KSV warnt vor Kürzung der Rückzahlungsfrist bei Privatinsolvenzen
Die Kreditschützer vom KSV plädieren bei Privatinsolvenzen für die Beibehaltung der aktuellen Rückzahlungsfrist von fünf Jahren. Eine Verkürzung der Rückzahlungsfrist für Unternehmen auf drei Jahre sei sinnvoll. Bis Mitte 2021 rechnet der KSV mit einer Insolvenzwelle.
Ruhe vor dem Sturm: Die Insolvenzen sind derzeit noch rückäufig. 2021 wird eine Pleitewelle erwartet.
Wien. Der KSV1870 warnt vor einer Verkürzung der Rückzahlungsfrist bei Privatinsolvenzen: Eine Entschuldung innerhalb von drei Jahren für private Schuldner sei "gesellschaftspolitisches Harakiri". Private benötigten Zeit, um ihre Schulden zurückzuzahlen, das funktioniere nicht von heute auf morgen. Eine auf drei Jahre verkürzte Dauer für "redliche Unternehmer" halten die Kreditschützer hingegen für nachvollziehbar und sinnvoll.
Im Zuge der Umsetzung der EU-Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz haben die Mitgliedsländer die Option, die Rückzahlungsdauer nicht nur für Unternehmen, sondern auch für Private auf drei Jahre verkürzen.
Eine derartige Änderung im Bereich der Privatinsolvenz wäre nicht nur nicht sinnvoll, sondern bringe zudem massive gesellschaftspolitische Gefahren mit sich - etwa den Verlust des verantwortungsvollen Handelns von privaten Konsumenten, so der KSV.
Die doppelte Gefahr
Bei Privaten solle die aktuelle Entschuldungsdauer von fünf Jahren beibehalten werden. Diese Frist wurde 2017 von sieben Jahren verkürzt, gleichzeitig wurde die Mindestquote abgeschafft. Diese Änderungen seien noch viel zu "jung", um sie aktuell objektiv evaluieren zu können. Es sollten zunächst einmal erste aussagekräftige Erkenntnisse der 2017 erfolgten Adaptierung abgewartet werden, um weitere Schritte zu setzen.
"Schuldner benötigen Zeit, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, ist es zumeist ausgeschlossen, dass dieser Prozess innerhalb von drei Jahren vonstattengeht. Denn dem Betroffenen muss es trotz Schuldenabbaus möglich sein, die Grundbedürfnisse des Lebens wie Essen, Heizkosten und Strom begleichen zu können", so Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz. Darüber hinaus werde dem Schuldner die Chance genommen, sich bei seinen Gläubigern zumindest teilweise zu rehabilitieren. Zudem werde den Konsumenten suggeriert, sie selbst müssen wenig Verantwortung für das eigene Handeln übernehmen, zumal überbordende und selbst verursachte Konsumschulden ohnehin "relativ leicht" wieder los zu werden seien.
Als eine zusätzliche negative Auswirkung könnte sich aus KSV1870 Sicht auch eine Verkleinerung des Kreditmarktes erweisen: Es sei davon auszugehen, dass bei verkürzter Rückzahlungsdauer in privaten Schuldenregulierungsverfahren die Vergabe von neuen Krediten stark zurückgehe.
Die Stärkung der Wirtschaft
Eine Reduktion im Unternehmensbereich sei ein adäquates Instrument zur Stärkung der Wirtschaft. Österreichs Betriebe sorgten für Wirtschaftswachstum, schafften Arbeitsplätze und gingen ein gesellschaftlich erwünschtes Unternehmerrisiko ein. "Schon alleine deshalb wäre eine Gleichstellung von 'redlichen Unternehmern' und privaten Schuldnern nicht nachvollziehbar", so der KSV.
"Die Möglichkeit einer rascheren Entschuldung von redlichen Unternehmern sowie ein damit verbundener Neustart nach drei Jahren wären ein wesentlicher Eckpfeiler, um Österreich als einen Top-Player der internationalen Wirtschaftsszene nachhaltig zu etablieren", betonte KSV-Chef Ricardo-José Vybiral. Österreich brauche zudem eine Kultur der zweiten Chance und "keine Stigmatisierung von Unternehmern, deren Geschäftsmodell im ersten Anlauf nicht funktioniert hat. Das ist nicht das Ende der Welt. Vielmehr sollten sie dazu ermutigt werden, einen neuen Anlauf zu wagen."
