohne Regulierung kommen internationale Player wie Starlink oder die Hyperscaler aus, die enorme Umsätze erzielen, aber wenig in den Standort investieren und kaum Arbeitsplätze schaffen oder Steuern zahlen. Das entbehrt jeder Logik und schwächt den Standort.
Welche Unterstützung erwarten Sie von Politik und Behörden?
Vor allem ein Umdenken. Unser Regulierungsmodell stammt aus den späten 1990er-Jahren, als man einen marktbeherrschenden Betreiber zügeln wollte. Heute ist der Wettbewerb so intensiv, dass er zu Lasten von Investitionen und Arbeitsplätzen geht. Die Aufgabe des Regulators muss breiter verstanden werden: Rechtssicherheit und investitionsfreundliches Umfeld schaffen. Denn digitale Infrastruktur ist der Blutkreislauf unserer Wirtschaft. Wenn er nicht funktioniert, funktioniert gar nichts, weder Verwaltung noch Unternehmen.
Wo setzt A1 seine Investitionsschwerpunkte?
Wir haben drei Säulen: Erstens Glasfaser – hier sind wir die größten Investoren, aber der Ausbau wird immer schwieriger. Zweitens Mobilfunk: 5G muss laufend weiterentwickelt werden, sonst fällt ein Standort zurück. Drittens Rechenzentren: Wir betreiben eines der größten Portfolios in Österreich und mit Exoscale eine souveräne europäische Cloudlösung, die im Vorjahr um 40 Prozent gewachsen ist und sogar von der „New York Times“ als Beispiel für digitale Souveränität genannt wird. Gerade Rechenzentren und Cloud sind ein Zukunftssegment, das für die Souveränität Europas entscheidend wird.
Digitale Infrastruktur ist der Blutkreislauf unserer Wirtschaft. Wenn er nicht funktioniert, funktioniert gar nichts – weder Verwaltung noch Unternehmen.
Droht Österreich, den Anschluss im globalen Wettbewerb zu verlieren?
Ja. Infrastruktur ist ein permanenter Wettlauf. Europa hatte bei Mobilfunk lange eine Spitzenposition, doch aktuell weht starker Gegenwind. Wenn wir in diesem Marathon keine Luft mehr bekommen – und die Regulierung schnürt uns die Luft ab –, fallen wir zurück. Und ohne digitale Infrastruktur gibt es keine Innovation, keine KI, keine Automatisierung. Letztlich hängt auch die Wettbewerbsfähigkeit unserer Industrie davon ab, ob wir hier Schritt halten.
Sie betonen auch die Bedeutung digitaler Souveränität. Warum ist sie so zentral?
Weil Souveränität die Freiheit ist, selbst zu entscheiden, welche Lösungen man einsetzt, und den Grundstein legt, sich nicht erpressbar zu machen. Sie ist die Grundlage für unsere europäischen Werte und unseren Wohlstand. Wir haben schmerzhaft gelernt, wie riskant Abhängigkeiten im Energiebereich sind – bei Gas aus Russland. Ähnlich ist es im Digitalen: Zwei Betriebssysteme dominieren unsere Smartphones, drei US-Konzerne zwei Drittel des Cloudmarkts. Europa ist extrem abhängig, und das bremst unsere eigene Wertschöpfung.
Wo liegen die Risiken dieser Abhängigkeit konkret?
Zum Beispiel im US Cloud Act: US-Behörden können auf Daten zugreifen, selbst wenn sie in Europa gespeichert sind. Oder Services werden aufgrund politischer Entscheidungen über Nacht eingestellt. Zudem geht Wertschöpfung verloren, wenn Datenverarbeitung und Technologie nicht in Europa stattfinden. Wichtig ist: Souveränität heißt nicht Autarkie. Wir arbeiten gut mit globalen Anbietern zusammen. Aber wir brauchen Alternativen, gerade für kritische Daten in Verwaltung, Gesundheit oder Infrastruktur.
Welche Rolle spielen europäische Cloudanbieter wie Exoscale?
Eine zentrale. Exoscale betreibt acht Cloud-Zonen in Europa, wächst stark und bietet eine voll DSGVO-konforme, Open-Source-basierte Lösung. CERN oder große Banken setzen darauf. Was fehlt, ist das klare Bekenntnis der öffentlichen Hand: Europäische Anbieter müssen bei Vergaben systematisch berücksichtigt werden, so wie es die USA mit öffentlichen Aufträgen vorgelebt haben. Nur so können wir eine eigenständige digitale Basis aufbauen.
Und was braucht es, damit Europa technologisch aufholt?
Investitionen. Technologische Führerschaft entsteht nicht durch Regulierung, sondern durch Kapital und Innovationsfreundlichkeit. Wir brauchen attraktive Business Cases, Rechtssicherheit und ein Zusammenspiel von privatem und öffentlichem Kapital wie in den USA oder China. Sonst wird unser Rückstand größer. Europa muss den Mut haben, seine eigenen Player zu stärken und die digitale Zukunft aktiv mitzugestalten.
Zur Person.
Thomas Arnoldner, ist seit 2023 Deputy CEO der A1 Group, von 2018-2023 war er CEO. Der studierte Betriebswirt begann seine berufliche Laufbahn bei Alcatel Austria und war ab 2013 CEO der Alcatel-Lucent Austria AG. Von 2017 bis 2018 war er Geschäftsführer der T-Systems Austria GesmbH.