KSV-CEO Vybiral: "Es muss viel mehr in die Zukunft investiert werden"

Der KSV-CEO Ricardo-José Vybiral über die mangelnde Investitionsbereitschaft vieler Unternehmen trotz starker Kapitalbasis.

Ricardo-José Vybiral

Ricardo-José Vybiral ist CEO der KSV1870 Holding AG und Geschäftsführer von Österreichs führendem Gläubigerschutzverband.

trend: Nach der "Austria Business Check"-Umfrage des KSV1870 ist die Stimmung unter den heimischen Betrieben aktuell gut. Wie sieht es mit ihrer Kapitalstärke aus?
Ricardo-José Vybiral: Mehr als 50 Prozent der Unternehmer geben an, dass ihre Eigenkapitalausstattung gut ist. Wir haben diese Angaben mit den Echtzahlen unserer Wirtschaftsdatenbank verglichen. Und hier sieht man, dass sich in der Corona-Phase die durchschnittliche Eigenkapitalquote noch einmal erhöht hat. Im Jahr 2018 lag sie bei 48,09, und 2021 ist sie auf fast 50 Prozent gestiegen. Das heißt, sie hat sich in dieser Zeit um fast zwei Prozentpunkte erhöht. Hier haben wir Unternehmen analysiert, die eine positive Eigenkapitalquote und eine Bilanzsumme von mindestens 100.000 Euro vorweisen.

Die heimischen Betriebe haben also von der Corona-Krise profitiert?
Ein Drittel der Unternehmer hat selbst gesagt, dass es die Unterstützungen nicht in Anspruch hätten nehmen müssen. Wir gehen davon aus, dass jedes zweite Unternehmen in Österreich die Hilfe nicht benötigt hätte. Das ist aber kein Kritikpunkt. Jeder Unternehmer hat die handelsrechtliche Verpflichtung, auf das Unternehmenswohl zu achten. Die österreichischen Unternehmer haben die Hilfe genutzt.

Dann könnten sie ja ihre gute Kapitalbasis jetzt für Investitionen nutzen?
Die großen Industriebetriebe investieren natürlich langfristig. Aber der breite Mittelstand, die KMU, ist eher verhalten. Man bleibt hier lieber vorsichtig, weil es derzeit multilaterale Krisen gibt. Inflation, Ukraine, Energiekosten oder die Situation bei den Arbeitskräften, die viele ja auch im Wirtschaftswachstum bremst. Rund 60 Prozent der Unternehmen sind aktuell vom Arbeitskräftemangel betroffen und suchen händeringend nach Mitarbeitern. Daher beschäftigen sie sich aktuell nicht so stark mit den Zukunftsthemen.

Die da wären?
Die Zukunftsthemen sind vielfältig. Zum Beispiel die Suche nach neuen Geschäftsmodellen oder Digitalisierung. Die meisten Unternehmen investieren nur in Infrastruktur, um - überspitzt ausgedrückt - vernünftige Videocalls machen zu können. Aber die Überlegungen, das Customer Service zu intensivieren, neue Geschäftsfelder anzudenken oder neue Märkte zu erobern, sind eher verhalten. Es wird lieber das Geld zusammengehalten, als in die Zukunft zu investieren.

Das ist doch manchmal gar nicht schlecht?
Ja, aber es bremst eine Entwicklung, die wir dringend brauchen. Ganz offensichtlich ist es etwa im Bereich Cybersicherheit. Damit beschäftigt sich nur jedes fünfte Unternehmen in Österreich. Das ist erschreckend. Viele Unternehmen glauben, dass sie das nicht betrifft. Doch sie irren sich.

Stehen nicht eher große Unternehmen im Fadenkreuz von Cyberattacken?
Viele kleine Unternehmen beliefern Hersteller von kritischer Infrastruktur, Energielieferanten oder Banken beispielsweise. Und diese kritischen Infrastrukturunternehmen benötigen bis Herbst 2024 einen Nachweis, dass ihre Lieferanten auch cybersicher sind. Hier wird etwas in den Hintergrund geschoben, das vehement in den Vordergrund gehört.

Womit sollten sich mittelständische Betriebe noch befassen?
Der nächste Punkt ist ESG. Große Unternehmen beschäftigen sich schon lange intensiv damit. Aber kleinere Unternehmen eher weniger, obwohl hier auch schon laut die Uhr tickt. Viele müssen nämlich bis 2026 ein eigenes Nachhaltigkeitsreporting vorweisen können. Das wird auch beträchtlich die Kreditvergabe der Banken beeinflussen. Und natürlich brauchen sie diese Nachweise auch, damit sie von großen Unternehmen weiter als Lieferanten akzeptiert werden. Da muss viel mehr Augenmerk daraufgelegt werden.

Warum wird von KMU so wenig investiert?
Viele substanzstarke österreichische Unternehmen betreiben ein starkes Cash-Cowing. Bestehende Infrastruktur, bestehende Geschäftsmodelle werden so lange genutzt, solange sie noch etwas abwerfen. Mein Appell geht aber dahin, sich viel mehr auf die Zukunft zu fokussieren. Man muss sich auf einen neuen Wettbewerb, auf neue Rahmenbedingungen vorbereiten. Die Internationalisierung muss vorangetrieben werden. Da sind ganz viele Hausaufgaben zu erledigen.

Oft wirkt das hohe Zinsniveau dämpfend.
Auch wenn die Zinsen jetzt höher sind, ist bei vielen KMU eine starke Kapitalbasis gegeben, und man könnte mehr machen. Bei rund 200.000 Substanzunternehmen in Österreich gibt es genug Kapital für Investitionen in die Zukunft.



Das Interview ist der trend. edition+ Ausgabe Juni 2023 entnommen.

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