Die große Insolvenzwelle im Jahr 2021
In Österreich ist eine Insolvenzrechtsreform geplant, was auch durch die Corona-Krise notwendig sein wird. Die Wirtschaftsforscher von IHS und Wifo, der Kreditversicherer Euler Hermes, das Arbeitsmarktservice sowie IEF rechnen für das Jahr 2021 mit einem kräftigen Anstieg der Insolvenzen. Der KSV1870 erwartet den entscheidenden Anstieg bei Unternehmenspleiten für das 2. und 3. Quartal 2021. "Die Insolvenzen werden bei Unternehmen um 20 bis 25 Prozent auf Vergleichsbasis des Jahres 2019 steigen", sagt KSV-Insolvenzleiter Karl Heinz Götze im Webinar "Aktives Risikomanagement". Man müsse das Jahr 2019 als Vergleichsbasis heranziehen, weil das Jahr 2020 aufgrund der Covid-19-Gesetze und damit verbundenen Stützungen der Regierung keine Vergleichsbasis bietet.
In den vergangenen neun Monaten (März bis September) ist trotz der Corona-Krise die Zahl der Unternehmenspleiten um über 55 Prozent gegenüber dem Jahr 2019 zurückgegangen. "Trotz größter Wirtschaftskrise gehen die Unternehmensinsolvenzen zurück, das ist ein Paradoxon", meint. "Der Rückgang ist aber darauf zurückzuführen, dass im Zuge der Covid-Gesetze gleich mehere Maßnahmen gesetzt wurden, um einer Pleitewelle entgegen zu wirken. So wurde die Antragsplficht für die Insolvenz von 60 auf 120 Tage verlängert, die Überschuldung als Insolvenzgrund von März 2020 bis 31. Jänner 2021 sistiert, Zahlungen an das Finanzamt zunächst bis 15. Jänner 2021 verlängert, nun wurde der Zeitraum nochmals bis 31. März 2021 erweitertet. Dazu wurden Ratenzahlungen auf bis zu drei Jahre ermöglicht. Und auch bei den ASVG-Abgaben sieht das 9. Covid-Gesetz vom 23. März 2020 Stundungen der Zahlungen bis 15. Jänner 2020 vor.
Die Werbung für Insolvenz: "Neustart nach größter Niederlage"
Trotz aller staatlichen Stützungen empfiehlt Götze in Schieflage gekommenen Unternehmen eine mögliche Insolvenz nicht vor sich herzuschieben. "Mir ist bewusst, dass die Insolvenz das Schlimmste, die größte Niederlage ist, was einem im Unternehmerdasein passieren kann", sagt Götze . Aber oft sei es der beste Weg, etwa übernommene Altschulden oder alte Ideen abzustreifen und nach einem Insolvenzverfahren einen Neuanfang zu starten, vor allem wenn sich das Unternehmen schon auf die Zukunft orientiert hat, etwa im Zuge der Digitalisierung. !Im Insolvenzverfahren ist eine Entschuldung von immerhin bis zu 80 Prozent möglich", so Götze . Das Verfahren dauere drei bis 5 Monate. "Und dann kann der Neuanfang beginnen", so Götze .
Die Insolvenz bedeute daher nicht automatisch das Aus. Der in Schieflage gekommene Unternehmer sollte sich aber frühzeitig in Verhandlungen mit den Gläubigern begeben, statt sich in einen Dumpingwettbewerbs ziehen zu lassen, der die Krise und die Verschuldung weiter unnötig verstärkt. Der KSV-Experte rät daher, sich so rasch wie möglich für den Schnitt der Insolvenz zu entscheiden: "Denn die Stimmung ist insofern gut, dass man jetzt mit Gläubigern ein gutes Gesprächsklima finden kann, um eine Entschuldung zu machen, um dann neu durchzustarten."