Wiener Photovoltaik-Start-up crystalsol ist pleite
Der Photovoltaik-Spezialist will weitermachen, nachdem die Gläubiger auf die Zahlung eines Teils ihrer Forderung verzichten. Die Gesamtverbindlichkeiten belaufen sich derzeit auf 6,7 Mio. Euro.
crystalsol hat einem niederländischen Patent in Estland und Österreich neues Leben eingehaucht. Die daraus entwickelten Photovoltaik-Folien versprachen Großes für den Massenmarkt, die Entwicklung ist aber zuletzt stecken geblieben.
Wien. Das in Wien und Estland ansässige Photovoltaik-Start-up crystalsol ist insolvent, teilte der Gläubigerschutzverband KSV1870 mit. Dem im Jahr 2009 gegründeten Unternehmen ist nun die Luft ausgegangen, nachdem die Entwicklung einer neuen Technologie für Photovoltaikmodule länger gedauert hat, als das Unternehmen erwartet hatte.
Dazu kommt noch, dass die erhofften, gleichzeitig auch erforderlichen Investoren nicht angedockt haben. Erhoffte Förder- und Forschungsprojekte konnten zudem nicht akquiriert werden. Die Gesamtverbindlichkeiten liegen laut KSV bei 6,66 Mio. Euro. Die Hälfte der Schulden sind bei der Tochter des Unternehmens crystalsol OÜ in Estland angeschrieben, die jedoch laut KSV-Mitteilung nicht insolvent ist.
Und doch hat das Photovoltaik-Start-up noch nicht aufgegeben. Die crystalsol-Geschäftsführer wollen weitermachen, freilich nach einer Sanierung und nun doch noch mit der Unterstützung von neuen Investoren. Es soll nun doch noch "aktuell aussichtsreiche Gespräche mit potenziellen Investoren" geben, teilt Kreditschutzverband KSV mit.
crystalsol bietet den Gläubigern eine Sanierungsquote von 20 Prozent. Betroffen von der Insolvenz seien rund 30 Gläubiger und neun Dienstnehmer.
Der größte Gesellschafter des Unternehmens ist laut Firmenbuch von Compass (siehe unten) der finnische Technology Fonds KY Conor Technology-Funds, der etwas mehr als ein Drittel der Geschäftsanteile hält (34,3 Prozent), vor Energy Future Invest AS aus Norwegen (18,51 %) und ÖU Monotera aus Estland (11,79 %) sowie dem Gründer Dieter Meissner (7,9 %) und seit 2007 den Patentrechteinhabern Thomas Badgruber und Wolfgang Reissler (jeweils 9,2 Prozent) sowie die Universtität von Tallinn in Estland (4,7 %) und OÜ Paikesepoiss aus Estland (4,2%).

Das ursprünglich in den 1960er-Jahren vom niederländischen Elektronikkonzern Philips in Eindhoven angemeldete Patent über eine Halbleitertechnologie wurde später in Russland fürs Militär weiterentwickelt, nach der Wendezeiten an der Universität in Tallinn in Estland unter der Leitung der Professoren Enn Mellikov und Dieter Meissner in Richtung Photovoltaik-Anwendung getrimmt. In den 1990er Jahren hatten die beiden Akademiker das Halbleiter-Knowhow weiterentwickelt, um es im Jahr 2009 in das Start-up crystalsol einzubringen und industriell zu nutzen. Die Technologie wird für die Herstellung von dünnen, flexiblen Photovoltaik-Folien verwendet, die etwa auf Gebäudeelementen, Dächern, für Handyladegeräten, Taschen in Kleidung und auch bei Autos zum Einsatz kommen sollten.
In Wien wurden erste Module für erste Tests gefertigt, die Tochter crystasol in Estland hat bisher für die ersten Module die notwendigen Halbleiterpulver hergestellt.
Das Unternehmen hat über ein Netzwerk an Industriepartnerschaften sowie Kooperationen von Universitäten sein Glück versucht. Dazu zählen die Universität von Tallinn in Estland, The European Space Agency (ESA), das Austrian Institute of Technology sowie das Joanneum Reserach in Graz.