Privatkonkurse steigen dramatisch, auch mehr Firmenpleiten

Die Zahl der Privatpleitiers ist im ersten Quartal 2018 um satte 60 Prozent gestiegen. Die Unternehmensinsolvenzen sind um 2,5 Prozent angestiegen.

Privatkonkurse steigen dramatisch, auch mehr Firmenpleiten

Privatpleitiers haben abgewartet, um das neue Insolvenzrecht zur leichteren Entschuldung zu nutzen.

Wien. Was nach der Reform des Insolvenzrechts im Herbst bereits erwartet wurde, ist nun tatsächlich eingetreten. Die Zahl der Privatkonkurse hat kräftig angezogen. Im ersten Quartal 2018 ist die Zahl der Privatkonkurse laut Kreditschutzverband von 1870 (KSV1870) um mehr als 60 Prozent auf 2.712 Fälle gestiegen.

Als Grund für den massiven Anstieg sieht KSV-Insolvenzexperte Hans-Georg Kantner einen "Nachholbedarf aus dem Vorjahr". Ende Jänner 2017 hatte die Bundesregierung ein extrem verkürztes Privatkonkursverfahren ankündigt. Das Inkrafttreten der Novelle erfolgte erst mit 1. November 2017. Wie berichtet, gingen im Verlauf des Vorjahres die Privatkonkurse zurück. Der KSV hatte bereits im Herbst darauf hingewiesen, dass es infolge der Insolvenzrechtsnovelle im 1. und 2. Quartal 2018 zu einem "Tsunami" bei den Privatpleiten kommen werde.

Umgelegt auf ein ganzes Jahr würde die Zahl der Privatkonkurse in Österreich sogar auf ca. 10.800 hochschnellen. Allerdings wird es "so drastisch nicht kommen ", so Kantner. Die Zahl der Privatpleiten würden sich ab der Jahresmitte wieder beruhigen und auf das Langzeitniveau von ca. 8.000 Fälle pro Jahr einpendeln, was etwa 4.000 Privatkonkurse im zweiten Halbjahr entsprechen würde. Für 2018 rechnet der KSV1870 noch mit rund 9.000 Privatkonkursen.

In allen Bundesländern ist die Zahl der Privatkonkurse massiv angestiegen. Spitzenreiter ist das Burgenland mit einem Zuwachs von 356,3 Prozent. Absoluter Spitzenreiter ist Wien mit einem Zuwachs um 30 Prozent auf 950 Privatkonkurse.

Dementsprechend gestiegen ist auch der Schuldenstand. Die Passiva ist gegenüber dem Vorjahr um 184 Prozent auf 489 Millionen Euro gestiegen. "Viele Schuldner mit hohen Verbindlichkeiten scheinen zugewartet zu haben, bis die neue und für sie günstigere Rechtslage in Kraft getreten war, bevor sie ihre Schuldenregulierung beantragten", sagt KSV-Insolvenzexperte Kantner. Allerdings rechnet der KSV aufgrund zusätzlicher Auflagen mit wesentlich aufwändigeren Verfahren, die sich entsprechend zeitlich auf bis zu fünf Monat in die Länge ziehen.

Zwei Großpleiten

Bei den Unternehmensinsolvenzen kommt es hingegen nur zu einem geringfügigen Anstieg. In den ersten drei Monaten des Jahres sind 1.330 Unternehmen insolvent geworden.

Das ist ein Zuwachs von 2,5 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017. Geringfügig rückläufig sind die 780 eröffneten Insolvenzverfahren mit knapp einem Prozent. Die Verbindlichkeiten sind jedoch massiv gestiegen. Mit ca. 515 Mio. Euro liegt die Passiva mehr als 70 Prozent über dem Vorjahr. Dazu beigetragen haben vor allem die beiden Großpleiten von Niki mit 153 Millionen Euro sowie von Wienwert, wo alleine auf die Holding 55 Millionen Euro Verbindlichkeiten entfallen.

Auch die Zahl der betroffenen Dienstnehmer hat extrem zugenommen: Rund 7.500 Personen waren im ersten Quartal mit der Pleite ihres Dienstgebers konfrontiert. Das entspricht einem Zuwachs von 83 Prozent

Seit 2010 sind die Insolvenzzahlen rückläufig und seit etwa zwei Jahren verharren sie im Wesentlichen auf tiefem Niveau. Einmal mit leichtem Zuwachs, dann wieder mit leichtem Rückgang. „Die schönen Tage dürften allerdings vorbei sein und die Prognose des KSV1870, der zufolge die Talsohle durchschritten wurde, hat sich nunmehr bewahrheitet“, so Hans-Georg Kantner, Leiter Insolvenz KSV1870. „Doch nicht nur die Zahl der Fälle hat zugenommen, sondern auch die volkswirtschaftlich wesentlich bedeutsameren Kennzahlen Verbindlichkeiten und betroffene Dienstnehmer.“

Branchen: Verkehrsbranche auf Platz 1

Die drei ersten Plätze in Bezug auf die Anzahl der Fälle und die Höhe der Passiva werden üblicherweise immer von den gleichen Branchen belegt. Wenig Überraschung oder Veränderung. Im ersten Quartal 2018 gibt es bei der Höhe der Passiva einen „Ausreißer“, nämlich die Niki Luftfahrt GmbH, die mit 153 Mio. Euro die Verkehrsbranche auf den ersten Platz katapultiert hat.

Dahinter folgen die unternehmensbezogenen Dienstleistungen und die Bauwirtschaft sowie das Gastgewerbe - drei Branchen, die wie immer im vorderen Spitzenfeld bei den Firmenpleiten liegen. Das Gastgewerbe ist letztlich eher unterdurchschnittlich insolvenzgeneigt, während etwa die Baubranche eher ein Spitzenreiter ist.

Zur Branche der „unternehmensbezogenen Dienstleistungen“ zählen Unternehmen aus dem Bereich Immobilien und Beratung, Finanzen und Beratung sowie jene, die mit Holdingfunktionen im Konzern zu tun haben.

Starke Unterschiede bei den Bundesländern

Österreichweit sei die Entwicklung laut KSV uneinheitlich. So gab es im Burgenland Zuwächse im Bereich von über 80 Prozent, wogegen etwa Tirol einen Rückgang von 30 Prozent verzeichnet. Ein Zuwachs von über 30 Prozent in Kärnten steht einem Rückgang von ca. 8 Prozent in Vorarlberg gegenüber. "Diese Entwicklung ist jedoch nicht nachhaltig genug, um daran bereits Trends für das Gesamtjahr 2018 ableiten zu können", sagt Kantner. Für das Jahr 2018 erwartet der KSV1870 einen leichten Zuwachs bei den Unternehmensinsolvenzen gegenüber 2017. Auch wenn sich die Häufung der Großpleiten aus dem 1. Quartal nicht häufen werden, müsse damit gerechnet werden, dass es im laufenden Jahr noch "mehr und größere Insolvenzen" geben werde.

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