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Exzessive Konsumenten erstmals Nummer 1 bei Privatkonkursen [UMFRAGE]

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Exzessive Konsumenten erstmals Nummer 1 bei Privatkonkursen [UMFRAGE]
Konsumrausch in den Privatkonkurs: Mehr Geld auszugeben, als verfügbar zu haben ist fatal.©iStock
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Nicht die Corona-Krise, sondern der überbordender Konsum ist der Hauptgrund für Privatkonkurse. Ehemalige Selbständige sind nunmehr auf Rang 2. Der KSV1870 stemmt sich gegen die Herabsetzung bei der Entschuldungsdauer bei Privatpersonen. trend.at fragt, was die Leser meinen.

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Wien. Auf der Regierungsbank sowie im Parlament ist man noch uneins zur Insolvenzrechtsnovelle, mit der unter anderem die Entschuldungsdauer der Privatpleitiers neu geregelt werden soll. Konsumentenschützer fordern eine erneute Herabsetzung dieser Frist von fünf auf drei Jahre. Gläubigerschutzvertreter wie der KSV1870 stemmen sich dagegen. Bei der letzten Insolvenzrechtsnovelle im Jahr 2018 wurde bereits der Entschuldungszeitraum von sieben auf fünf Jahre herabgesetzt.

Just in dem Moment präsentiert der Gläubigerschutzverband KSV1870 jüngste Zahlen zu den Privatinsolvenzen. Tendenz fallend. Mit 7300 Schuldenregulierungsverfahren für Privatpersonen wurde im abgelaufenen Jahr 2020 um 23 Prozent weniger Fälle eröffnet als noch im Vorjahr. Die Schulden aller Privatpleitiers zusammen belief sich im Vorjahr auf über 1,1 Milliarden Euro. Im Jahr 2010 hatten in Österreich die zahlungsunfähigen Personen insgesamt 1,4 Milliarden Euro angeschrieben.

Der Rückgang ist allerdings paradox. Denn die Zahlen täuschen über die tatsächlich in Schieflage geratenen Privatpersonen hinweg. Die Dunkelziffer zahlungsunfähiger Personen dürfte wesentlich höher sein, als es die Zahlen derzeit hergeben. Denn Corona-bedingt wurden im Jahr 2020 weniger Schuldenregulierungsverfahren eingeleitet als noch 2019.

Hochkonjunktur treibt Konsumwahn an

Ein Novum gibt es am Spitzenplatz der Privatpleiten: Erstmals stärkste Gruppe der Privatpleitiers sind Konsumschuldner (29,4 Prozent), die ihre eigene Leistungskraft überschätzen ( 20 Prozent) sowie mit Geld nicht umgehen können (8,4 Prozent), Spekulation und unrechtmäßige Kreditaufnahme sind bei Konsumenten mit jeweils 0,4 Prozent eher eine kleine Gruppe. Bisher stellten ehemalige Selbständige zahlenmäßig die meisten Privatpleitiers. Sie liegen nun im Ranking der Privatkonkurse mit 28,4 Prozent auf Rang zwei.

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k.A

© KSV1870

Auf Rang drei folgen die Gruppe, die mit "Einkommensreduktion" (17,4 Prozent) zu kämpfen haben, vor allem infolge von Arbeitslosigkeit. Personen "in Lebenskrisen" (11,6 Prozent) sind im Ranking wie bisher auf Rang vier. Die Gruppe der Glücksspieler, Drogenkonsumenten und sonstigen Problemen kommt auf Rang fünf (8,6 Prozent) Personen, die aufgrund von Haftungsübernahmen, Unterhaltspflichten, Pflege von Angehörigen, Schwangerschaft und Karenz überschuldet sind, stellen die kleinste Gruppe der Privatkonkurse mit 4,6 Prozent.

