Millionenpleite bei Wienwert Holding: Viele Privatinvestoren betroffen
Die Wiener Immobiliengesellschaft WW Holding, Eigentümerin des Wohnbauträgers Wienwert, ist pleite. Das Unternehmen hatte zuletzt einen Bilanzverlust von 29,4 Millionen Euro. Das riskante Finanzierungsmodell über den Verkauf von Unternehmensanleihen ist geplatzt.
In leistbares Wohnen investieren ist für den Wienwert-Eigentümer WW Holding nicht mehr leistbar.
Die WW Holding AG, Eigentümerin des Wiener Wohnbauträgers Wienwert, ist pleite. Als Auslöser für die Pleite des Unternehmens, das mehrere tausend Mietwohnungen in Wien errichten wollte, wird das öffentlichkeitswirksame Bekanntwerden eines Ermittlungsverfahrens der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) genannt. Das Nachrichtenmagazin „profil“ hatte darüber am 25. November berichtet. Konkret ging es bei den Ermittlungen um den Verdacht der Untreue sowie des Verdachts der Vollstreckungsvereitelung zugunsten eines anderen.
Ausgelöst wurden die Ermittlungen durch eine am 29. September vom Verein Cobin Claims eingebrachten Sachverhaltsdarstellung. Wienwert-Vorstand Stefan Gruze sowie die beiden Gründer und Aufsichtsräte Wolfgang Sedelmayer und Nikos Bakirzoglu wurden verdächtigt. Es sei „nicht auszuschließen, dass die Gesellschaft WW Holding AG widerrechtlich um EUR 3,12 Millionen entreichert wurde“, heißt es in der Sachverhaltsdarstellung von Cobin Claims. Hintergrund ist der Verkauf der Markenrechte durch Gesellschaften der Firmengründer an die Wienwert Holding im März 2016 um 3,12 Millionen Euro, sowie die spätere Übertragung der Marke an die Wienwert AG.

Wienwert-CEO Stefan Gruze
Wienwert-Vorstand Gruze hielt in seiner Rechtfertigung gegenüber „profil“ fest: „Der gemeinsam mit meiner Bestellung zum CEO durchgeführte Kauf der Markenrechte, sowie die spätere Sacheinlage dieser Rechte in die neue Wienwert AG wurden auf Basis eines Sachverständigengutachtens einer weltweit führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft durchgeführt.“ Die Vorwürfe gingen somit lat Gruze ins Leere. Aufsichtsrat Sedelmayer erklärte: „Soweit wir das überblicken können, sind die dort angesprochenen Angelegenheiten sorgfältig mit Wirtschaftsprüfern abgestimmt beziehungsweise sogar deren Vorschläge.“ Insofern gehe man davon aus, dass alles absolut korrekt sei.
29,4 Millionen Euro Bilanzverlust
Die Medienberichte dürften jedoch nur das letzte Tüpfelchen auf dem i gewesen sein, denn die WW Holding hatte ihrem letzten, Ende August 2017 veröffentlichten Jahresergebnis zufolge im Geschäftsjahr 2016 einen Bilanzverlust von 29,4 Millionen Euro (29.427.498,16 €) inklusive einem Verlustvortrag von 11,9 Millionen Euro (11.876.479,80 €) aus dem Geschäftsjahr 2015) sowie ein negatives Eigenkapital von 28,7 Millionen Euro (28.683.498,16 €). Der Jahresverlust 2016 belief sich auf 18,8 Millionen Euro (18.837.677,15 €).
Trotz des Verlustes war Wienwert bis zuletzt als Teamsponsor von Rapid Wien aufgetreten. Der im Sommer 2016 mit dem Einzug von Rapid in das neue Stadion abgeschlossene, für drei Jahre laufende Vertrag, hatte dem Verein eine Summe von 500.000 Euro zugesichert.
