Digitaler Euro: Haben wir künftig ein Konto bei der EZB?

Die EU überlegt einen digitalen Euro zu begeben. Experten erklären was das für Private und Firmen bedeuten könnte und was der gravierende Unterschied zu Bitcoins und anderen Kryptowährungen ist und warum sie als offizielles Zahlungsmittel wenig Chancen haben.

Digitaler Euro: Haben wir künftig ein Konto bei der EZB?

Die Europäische Zentralbank (EZB) überlegt, einen digitalen Euro zu entwickeln. „Im Juli 2021 hat der EZB-Rat den Beschluss gefasst, in einer zweijährigen Projektphase alle offenen Fragen zum Thema digitaler Euro zu behandeln und ergebnisoffen zu diskutieren“, so Martin Summer, Abteilungsleiter Volkswirtschaft der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) und Vertreter in der High-Level Task Force für den digital Euro der EZB. Die unterschiedlichen Szenarien, wie ein digitaler Euro ausgestaltet sein könnte, finden Sie hier.

Doch wozu ein digitaler Euro? Als Mittel um Geld virtuell anzulegen und so auf Wertsteigerung oder Schutz vor Inflation zu hoffen? Oder nur um damit eine weitere Möglichkeit zu schaffen, virtuell bezahlen zu können? Reicht dafür nicht eine Kreditkarte oder Bitcoins, ein virtuelles Zahlungsmittel, das mit El Salvador sogar schon das erste Land als offizielles Zahlungsmittel akzeptiert?

Die Ausgangslage
Die EZB beobachtet seit Jahren einen Rückgang bei der Verwendung von Bargeld. Gleichzeitig versuchen große Techkonzerne wie Amazon und Facebook neue digitale Währungen auf den Markt zu bringen. „Ein Szenario, vor dem die Nationalbank Sorge hat, ist, dass irgendwann nur noch mit Geld eines Fintechs bezahlt werden kann. Deshalb wollen wir zu den bestehenden Optionen eine digitale Alternative schaffen“, so OeNB-Ökonom Summer. In zwei Jahren soll der EZB-Rat entscheiden, wie und ob es mit einer digitalen Währung weiter geht.


Was unterscheidet Bitcoins und andere bisherige Kryptowährungen vom digitalen Euro?

„Bitcoins sind aus der Sicht der Notenbank kein digitales Geld, sondern nur digitale Assets. Als digitales Geld gilt nur solches, das von Notenbanken als Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt wird oder vom reguliertem Bankensystem emittiert wird“, erläutert Gottfried Haber, Vizegouverneur der Oesterreichischen Nationalbank, anlässlich der Podiumsdiskussion „Digitales Geld – staatlich oder privat“ des Think Tank Weis[s]e Wirtschaft. Entscheidend, ob ein Zahlungsmittel als Geld eingestuft wird oder nicht, ist einerseits, wer es emittiert, – private Banken oder öffentliche Stellen, andererseits, ob es die Funktion eines wertstabilen Zahlungsmittels erfüllt.


Die Podiumsdiskussion zum Nachhören:


Warum eigenen sich Bitcoins nicht als Geldersatz?

Da Bitcoins im Gegensatz zu Geld keinen Emittenten und auch keinen stabilen Wert hat, gilt diese Kryptowährung nur als eine von vielen Anlageklassen. „Eine begrenzte Auflage wie bei Bitcoins ist kein Qualitätskriterium, das es als Geld brauchbar machen würde, sondern stellt damit ein Sammlerobjekt dar und ist deshalb mit starke Wertschwankungen verbunden“, erläutert Summer von der OeNB. Für Geld ist dagegen ein stabiler Wert gefragt, damit der Einkauf von beispielsweise Milch und Brot Tag für Tag fünf Euro kosten und nicht einen Monat darauf bereits zehn oder 15 Euro.


Wer hat bisher Zugang zum Geld der Notenbanken?

Bisher haben nur monetäre Finanzinstitutionen (MFI), allen voran Banken, direkten Zugang zum Geld der Notenbanken. Die EZB stellt somit nur den Banken liquide Mittel in Form von Zentralbankgeld zur Verfügung, sogenannte „Reserven“. Mit einem digitalen Euro hätten damit auch Konsumenten Zugang zu Zentralbank-Geld.