Vor allem in Zeiten der Hochkonjunktur werden Konsumschulden für viele Menschen leichtfertig in Kauf genommen, und das kann zur persönlichen Finanzfalle werden. Allerdings sei die Privatpleite nicht das Ergebnis eines einzigen Ereignisses, bekräftigt Karl-Heinz Götze, Leiter KSV1870 Insolvenz: "Ein Privatkonkurs entsteht im Regelfall nicht aufgrund eines singulären Ereignisses, sondern ist das Ergebnis einer längeren Phase der Verschuldung. Und sie tritt vor allem dann auf, wenn es den Menschen gut geht und Konjunktur herrscht."

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Um es nicht erst soweit kommen zu lassen, empfiehlt der KSV1870 den betroffenen Privatschuldnern, rechtzeitig die finanzielle Lage zu analysieren, um nicht noch weiter in den den Strudel ausufernder Kosten zu geraten. Dabei sei der professionelle Blick von außen oft hilfreich, um rasch die finanziellen Verhältnisse zu ordnen. „Sollten aber die Kosten längerfristig die Einnahmen übersteigen, dann raten wir dazu, frühzeitig eine professionelle Schuldnerberatung zu konsultieren. Oft braucht es den Blick von außen, um richtige Maßnahmen zu setzen", meint KSV-Insolvenz-Chef Götze.

Anstieg der Privatpleiten

Für das Jahr 2021 rechnet der KSV bei den Privatkonkursen wieder um einen Anstieg auf das Niveau von 2019.

Von 7.300 Privatkursen im Jahr 2020 wird sich demnach laut KSV-Prognose die Zahl der überschuldeten Privatpersonen wieder auf über 9.400 Fälle erhöhen.

Keine Förderung

Trotz weiterem Anstieg der Privatpleiten, unter anderem auch infolge der Corona-Krise, wegen Arbeitslosigkeit und Einkommensverlusten, fordert der KSV vom Gesetzgeber, den Entschuldungszeitraum bei Privatschuldnern nicht weiter zu reduzieren.

Erst im Jahr 2017 wurde die Entschuldungsdauer von sieben auf fünf Jahre verkürzt und gleichzeitig auch die Mindestquote von 10 Prozent gestrichen. Eine neuerliche Verkürzung würde laut KSV das finanzielle Loch der Konsumenten noch weiter auf die Unternehmen verlagern. Die Last der Privatschuldner auf die Unternehmen zu übertragen, sei - so die Argumentation der Gläubigerschützer - in wirtschaftlich schwierigen Zeiten wie in der Corona-Krise keinesfalls zu rechtfertigen. "Eine nochmalige Verkürzung der Entschuldungsdauer ist ein Angriff auf die Eigenverantwortung der Konsumenten und suggeriert ihnen, dass Schulden relativ leicht los zu werden sind", argumentiert Götze, „wir stehen einer neuerlichen Verkürzung der Entschuldungsdauer für Privatpersonen sehr kritisch gegenüber."

Anders hingegen ist die Position hinsichtlich der Entschuldung von Unternehmen. Der KSV1870 plädiert seit vielen Jahren dafür, Unternehmer schneller zu entschulden. Eine erneute Änderung des Insolvenzgesetzes sei jedenfalls nicht zielführend. "Es können noch nicht einmal die Auswirkungen der Gesetzesänderung aus dem Jahr 2017 abschließend beurteilt werden“, erklärt Götze. Erst im Jahr 2022 würden die ersten Verfahren zur fünfjährigen Entschuldung abgeschlossen. Götze: "Schon jetzt lässt sich sagen, dass aufgrund der abgeschafften Mindestquote die durchschnittliche Rückzahlungsquote weit unter 10 Prozent liegt." Bei einer neuerlichen Verkürzung würden viele Schuldner keinen Antrieb mehr haben, überhaupt Zahlungspläne anzubieten.

Die Zahlungspläne

Anders ist das Zahlungsverhalten bei vereinbarten Zahlungsplänen zwischen Gläubigern und Schuldnern. In rund 70 Prozent der Privatkonkurse werden derzeit Zahlungspläne vereinbart. Die Rückzahlungsquote der Schulden beläuft sich dabei im Schnitt bei 27 Prozent. Für den KSV ist das Argument genug, denn "die Schuldner sind in der Lage diesen Prozentsatz zu bezahlen." Und zwar nicht über drei, sondern fünf Jahre.

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