
Glasfasernetz. Hohe Tiefbaukosten und lange Genehmigungen bremsen den Ausbau: Österreich verliert beim Glasfasernetz an Tempo.
©FOTO: ISTOCKPHOTOHohe Kosten, lange Verfahren und wachsende Regulierung bremsen den Ausbau moderner Netze. Gleichzeitig will Österreich bei digitaler Souveränität und KI zum europäischen Vorreiter werden. Eine Gratwanderung mit Folgen für den Standort.
Österreich steht an einem digitalen Wendepunkt. Während die Glasfaserquote steigt und 5G nahezu flächendeckend verfügbar ist, warnt die Telekombranche zunehmend vor einer gefährlichen Schere: Der Bedarf an leistungsfähiger Infrastruktur wächst schneller, als Investitionen Schritt halten können. Hohe Baukosten, langwierige Genehmigungen und zunehmende regulatorische Unsicherheiten bremsen Projekte aus – ein Trend, der laut Branchenanalysen sogar in einen Investitionsstopp münden könnte. Für einen Wirtschaftsstandort, der immer stärker von digitaler Leistungsfähigkeit abhängt, wäre das ein riskanter Stillstand.
Dabei zählt die Telekommunikation zu den investitionsintensivsten Branchen Österreichs. Telekommunikationsausbau und Modernisierung erzeugen jährlich rund 782 Millionen Euro zusätzliche Wertschöpfung, sichern fast 6.000 Arbeitsplätze und leisten über 230 Millionen Euro an Steuern und Abgaben. Gleichzeitig bleibt der strukturelle Druck hoch: Rund 70 Prozent der Glasfaserkosten entfallen auf den Tiefbau. Unkoordinierte Grabungen und lange Verfahren verteuern jedes Projekt zusätzlich. Die Branche fordert deshalb einen „Tiefbauatlas“, der Infrastrukturausbauten besser koordiniert und Synergien hebt. Auch die weiterhin üblichen Frequenzauktionen binden hohe Summen, die andernorts für den Ausbau fehlten.
Wie widersprüchlich das regulatorische Umfeld wirkt, bringt Thomas Arnoldner, Deputy CEO der A1 Telekom Austria Group, auf den Punkt: „Wir haben eine paradoxe Situation in Österreich: Jene, die am meisten Wertschöpfung schaffen – Glasfaserausbauer und Mobilfunkbetreiber –, werden am stärksten reguliert. Wer keine Infrastruktur betreibt und sich in fremde Netze einmietet, wird kaum reguliert. Und globale Techgiganten, die keine Steuern zahlen und nichts in den Standort investieren, entziehen sich jeglicher Regulierung. Das entbehrt jeder Logik.“
Die Bundesregierung hat die Problemlage erkannt und mehrere Reformansätze formuliert – von beschleunigten Genehmigungen über eine Neuausrichtung der Breitbandförderung bis hin zu Maßnahmen, die Österreich im europäischen Vergleich wieder wettbewerbsfähiger machen sollen. Denn der Anspruch bleibt hoch: Bis 2030 soll das Land flächendeckend gigabitfähig sein.
Neue Rolle. Parallel dazu verschieben geopolitische und technologische Entwicklungen die Rolle von Telekomunternehmen. Digitalisierung bedeutet längst mehr als Konnektivität: Datenräume, Cloud-Dienste, Cybersecurity und künstliche Intelligenz werden zu strategischen Voraussetzungen für Wirtschaft und Verwaltung. Und Österreich positioniert sich in diesem Umfeld zunehmend aktiv: Mit der Initiative für die „Deklaration für Europäische Digitale Souveränität“ und dem Digital-Austria-Gesetz 2.0 hat die Regierung deutlich gemacht, dass digitale Unabhängigkeit ein zentraler Standortfaktor der Zukunft sein soll. Europäische Clouds, Open-Source-Lösungen und Souveränitätskriterien für Vergaben gewinnen damit an Bedeutung.
Für Anbieter wie A1 bedeutet das eine Erweiterung ihrer Rolle. Neben Netzen und Rechenzentren geht es zunehmend um Plattformen und Services, die Datensouveränität, Cyberresilienz und Compliance sicherstellen. Besonders dynamisch entwickelt sich der Bereich künstliche Intelligenz. KI-gestützte Systeme automatisieren Routineprozesse, verkürzen Entscheidungswege und schaffen neue Formen digitaler Dienstleistungen. Der nächste Schritt dieser Entwicklung heißt „Service-as-Software“: individuell trainierbare KI-Agenten, die nicht nur Funktionen liefern, sondern konkrete Ergebnisse – von automatisierten Verwaltungsverfahren bis zu Assistenzsystemen im Gesundheitswesen oder im Finanzsektor.
Damit steigt der Anspruch an die zugrunde liegenden Infrastrukturen. Moderne Rechenzentren, leistungsfähige Cloud-Plattformen und ein klarer regulatorischer Rahmen werden zur Voraussetzung, um Innovation sicher und skalierbar einsetzen zu können. Österreich hat hier die Chance, technologische und politische Weichenstellungen zu verbinden: leistungsfähige Infrastruktur, europäische Datenräume und KI-Kompetenz als gemeinsamer Standortvorteil.
Fest steht: Die digitale Transformation wird sich weiter beschleunigen. Unternehmen wie auch die öffentliche Hand stehen vor der Aufgabe, Prozesse neu zu denken, Daten verantwortungsvoll zu nutzen und Innovation gezielt einzusetzen. Die kommenden Jahre werden entscheiden, wie gut Österreich diese Entwicklung für seine Wettbewerbsfähigkeit nutzen kann.
Österreich im europäischen Vergleich
Regulatorik und Ausbaugeschwindigkeit
Gemischtes Bild. Im europäischen Vergleich zeigt Österreich ein gemischtes Bild: Bei 5G zählt das Land zur Spitzengruppe, beim Glasfaserausbau jedoch zu den Nachzüglern. Während Staaten wie Spanien, Frankreich oder Schweden bereits hohe Abdeckungswerte erreicht haben, liegt Österreich deutlich darunter – und vor allem die Nutzung der Anschlüsse bleibt mit rund 20 Prozent gering. Ein wesentlicher Grund dafür sind strukturelle Hürden im Ausbau: Tiefbau zählt in Österreich zu den teuersten in Europa, Genehmigungsverfahren dauern oft bis zu zwei Jahre, und unkoordinierte Aufgrabungen erhöhen die Kosten zusätzlich. Auch regulatorisch unterscheidet sich Österreich von vielen EU-Ländern. Während andere Staaten verstärkt auf Lizenzverlängerungen setzen, um Investitionen zu erleichtern, hält Österreich an kostspieligen Frequenzauktionen fest. Gleichzeitig zeigt das Land bei der digitalen Souveränität überraschend viel Dynamik: Als Initiator der EU-„Deklaration für Europäische Digitale Souveränität“ setzt Österreich verstärkt auf europäische Cloud-Infrastrukturen, Open Source und strengere Kriterien für den Schutz sensibler Daten. Dieses Spannungsfeld prägt die digitale Zukunft des Standorts maßgeblich.