Als Folge der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft und des Bilanzverlustes konnte eine neue Unternehmensanleihe der Wienwert nicht mehr erfolgreich platziert werden. Die Ausgabe solcher Anleihen war jedoch eine wesentliche Annahme der für die Unternehmen erstellten positiven Fortbestehensprognose vom Juli 2017 der PwC Advisory Servic.
Der Vertrauensverlust der Investoren wirke sich erheblich negativ auf das Geschäftsmodell aus führe nach Prüfung des Vorstands der WW Holding AG zu einer Herabsetzung der möglichen Kaufpreiserwartung für die von der WW Holding an der Wienwert gehaltenen Aktien und somit schlussendlich zu einer insolvenzrechtlichen Überschuldung.
Privatinvestoren betroffen
Eine im September 2017 emittierte Wienwert-Anleihe war mit über fünf Millionen Euro sogar noch überzeichnet. Darin investiert haben vorrangig östererichische Privatinvestoren. Die Unternehmensanleihe vom September hat eine Laufzeit von drei Jahren und eine Verzinsung von 5,25 Prozent per anno. Ob die Anleihe dann auch bedient werden kann ist derzeit offen. Hans-Georg Kantner, Insolvenzexperte des Kreditschutzverbands KSV1870, schätzt, dass Kleinanleger mit fünf bis zehn MIllionen Euro betroffen sind.
Die gesamten Verbindlichkeiten der Gruppe beziffert Kantner auf Basis der letzten vorliegenden Bilanz mit rund 70 Millionen Euro, exklusive Haftungen für diverse Tochterunternehmen. Von den 70 Millionen Euro dürften rund 40 Millionen Verbindlichkeiten aus Anleihen sein.
Wienwert hatte geplant, in den nächsten Jahren mehrere tausend moderne und hochwertig ausgestattete Mietwohnungen mit effizienten Wohnungsgrößen von 30, 45 und 60 Quadratmetern zu errichten. Das Konzept beinhaltet eine Grundausstattung auf Eigentumsstandard wie z.B. Fußbodenheizung, Klimaanlage, Sicherheitstüren, Alarmanlage, voll ausgestattete Küchen und Bäder und sogar Einbauschränke. Die Wohnungen sollten provisionsfrei, kautionsfrei und unbefristet bei Nettomieten unter zehn Euro pro Qadratmeter ohne Finanzierungsbeiträge vermietet werden.
Anleihen können nicht bedient werden
Die WW Holding AG konnte darüber hinaus eine am 20. Dezember 2017 fällige Unternehmensanleihe (ISIN AT0000A0S9H0) nicht bei Fälligkeit bedienen und verfügt derzeit auch nicht über ausreichende Liquidität, um diese Anleihe zu bedienen. Wienwert hatte in der Vergangenheit seine Anleihen unter anderem als "Hausherren-Anleihe mit 3-fach Sicherheit" beworben und 6,75 Prozent Zinsen garantiert (siehe Abbildung).

"Hausherren-Anleihe mit 3fach Sicherheit und 6,75% garantierten Zinsen" - Investoren werden zumindest vorerst durch die Finger schauen.
Wienwert steht deshalb schon seit Jahren im Visier der heimischen Finanzmarktaufsicht (FMA). Seit 2014 hat die FMA vier Sachverhaltsdarstellungen an die Staatsanwaltschaft übermittelt und mehrere Verwaltungsstrafverfahren gegen die Vorstandsmitglieder der Wienwert verhängt. Die FMA bemängelte die irreführenden Werbungen im Zusammenhang mit der Platzierung von Anleihen.
Zuletzt verhängte die FMA im vergangenen Jahr eine Strafe von 85.000 Euro gegen Vorstandschef Gruze. Auch die ehemaligen Vorstände und Firmengründer Wolfgang Sedelmayer und Nikos Bakirzoglu wurden bestraft. Bei der Wienwert-Gruppe handelt es sich um kein von der FMA konzessioniertes Unternehmen. Es unterstand nicht der Aufsicht durch die FMA. Wienwert hat mehr als 23 Anleihen begeben, 19 davon unter einem Ausnahmetatbestand, weshalb kein Prospekt veröffentlicht werden musste. Der letzte Prospekt zu einer Anleihe wurde von der Luxemburger Aufsicht gebilligt.
