Bundeswettbewerbsbehörde nimmt Verkauf Kika/Leiner unter die Lupe
Das Sanierungsverfahren ist eröffnet, der Insolvenzverwalter ernannt, Betriebsversammlungen in Kika/Leiner-Filialen sind gestartet. Der Insolvenzentgeltfonds rechnet mit Zahlungen von 60 Millionen Euro. 2019 hatte die Kika-Immobilien-Tochter noch 244 Millionen Euro an Rene Benkos Signa-Gruppe ausgeschüttet.
Wien/St. Pölten. Das angekündigte Sanierungsverfahren ohne Eigenverwaltung bei der Möbelkette Kika/Leiner ist Dienstagfrüh am Landesgericht St. Pölten eröffnet worden. Zum Insolvenzverwalter wurde der St. Pöltner Rechtsanwalt Volker Leitner bestellt, teilten die Kreditschützer AKV, Creditreform und KSV mit. Der überraschende Verkauf der Möbelkette Anfang Juni durch die Signa Retail Gruppe des Tiroler Investors Rene Benko hat auch bei den heimischen Wettbewerbshütern für Interesse gesorgt.
"Die BWB hat bis dato noch keine Anmeldung erhalten. Nach wie vor beobachten wir aber den Vorgang und würden bei Auffälligkeiten entsprechende Maßnahmen ergreifen", hieß es von der Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) auf APA-Anfrage.
Mit der Eröffnung des Sanierungsverfahrens beginnt auch die Arbeit für den Insolvenzentgeltfonds (IEF) in der Causa Kika/Leiner. Schlittert ein Unternehmen in die Insolvenz, springt in Österreich der öffentliche IEF ein und bezahlt für eine gewisse Zeit offene Löhne, Gehälter, Beendigungsansprüche und Abfertigungen. IEF-Geschäftsführer Wolfgang Pfabigan rechnet gegenüber dem "Kurier" (Dienstagsausgabe) mit insgesamt rund 60 Mio. Euro, die der Insolvenzentgeltfonds aufgrund der Kika/Leiner-Insolvenz auszahlen wird. Der IEF kann die Kosten aber stemmen. "Im Fonds befinden sich derzeit ca. 600 Millionen Euro", hieß es vom Arbeitsministerium zur APA.
Den größten Teil der IEF-Finanzierung machen die Beiträge der Arbeitgeber aus. Dabei handelt es sich um einen prozentuellen Zuschlag zum Arbeitslosenversicherungsbeitrag - den Insolvenz-Entgeltsicherungsbeitrag (IESG-Beitrag). Der Beitragssatz betrug im Jahr 2015 noch 0,45 Prozent vom Bruttolohn und wurde per 1. Jänner 2016 auf 0,35 Prozent gesenkt. Weitere Beitragssenkungen folgten, Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) halbierte den Satz per 1.1.2022 von 0,2 auf 0,1 Prozent. "Es ist aus derzeitiger Sicht nicht davon auszugehen, dass kürzlich umgesetzte Beitragssenkungen wieder revidiert werden", so das Arbeitsministerium.
Die von der Insolvenz betroffenen Arbeitnehmer warten auf Details zur Restrukturierung: Von 13. Juni bis zum 19. Juni sind Betriebsversammlungen an allen Filialstandorten von Kika/Leiner in ganz Österreich geplant. Die Arbeiterkammer, die Gewerkschaft GPA und der Insolvenzschutzverband für Arbeitnehmer:innen (ISA) wollen dort über die Wahrung der Ansprüche (u.a. laufendes Entgelt, Sonderzahlungen) informieren.
Gläubiger sollen auf 80 Prozent ihrer Forderungen verzichten
Den Kika/Leiner-Gläubigern wird eine Quote von 20 Prozent zahlbar innerhalb von zwei Jahren angeboten. Gläubiger können ihre Forderungen bei Gericht bis zum 8. August anmelden. Die erste Gläubigerversammlung ist für den 21. August angesetzt, die Abstimmung über den Sanierungsplan soll am 25. September stattfinden. Gleichzeitig mit der Eröffnung wurde ein Gläubigerausschuss bestellt, der laut AKV den Eintritt des Verwalters in die offenen Verträge sowie die Schließung der 23 Filialen prüfen wird. "Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Sanierungsbestrebungen tatsächlich aufrechterhalten werden können", erklärte die KSV1870-Insolvenzexpertin Brigitte Dostal in einer Aussendung.
Die unbesicherten Gläubigerforderungen (Passiva) der Möbelkette belaufen sich laut Kreditschützern auf 132 Millionen Euro. In den vorläufig geschätzten Passiva sind folgende Verbindlichkeiten enthalten: 40 Mio. Euro an Lieferantenforderungen, welche jedoch teilweise von einer Versicherung, abgedeckt werden sollen und 42 Mio. Euro an öffentlichen Abgaben und Beiträgen sowie Dienstnehmerforderungen einschließlich der Beendigungsansprüche aus den aufzulösenden Dienstverhältnissen.
