
Roland Prettner: „Es scheint schon so zu sein, dass man langsam anerkennt, dass Politik die Ziele festlegen soll und nicht der Wirtschaft vorschreiben, wie man dorthin kommt – was wir übrigens seit langem sagen“.
©Magna SteyrRoland Prettner, Chef von Magna-Steyr in Graz und neuer Obmann des Fachverbands der Fahrzeugindustrie der WKO, über die KV-Verhandlungen der Metaller, die plötzliche Kehrtwende der EU beim Verbrenner-Aus und die Rolle Chinas beim Hochlauf der E-Mobilität in Österreich.
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Beim KV-Abschluss der Metaller in Rekordzeit und unter der Inflationsrate hat sich die Gewerkschaft offensichtlich Warnungen aus der Industrie zu Herzen genommen. Ist die Lage in Ihrer Branche wirklich so ernst?
Vieles von dem, was wir bisher vereinbart hatten, konnten wir uns in Wirklichkeit nicht leisten. Wir leben über unsere Verhältnisse, haben den Markt komplett ignoriert, zu kurz gedacht, sind über die Jahre zu bequem geworden, das gilt es zu korrigieren. Wir müssen stattdessen davon ausgehen, wie viel wir uns leisten können und wie wir konkurrenzfähig bleiben, dann gibt es Wohlstand. Wenn wir uns hingegen selbst verteuern, sodass wir international nichts mehr verkaufen können, hat niemand etwas davon. Wenn wir denken uns stehe Inflationsausgleich zu, liegen wir falsch. Nur konkurrenzfähige Produkte bezahlen unsere Löhne.
Sie haben einen Lauf: Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen scheint auf Warnungen aus der Fahrzeugindustrie zu hören. Plötzlich scheint das Aus vom Verbrenner-Aus in der EU doch möglich?
Es scheint schon so zu sein, dass man langsam anerkennt, dass Politik die Ziele festlegen soll und nicht der Wirtschaft vorschreiben, wie man dorthin kommt – was wir übrigens seit langem sagen.
Tatsächlich leiden ja auch die Zulieferer unter der schwierigen Lage der Hersteller – und jetzt hat nach VW oder Mercedes auch Stellantis Produktionsstopps angekündigt. Ist da schon eine Talsohle erreicht?
Ob wir schon die Talsohle erreicht haben, ist nicht ganz die richtige Frage. Die Stückzahlen in der Fahrzeugproduktion lagen weltweit vor nicht allzu langer Zeit bei 95 Millionen Stück, jetzt sind wir bei 90 und wir rechnen, dass wir langfristig wieder auf 95 kommen. Es ist ein sehr flacher Markt. Das heißt, in Wirklichkeit sehen wir jetzt für die nächsten fünf Jahre eine Seitwärtsbewegung auf ähnlichem Niveau. Das ist managebar, aber kein Grund für Euphorie.


Volkswagen, Mercedes, jetzt Stellantis: Die Hiobsbotschaften aus der Autoindustrie reißen nicht ab. Die kriselnden Hersteller verzeichnen Gewinneinbrüche, selbst die bisher lukrativsten Marken.
© CAM, trendDer langsame Hochlauf der E-Mobilität mit einem aktuellen Anteil von vielleicht zwei bis drei Prozent am Fahrzeugbestand in Europa konnte den Rückgang offenbar bisher nicht kompensieren.
Ja, China ist der einzige Wachstumsmarkt weltweit, den wir sehen, und chinesische Hersteller werden auch in Europa Marktanteil gewinnen, 10, 15 Prozent. Denn alle wissen, dass sie auch in den Ländern produzieren müssen, in die sie ihre Modelle verkaufen wollen, das hängt einfach am emotionalen Stellenwert von Autos für eine Gesellschaft. Genauso klar ist das den Chinesen: alle, die hier verkaufen wollen sind entschlossen, sind hier auch zu produzieren - und da kommt die österreichische Fahrzeugindustrie ins Spiel.
Magna Steyr selbst hat ja für den Hersteller Xpeng erstmals die Lohnfertigung zweier chinesischer SUV-Modelle in Europa übernommen. Kann das den jahrelangen Rückgang der Produktionszahlen in Graz schon stoppen?
Ich will und kann auf diese Frage nur allgemein antworten: Kooperationen wie mit XPeng sind technologisch interessant, immerhin haben die Chinesen mittlerweile viel Knowhow bei der Elektromobilität aufgebaut und da wollen wir als Industrie dabei sein und streben langfristige Kooperationen an. Am Ende gibt es immer wieder neue Gelegenheit für unseren Industriestandort, um erfolgreich zu sein. Und sosehr uns jede Veränderung triggert, wir müssen sie nur gut für uns nutzen.


Magna Steyr konnte zuletzt einen Auftrag zur Lohnfertigung eines Elektro-SUV des chinesischen Herstellers XPeng an Land ziehen. Ob das den Auftragsrückgang der letzten Jahre kompensieren kann, ist offen.
Auch allgemein gefragt: Welche Standortbedingungen – außer wettbewerbsfähigen Lohnstückkosten – braucht die Fahrzeugindustrie in Österreich noch dazu? Bei Energie etwa?
Ja, darüber müssen wir diskutieren. Bezüglich Energie etwa sind wir natürlich nicht wettbewerbsfähig, im Gegenteil, wir haben eine der höchsten Stromkosten in Europa. Dabei könnten wir von dem hohen Anteil an günstiger erneuerbarer Energie eigentlich profitieren, wenn sich das auch in einem stabilen niedrigen Strompreis niederschlagen würde. Ich weiß nicht, warum das nicht klappt.
Was ist mit Förderungen? In der EU etwa führen sie dazu, dass trotzt Flaute bei den Fahrzeugen neue Produktionskapazitäten errichtet werden, aber eher in den Randlagen?
Europa hat seine Förderpolitik viel zu lange auf eine Stärkung der Regionen hin ausgerichtet, das ist in Zeiten der Stagnation die völlig falsche Politik, denn das führt zu einer quantitativen Ausweitung, stattdessen bräuchten wir nicht mehr, sondern die besten Produktionskapazitäten. Als Folge werden nun etwa Werke in Ungarn gebaut, wo ich mir schon die Frage stelle, wer braucht das, wenn der Fahrzeugmarkt nicht wirklich wächst?