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The Hans in Portugal: Ösis an der Algarve und neue wilde Küche in Lissabon

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Genuss an der Algarve und in Lissabon: Hans Mahr stellt die neue, wilde Küche Portugals vor.

©Stefanie Hilgarth
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Zwei Österreicher haben die portugiesische Küche revolutioniert und modernisiert. Hans Mahr hat beide Restaurants getestet und ist dann zufrieden von der Algarve nach Lissabon übersiedelt, um die dortigen neuen Wilden auszuprobieren.

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Zwei Österreicher als kluinarische Chefs an der Algarve

Anfang der 90er-Jahre war's eine Katastrophe. Die Mitarbeiter haben noch in Wellblechhütten gewohnt, und in der Küche wurde alles nur tot gegrillt oder verkocht …“ Ja, als es den Lustenauer Dieter Koschina nach Portugal verschlug, war die Algarve nur Insidern als Touristenplatz bekannt und die Cataplana, der portugiesische Meereseintopf, das höchste der kulinarischen Gefühle.

Heute, 30 Jahre später, hat der Vorarlberger zwei Michelin-Sterne in der „Vila Joya“ in Albufeira, genauso wie sein Freund und „Konkurrent“, der Tiroler Hans Neuner, der 15 Kilometer weiter im „Ocean“ des Vita Parc residiert.

„Der Chef “, so nennt Neuner den alteingesessenen Koschina, „hat die portugiesische Küche revolutioniert, das steht außer Zweifel.“

Und er kann es heute mit den Besten der Welt aufnehmen. Tuna-Tatar mit Hibiskusgelee, der gefüllte Tintenfisch mit Blutwurst (die lässt er aus dem Vorarlberger Sulzberg einfliegen), Lachsröllchen mit Kaviar, Foie gras, in eine hauchdünne Fischhaut gehüllt, der Red Snapper mit Pak Choi, das Filet vom schwarzen Eichelschwein mit Garnele – die 14 Gänge sind einfach wunderbar.

„Im Sommer mit weniger Sahne und mehr Vinaigrette!“, lacht Koschina und nimmt einen Schluck Rose-Champagner. Der österreichische Mitstreiter Neuner verabschiedet sich vom gemeinsamen Aperitif. Seine Küche ist weniger klassisch und mehr auf spezielle portugiesische Gerichte aufgebaut, und zwar in ihrer ganzen kolonialen Breite.

„In der Coronazeit hat’s begonnen – seither flieg ich mit meinen Leuten jedes Jahr in altportugiesische Gebiete, zuerst Madeira, dann auf die Kapverden und die Azoren, nach Mozambique und jetzt nach Macau“, erzählt er. „Von überall bringen wir landestypische Rezepte und Produkte mit – und die gibt’s dann im ‚Ocean‘.“ Und so kann Neuner nicht nur Tuna, sondern auch Gelbschwanzmakrelen servieren, Minikrebse und gewaltige Tiger-Prawns, vielerlei Austern und Muscheln, auch die raren Gänsemuscheln. Die schauen aus wie ein Gänsefuß, man muss sie am Gelenk abdrehen und die kleinen Muschelspitzen abknabbern.

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Hohe österreichische Küchenkunst im tiefen Süden Portugals: Hans Neuner (links) und Dieter Koschina

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Die beste Churrascaria in Abulfeira

Die Algarve, so kann man auch ohne nationales Timbre behaupten, ist also fest in österreichischer Hand. Koschina und Neuner gehen selbst am liebsten in bodenständige Lokale. Ihre Tipps hab ich ausprobiert. Die beste Churrascaria heißt „O Nosso Franguinho“, übersetzt also „unser kleines Huhn“ – und die Brathähnchen Piri Piri (nach dem Grillen in scharfe Chilisauce getunkt) sind ein Gedicht, samt den einzigartigen Tomaten, die schmecken so wie unsere vor 50 Jahren, also nicht wie die spanisch-holländischen Produkte aus unseren Supermärkten heute.

Für den genussvollen Ausblick aufs Meer gibt es zwei Favoriten: Gigi’s Beach“ und „2 Passos“, beide auf halbem Weg zwischen der Touristenhochburg Albufeira und dem Flughafen von Faro. „

2 Passos“ liegt zwar nicht zwei Schritte (das wäre die Übersetzung) von, sondern mitten auf der Düne vor den hereinbrechenden Wellen. „Zweimal mussten wir schon neu auf Stelzen bauen, weil uns die Wellen den Sand unter der Holzplattform weggewaschen haben“, erzählt mir Chef Coelho bei einem Glas „Guru“ aus dem Alentejo auf der Terrasse. Und dann geht’s Schlag auf Schlag: Oktopussalat, Fisch-Ceviche, Krabbenfleisch im Panzer, scharfes Tuna-Tatar, Kabeljau mit Gemüse und riesige Tiger-Garnelen in Piri-Piri-Sauce. Mehr Meer geht nicht auf dem Teller. Und dann noch der Sonnenuntergang, nein, keine ekstatische Schilderung, das sollten Sie selbst mal erleben.