Bei den verkauften Anleihen habe es sich um laut FMA-Vorstand Helmut Ettl um einfache Finanzprodukte gehandelt. "Das Risiko war für Kundige erkennbar", sagte Ettl in einem Interview mit dem Radio Ö1. Der Verkauf von scheinbar sicheren Anleihen am Finanzmarkt, die suggerierte Nähe zur Stadt Wien und die hohen versprochenen Renditen verführten Anleger immer wieder, in solche Richtungen zu investieren. Ettl: "Solche Sachen wird es immer wieder geben, da können wir nur an die Anleger appellieren: Schauen Sie sich ganz genau das Risiko an. Wer hohe Renditen verspricht, da ist auch hohes Risiko dahinter, und nicht überall, wo Immobilie drauf steht, ist auch ein sicheres Investment".
Der Verein Cobin Claims evaluiert die jetzt eingetretene Situation und prüft rechtliche Optionen für betroffene Anleger – neben den üblichen Maßnahmen wie Anschluss als Privatbeteiligter an das laufende Ermittlungsverfahren oder die Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren auch Schadenersatzansprüche gegen Dritte. "Tatsächlich wird man davon ausgehen müssen, dass der wirtschaftliche Insolvenzzeitpunkt deutlich früher anzunehmen ist", mient Vorstand Manfred Biegler. Hierzu bedürfe es aber gesonderter, wirtschaftlicher Analysen, die sicherlich noch kommen werden. Biegler: "Das Geschäftsmodell durchlief seit den ersten Anleiheplatzierungen in 2010 einen typischen 7-Jahres-Zyklus bis zur Insolvenz, der Schaden wird – wie bei diesen ,Modellen‘ üblich – durchaus eine Größenordnung von bis zu 60 Millionen Euro erreichen können. Ein typisches, multiples Kontrollversagen aller Instanzen wie wir es von zahllosen Finanzskandalen in der Vergangenheit kennen, ist anzunehmen."
Kartenhaus kollabiert
"Das angekündigte Insolvenzverfahren der Wienwert Holding bestätigt meine Befürchtungen, dass dieses Kartenhaus irgendwann zusammenbricht und ein massiver Schaden für die Anleger droht", meint die Wiener Neos Klubchefin Beate Meinl-Reisinger in einer Reaktion und kritisiert die SPÖ Wien, die den Anlegern versichert habe, dass alles in Ordnung sei. "Es ist komplett unverständlich, wie die rot-grüne Stadtregierung in Anbetracht des optischen und personellen Naheverhältnisses diesen bedenklichen Entwicklungen so lange zuschauen konnte. Außerdem ist es komplett unverantwortlich und mir schleierhaft, wie unter diesen Umständen noch im Sommer über ein gemeinsames Investment mit der Bundespensionskasse über einen Fonds nachgedacht werden konnte“
Meinl-Reisinger fordert mehr Transparenz beim Anlegerschutz: „In manchen Bereichen herrscht eine komplette Überregulierung und die bürokratischen Auflagen wie beispielsweise Kennzeichnungspflichten oder Ähnliches sind enorm. Hingegen gibt es im Bereich von risikobehafteten Wertpapiergeschäften immer wieder Fälle, dass Anleger getäuscht werden bzw. sich des Risikos nicht bewusst sind.“
Die WW Holding strebt nach eigenen Informationen ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung an, im Rahmen dessen die Wienwert AG, verkauft werden soll. Die WW Holding hält 99,99 Prozent der Aktien an Wienwert. Der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens wird vorbereitet und soll so rasch wie möglich beim Handelsgericht Wien eingebracht werden.