In den angeführten Passiva sind laut KSV die Gutscheinforderungen sowie von den Kunden geleisteten Anzahlungen nicht enthalten. Die Forderungen der Gutscheingläubiger sowie die bereits von Kunden geleisteten Anzahlungen sind laut Unternehmensangaben gesichert und eine Anmeldung ist daher nicht notwendig, zitieren die Kreditschützer aus dem Insolvenzantrag. Zum Vermögen (Aktiva) machte die Möbelkette keine Angaben.
Gescheiterte Sanierung unter Rene Benkos
Signa-Miteigentümer Rene Benko hat laut seinem Sprecher ab der Übernahme 2018 die Sanierung von Kika und Leiner versucht, gelungen ist das aber nicht. Jedes Jahr brachte weitere Verluste, der Bilanzverlust von Kika und Leiner zusammen stieg von 34 Mio. Euro vor der Übernahme (2017), auf 190 Mio. Euro im September 2021. 2022 wurden Kika und Leiner rückwirkend per Bilanz 2021 zu einer Gesellschaft verschmolzen. Das war vor allem für Kika wichtig, zeigen die Bilanzzahlen.
Wolfgang Peschorn, Chef der Finanzprokuratur, hatte in der "ZiB2" (Montag) die rückwirkende Verschmelzung der beiden Unternehmen als "auffällig" bezeichnet und die Vermutung geäußert, die Verschmelzung könnte erfolgt sein, "damit ein Unternehmen noch eine Bilanz erstellen kann".
Während Leiner 2021 noch ausreichend finanziert war, mit 35 Mio. Euro Stammkapital und 102 Mio. Euro nicht gebundene Kapitalrücklagen bei einem Bilanzverlust von 84 Mio. Euro, war Kika rein von den Finanzzahlen her bereits überschuldet: 1,45 Mio. Euro Stammkapital und 96,8 Mio. Euro nicht gebundene Kapitalrücklagen standen einem Bilanzverlust von 106 Mio. Euro gegenüber. In der im Firmenbuch (Wirtschafts-Compass) hinterlegten Bilanz heißt es, eine "Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts" liege trotzdem nicht vor, da eine langfristige positive Planung vorliege und die Gesellschafter verbindlich erklärt hätten, die Finanzierung mit bis zu 25 Mio. Euro zu sichern, bis die insolvenzrechtliche Überschuldung beseitigt ist. Der bisherige Eigentümer Signa entschied sich dann, die Unternehmen rückwirkend zu verschmelzen.
Das dürfte ausreichen, um die Bilanz 2021 darzustellen. Für dieses Jahr stehen laut getrennten Bilanzen ein gemeinsames Kapital von 235 Mio. Euro einem Bilanzverlust von 190 Mio. Euro gegenüber. Allerdings geht laut AKV aus dem Insolvenzantrag hervor, dass die verschmolzene Kika/Leiner-Gesellschaft 2022 weitere 47 Mio. Euro Verlust angehäuft hat. Damit steht im Raum, dass der gesamte Bilanzverlust 2022 etwa 240 Mio. Euro beträgt. Das würde das Kapital von 2021 übersteigen.
Von Signa gab es vorerst auf Anfrage der APA keine Stellungnahme zu den Bilanzzahlen von Kika und Leiner aus der Signa-Zeit.
Rene Benko und seine Signa-Gruppe wurden noch 2017 von Ex-Kanzler Sebastian Kurz und seinem damaligen FPÖ-Vize-Kanzler H.C. Strache als Retter geholt. Kurz und Strache feierten sich selbst mit der "österreichischen Lösung" 5000 Arbeitsplätze gerettet zu haben. Derzeit hat die Möbelkette noch 3900 Mitarbeiter, von denen aber wie in der Vorwoche angekündigt 1900 gekündigt werden.
244 Millionen Euro Ausschüttung an Signa-Gruppe
Für die Nachverfolgung der Geschäftslage von Kika und Leiner sind aber auch die Bilanzen der Kika Immobilien GmbH und der Leiner Immobilien GmbH von Interesse. In diesen sind die Immobilien gebündelt, in denen die Handelsunternehmen unter Bezahlung von Miete ihr Geschäft betreiben. Benko übernahm die beiden Immobilien GmbHs 2018 gleichzeitig mit den Möbelunternehmen. Noch 2018 wurden in beiden Unternehmen neue Mietverträge abgeschlossen, "um die Ertragslage (der Immobiliengesellschaft, Anm.) auf gutem Niveau zu halten". Sie haben eine Laufzeit von 15 Jahren.
2019 ließ sich die Signa-Gruppe von der Kika Immobilien 244 Mio. Euro ausschütten. Dadurch verringerte sich die Eigenkapitalquote von 92,7 Prozent auf 29,8 Prozent. Bei der Leiner Immobilien GmbH ließ sich Signa den Bilanzgewinn von 46,5 Mio. Euro zur Gänze ausschütten. Ganze 63,63 Euro blieben stehen. Die Kapitalquote sank dadurch von 70,2 auf 54,5 Prozent. Beide Immobilienfirmen machten aber von 2019 bis 2021 gute Gewinne mit den Mieteinnahmen, sodass sich bei Kika Immobilien bis 2021 gut 60 Mio. Bilanzgewinn zusammenkamen, bei Leiner Immobilien waren es 6,6 Mio. Euro.