José Avillez, Chefkoch der Gourmetmetropole Lissabon

Aber genug von österreichischen Chefs und der Algarve, für Lissabon muss beim Portugal-Trip genug Zeit sein. Denn angestachelt von den erfolgreichen Spaniern, hat sich auch bei den portugiesischen Nachbarn so etwas wie kulinarischer Nationalstolz entwickelt, eine ganze Generation von jungen Köchen hat daran mitgewirkt, dass sich die Hauptstadt zur Gourmetmetropole entwickelt hat.

Allen voran der bärtige José Avillez, 44, der vor zehn Jahren sein erstes Restaurant in Lissabon aufgemacht hat und nunmehr die imposante Zahl von 18 Lokalen dirigiert. Zwei davon habe ich mir zum Testen ausgesucht – und bin wirklich begeistert.

Das ist einmal das neue „Maré“ im nahen Cascais, ein paar Kilometer westlich von der Hauptstadt. Direkt am Meer, mit schöner Terrasse und einer durchgängigen Seafood-Speisekarte. Ich habe mich zur Vorspeise an den Gänsemuscheln (siehe oben) erfreut, obwohl ich beim Abdrehen des Muschelkopfes den halben Tisch angespritzt habe, dann ein halbes Dutzend Austern, die scharlachroten Garnelen, einen halben Hummer, alles zusammen 95 Euro für zwei Personen – zugegeben nicht billig, aber diese grandiose Frische und Qualität habe ich so am Mittelmeer noch nie erlebt.

Am nächsten Tag geht’s weiter in ein anderes Avillez-Lokal, nicht ins mit Sternen bedachte Belcanto, sondern in den hinteren Teil einer Markthalle, in der José Avillez auch einen Delikatessenladen untergebracht hat.

Dort residiert seine Mini Bar in einer nachgebauten Kapelle (allerdings mit barbusiger Maid als Blickfang), ein hipper Platz, wo es nicht nur spezielle Drinks und Weine gibt, sondern auch eine kleine, aber exzellente Speisekarte, teilweise im Stil von Molekular-Papst Ferran Adrià aus dem verblichenen „El Bulli“.

Die tätowierten Kellner servieren eine künstliche, auf der Zunge zerplatzende Riesenolive, die Foie-gras-Perle, ein Tuna-Tatar-Stanitzl (Jörg Wörther schaut runter), Spargelkroketten mit getrüffeltem Senf, Oktopus mit Kimchi vom Holzkohlengrill, Ochsenschwanzreis mit Parmesan und so weiter. „Cool“ findet meine große Tochter, die auch die Elektromusik nicht stört.

Genauso „in“ präsentiert sich die „Tasca Baldracca“ des Brasilianers Pedro Monteiro und vor allem das „O Velho Eurico“, eine 40 Jahre alte Tasca (also ein Wirtshaus) mit viel neu designtem „Shabby Chic“, wo man draußen auf Holzbänken sitzt oder drinnen im Gastraum, wo sich jedermann per Graffiti auf der Fliesenwand verewigen kann. Noch dazu ist das Essen sensationell gut: Auf der Kreidetafel werden Erbsen mit Ei, Tintenfisch mit Orange, Blutwurst mit Huhn, Lamm mit Kastanien und natürlich das „Nationalgericht“ Kabeljau, hier butterzart mit Olivenöl und karamellisierten Zwiebeln, angeboten. Zugegeben, man muss kulinarisch etwas abenteuerlustig sein, aber es zahlt sich aus.

Doch nun für unsereins, die kulinarischen Normalverbraucher, auch ein paar zweckdienliche Hinweise, wo man die neue portugiesische Küche genießen kann. Mein Lieblingsplatz ist das „Prado“ in der Nähe der Kathedrale, einfach, entspannt, aber gut. Alles kommt von den befreundeten Bauern oder Fischern. Auch für Nichtvegetarier ein Gedicht ist der Kürbis mit Molke, unter einer „Haube“ von Wiesenblumen serviert. Der Tintenfisch kommt von den Azoren und mit Schinkenbutter, der geräucherte Aal mit Zwiebelreis und das Schwein aus dem Alentejo mit Speck und kleinen Rüben.

Aber auch im „Plano“ in Graça-Viertel, im „O Frade“ in Belem gleich bei der alten Festung oder – für die Fischliebhaber – im „Senhor Peixe“ auf der Strandpromenade lässt es sich weniger verrückt, vorzüglich und preiswert essen.

Ehrlich gesagt, nach so viel Fisch & Co. schließe ich mich Dieter Koschina an, dem Vater dieses portugiesischen Küchenwunders: „Wenn ich zu Hause in Vorarlberg bin, dann freu ich mich auf ein Gulasch von meiner Mama!“ Und ich brauch jetzt, zurück in Wien, dringend ein richtiges Schnitzerl mit Erdäpfelsalat, aber ohne Preiselbeeren bitte …

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