Wie kommen Kunden an das digitale Geld der Notenbank?

Künftig könnte die EZB mit der Einführung eines digitalen euros Zentralbankgeld auch Privaten und Firmen direkt zugänglich machen. Konsumenten könnten so in Zukunft, wenn auch indirekt durch eine Bank, ein Konto bei der EZB eröffnen. So könnte beispielsweise Geld vom eigenen EZB-Konto auf eine Prepaid-Karte geladen werden und damit an der Kasse oder bei Onlinegeschäften mit EZB-Geld gezahlt werden.


Warum reicht es nicht in Zukunft Stablecoins als digitales Zahlungsmittel zu verwenden?

2019 hat Facebook bereits einen Versuch gestartet, mit dem Stablecoin „Libra“ eine globale Digitalwährung zu etablieren. Dirk Niepelt, Professor für Volkswirtschaftslehre und Spezialist für digitale Währungen: „Was jedoch an Regulierungsfragen gescheitert ist." Enikö Saurer-Kiss, Juristin in der Kontaktstelle FinTech bei der Finanzmarktaufsicht FMA: "Der Markt ist derzeit noch nicht vollständig reguliert." Stablecoins funktionieren wie Fonds, an denen Anleger Anteile halten. Anteilseigner sind damit Gläubiger des Fonds und haben so indirekt Zugang zu Zentralbankgeld. „Doch sie wissen nicht, ob der Fonds auch die Assets hält, die dieser versprochen hat. Investoren müssen hoffen, wieder jemanden zu finden, der diesem Zahlungsmittel einen Wert beimisst“, räumt Niepelt ein. Ansonsten ist der Stablecoin wertlos und das investiert Geld weg. Wie bei anderen Kryptoassets handelt es sich bei Stablecoins um privates Geld. Das Ziel vieler Stablecoins ist jedoch im Gegensatz zu Bitcoins eine Währung eins zu eins abzubilden. Während Kryptos wie Bitcoins keinen staatlichen Regulierungen unterliegen, gibt es bei Stablecoins aufsichtsrechtlich Anknüpfungspunkte. Daher wird derzeit ein EU-Entwurf (MiCA – Markets in Crypto-Assets) diskutiert, der diesen Bereich regulieren soll.


Verlieren die Banken durch den digitalen Euro ihre Geschäftsgrundlage?

"Die EZB dürfte sich kaum in die Mühen des Tagesgeschäfts von Banken begeben. Aufgaben der Bank wie der schon durch Fintech hart umkämpfte Zahlungsverkehr, die Vergabe von Kredite, Pflichten wie Compliance, Aufsicht und andere Aufgaben der Bank wird die EZB nicht übernehmen", meint Stefan Punkl, Leiter Digitalisierung vom Verband österreichischer Banken. „Die Gefahr der indirekten Verstaatlichung von Banken durch Verstaatlichung deren Aufgaben fürchten diese daher nicht“, fasst Peter Brandner, Ökonom des Think Tank Weis[s]e Wirtschaft zusammen. Das digitale Euro-Guthaben würde denn auch nur bei lizenzierten und beaufsichtigten Finanzinstituten erhältlich sein. Die Zentralbank würde weiterhin für die Liquidität der Banken sorgen und auf die Wertstabilität, Fälschungssicherheit und ausreichende Verfügbarkeit des Euro achten.


Wie sicher ist das Zentralbank-Geld in der Krise?

„Ein Vorteil für Banken in instabilen Zeiten wäre, dass beim digitalen Euro kein Bank-Run möglich wäre, da das Geld ohnehin von der Zentralbank kommt“, so Niepelt. Bisher müssen die Kunden der Bank vertrauen, dass ihre Einlagen dort sicher sind und sie ihr Geld stets zurückbekommen. „Im Notfall greift die Einlagensicherung in der EU, die Sparguthaben bis 100.000 Euro auch bei einer Bankenpleite schützt", erklärt Fintech-Experte Punkl. Sicherer ist das Geld jedoch direkt bei der EZB. Banken, die das digitale Geld als Intermediäre für ihre Kunden der EZB weiterleiten, um diese als digitalen Euro zu verwalten, dürften jedoch sämtliche Beträge mit Sicherheiten hinterlegen müssen.


