
Karl Wlaschek, Hans F. Reisch und Hans Dujsik
©Wolfgang Hauptmann/Trend, picturedesk.com/brandstaetter images/Nora Schuster,Die 55 trend-Legenden (IX): Wie Karl Wlaschek, Hans F. Reisch und Hans Dujsik Einkaufen in Österreich auf ihre eigene Art umwälzten.
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Österreichs Handelslandschaft – ein Spiegel der österreichischen Seele, würde Erwin Ringel wohl diagnostizieren: Die neurotische Hassliebe zu den Supermärkten, zwischen Rabatteuphorie und Inflationsdepression, gespeist aus dem traditionellen Gefälle zwischen West und Ost, Stadt und Land. Die Schlitzohrigkeit auf Käufer- wie auf Verkäuferseite, die regelmäßig mit den alemannischen Tugenden Direktheit, Rechtschaffenheit und Sauberkeit kollidiert. Und die drei Legenden, die den größten Anteil an dieser Gemengelage haben.
Auf der einen Seite der Ur-Sparianer Hans F. Reisch, Tiroler, der 1954 als Großhändler an die 100 Kaufleute zusammentrommelte und die erste unter Spar firmierende Handelskette Österreichs gründete. Eine „Gemeinsam sind wir stärker“-Idee, sozialromantisch, knallhart umgesetzt. Die Kaufleute blieben selbstständig, legten aber Einkauf und Marketing unter einer Dachmarke zusammen.
Das Spar-Modell aus dem Westen wurde rasch kopiert, etwa von den Poppmeiers aus der Steiermark oder den Drexels aus Vorarlberg, 1970 fusionierte Spar österreichweit. Und ein Drexel war es dann auch, der in einer hartnäckigen Aufholjagd, Scharmützel mit den Wettbewerbsbehörden inklusive, den führenden Mitbewerber Rewe 2022 von der Spitze im Markt verdrängen sollte.
Die andere Seite der Handelsseele lässt sich auf das zeitgleiche, aber weit lässigere Gegenmodell aus dem Osten zurückführen: die Erfolgsgeschichte des Karl Wlaschek. Der Ex-Pianist in Wiener Nachtclubs („Charlie Walker“), Lebemann, der ja mit einer kleinen Parfümerie startete, aber mit Gespür für Kundenbedürfnisse und einem Billigladen (Bil-La) das Konzept der Selbstbedienung umsetzte, als Kaufleute anderswo die Semmelbrösel noch portionsweise abwogen.
Sein Führungsstil war das Gegenkonzept der Sparianer, zentralistisch, autoritär, pragmatisch. Doch Wien und die Städter liebten das neue Denken, Billa wurde zur größten Supermarktkette im Land. Als Wlaschek 1996 keine Nachfolge sah und der internationale Druck wuchs, verkaufte er zum Schrecken Österreichs an die deutsche Rewe-Gruppe. Für ihn ein cleverer Schachzug: Fortan im Immobilien unterwegs, wurde er einer der reichsten Männer des Landes, was ihm als ersten trend „Mann des Jahres“ (1980) den Titel 1997 ein zweites Mal einbrachte.
Der Flächenwettbewerb zwischen den beiden Platzhirschen prägte jedenfalls die Branche, und zwar so intensiv, dass sich selbst die sonst boomenden Diskonter schwertaten und im Vergleich etwa zu Deutschland weit weniger bestimmend blieben. Andere Anbieter wie etwa Konsum, Meinl & Co. wurden dazwischen gar aufgerieben.
Die jetzige Gemütslage im Handel freilich lässt sich nur mit einer weiteren schillernden Legende erklären, Hans Dujsik, Textilfabrikant und „Der Pokerspieler“, wie der trend in einer großen Story 1977 titelte, der sich damals nicht unriskante Frage stellte: Warum soll Einkaufen nur Versorgung sein? Ein Jahr zuvor hatte er nämlich in Vösendorf die Shopping City Süd (SCS) eröffnet, den amerikanischen Traum eines Shoppingcenters am Wiener Stadtrand.
Der „Konsumtempel“, wie manche schimpften, mit 330 Shops, Gastronomie und Entertainment wurde zu einer Geldmaschine, die nicht nur Dujsiks Risiko mehr als belohnte, sondern die Standortgemeinde auch zur reichsten Österreichs machte.
Spätestens ab da war Einkaufen in Österreich auch ein kleiner Ausflug, Freizeitbeschäftigung, regelmäßige Staus an Zufahrtsstraßen und Kassenzonen inklusive. Während Spar auf Kooperation und Billa auf Effizienz setzte, wollte Dujsik Atmosphäre, Erlebnis, Destination. Bis heute ist die SCS eines der größten Einkaufszentren Europas und lieferte auch die Blaupause für das spätere Engagement von Spar im Shoppingcentergeschäft.
Die drei Unternehmer formten, was Österreichs Handel heute ist: ein Mix aus regional verwurzelten Kaufleuten, urbanen Supermärkten und großflächigen Shoppingdestinationen. Ohne Reisch gäbe es keine starke Spar. Ohne Wlaschek hätte Österreich nie so früh Diskont und Selbstbedienung erlebt. Ohne Dujsik würde Shopping wohl bis heute nicht den Anspruch einer kurzen Auszeit vom Alltag stellen, geliebt und gescholten gleichzeitig.
55 Jahre trend
2025 feiert der trend sein 55-jähriges Bestehen. In den kommenden Wochen geben wir Ihnen Einblicke in 55 Jahre Wirtschaftsgeschichte und stellen 55 Legenden vor, die der trend in den letzten Jahrzehnten begleitet hat. Hier gelangen Sie zu den bereits erschienenen Porträts.