Was ist der Unterschied, ob der digitale Euro von den Banken oder der EZB kommt?

„Der digitale Euro wäre eine Verbindlichkeit der Notenbank und nicht mehr wie bisher der Bank. Derzeit scheint jeder Euro von Kunden auf der Bilanz der Banken. Aber um den digitalen Euro zu bewegen, wird man die Banken brauchen müssen“, erläutert Punkl.


Welche Auswirkungen hätte ein digitaler Euro bei der Geldpolitik?

Bisher adressiert die EZB mit ihrer Zinspolitik direkt nur die Banken, die refinanzieren sich mit dem Zinssatz bei der EZB. Erhöht die Notenbank beispielsweise die Leitzinsen, müssen sich die Banken teurer refinanzieren, was in Folge wiederum die Kredite für den Endkonsumenten verteuert und umgekehrt. Würden Konsumenten direkt von der EZB Geld erhalten, müssten Banken die jeweilige Höhe der Zinsen rascher und direkter weitergeben. Niepelt: „Die Geldpolitik wäre damit wesentlich schlagkräftiger.“


Besteht beim digitalen Euro die Gefahr von Negativzinsen?

„Nein,“ meint Währungsexperte Niepelt. „solange es Bargeld gibt, können Kunden schließlich jederzeit das Geld vom EZB-Konto wieder abziehen und in klassische Bareinlagen auf der Bank umschichten.“ Bürger hätten somit stets die Wahl zwischen digitalem oder physischem Geld.


Wie könnte die Zukunft des Zahlens aussehen?

Physisches Geld könnte irgendwann obsolet werden. Wenn jeder nur noch mit dem Smartphone oder mit dem Handy bezahlt, ist Bargeld irgendwann überflüssig. Dann wird es wichtig sein, Geld auch von einer staatlichen Institution zu erhalten, der man vertraut und sich nicht beispielsweise nur von Geld, das von Internet-Konzerne wie Amazon begeben wird, abhängig zu machen. Saurer-Kiss von der FMA: „Wenn es digitales Zentralbankgeld gibt, braucht man auch keine Stablecoins, die sich auf ungesicherte Anlagen stützen.“ Kurzfristig würde sich durch die Einführung einer digitalen Währung beim Bezahlen nichts ändern. „Die Rahmenbedingungen unter denen der Zahlungsverkehr abläuft, ändern sich jedoch. Dafür sollten sich die Bürger interessieren“, so der Schweizer Volkswirtschafter Niepelt.


Welche Zukunft haben Bitcoins als Zahlungsmittel?

Bitcoins dürften, wie es derzeit aussieht, keine große Zukunft als weltweites offizielles Zahlungsmittel erlangen. In El Salvador, wo seit wenigen Tagen die Kryptowährung als offizielles Zahlungsmittel gilt, bilden sich vor den Geldautomaten Menschenschlangen, um ihre vom Staat kostenlos erhaltenen Bitcoins im Wert von 30 Dollar abzuheben. Eine Umfrage ergab, dass über 70 Prozent der befragten Salvadorianer das Bitcoin-Gesetz ablehnen. „Das Vertrauen in Bitcoins als Zahlungsmittel ist enden wollend, fehlende Stabilität bei relativ hohen Transaktionsgebühren. Statt privater Kryptos könnte vor allem in Staaten ohne starkem Bankensektor digitales Zentralbankgeld der breiten Bevölkerung eine Chance bieten“, so Ökonom Brandner.

Take Aways
  • Bitcoins sind aus der Sicht der Notenbank kein digitales Geld, sondern nur digitale Assets. Als digitales Geld gilt nur solches, das von Notenbanken als Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt wird.
  • Die EZB könnte mit der Einführung eines digitalen Zahlungsmittels in Euro ihre Reserven, Privaten und Firmen direkt zugänglich machen. Konsumenten würden ein Konto bei der EZB haben. So könnte so Geld vom EZB-Konto auf eine Prepaid-Karte laden und damit an der Kasse oder bei Onlinegeschäften mit EZB-Geld zahlen.
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Kommentar
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