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Protest vor dem Parlament gegen Dinghofer-Symposium

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Vor dem Parlament wurde gegen die FPÖ-Veranstaltung demonstriert
 © APA/APA/AFP/JOE KLAMAR
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Von Protesten begleitet hat am Dienstagabend das Dinghofer-Symposium der FPÖ im Parlament stattgefunden. Zeithistoriker und die anderen Parteien sahen die Veranstaltung, zu der Nationalratspräsident Walter Rosenkranz geladen hat, als posthume Ehrung eines deklarierten Antisemiten. Vor dem Hohen Haus gab es eine Demo von Jugendorganisationen und ein "Protest-Symposium". Rosenkranz sprach am Abend von "Skandalisierung" und ist für weitere Dinghofer-Symposien im Parlament.

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Aus Gedenkkultur sei in letzter Zeit eine "Erregungs-, Skandalisierungs- und Verleumdungsunkultur" geworden, kritisierte er in seinen Eröffnungsworten bei der Veranstaltung zum Thema "Zensur und Ideologisierung - die Freiheit in Gefahr" vor gut hundert Besuchern. Die Kritik von Zeithistorikern um Oliver Rathkolb und Helmut Konrad, die per offenem Brief gegen das "ehrende Erinnern an einen deklarierten Antisemiten und Nationalsozialisten" mobil gemacht und die aktuellen Proteste ausgelöst hatten, konnte Rosenkranz nicht nachvollziehen. Immerhin stehe dessen Name auf einer Gedenktafel am vorderen Portikus und das sei nach der Renovierung des Hauses für Ordnung befunden worden. Enthüllt habe diese übrigens der damalige SPÖ-Nationalratspräsident Heinz Fischer.

Der FPÖ-Abgeordnete und Präsident des Dinghofer-Instituts, Martin Graf, rückte ebenfalls zur Verteidigung Dinghofers aus. Dieser werde aus politischem Interesse ohne Faktengrundlage zum NSDAP-Mitglied abgestempelt, diese Behauptung sei "niederträchtig". Es gebe eine Karteikarte zum Parteianwärter, eine Mitgliedschaftskarte sei aber nie ausgestellt worden und es seien auch keine antisemitischen Aussagen Dinghofers bekannt. Vielmehr sei er nach dem "Anschluss" als OGH-Präsident vorzeitig abgesetzt und sein Familienbesitz durch Nationalsozialisten enteignet worden. Seine Zustimmung zum Anschluss an Deutschland sei damals politischer "Mainstream" gewesen, überhaupt sei er vom "Typus der politischen Mitte" gewesen. Sein Institut werde den "Diffamierungen des politischen Erbes" Dinghofers jedenfalls entschieden entgegentreten, so Graf.

Rosenkranz kündigte unterdessen schon jetzt an, trotz der Kritik das Dinghofer-Symposium im Parlament auch im kommenden Jahr nicht zu untersagen. Er verbiete als Präsident generell keine Veranstaltungen; nicht einmal solche, wo er persönlich angegriffen werde. Und die Einladung sei auch schon in den vergangenen zehn Jahren durch die von der FPÖ gestellten dritten Nationalratspräsidenten gekommen, ohne dass es für Aufruhr gesorgt habe.

Der FPÖ-Abgeordnete Gerhard Kaniak hatte davor in seiner Moderation über das diesjährige "Rahmenprogramm" zum Symposium durch die von der Jüdischen Österreichischen Hochschüler:innen (JöH) organisierten Proteste vor und des Grünen-Abgeordneten Lukas Hammer vor dem Veranstaltungssaal im Hohen Haus gewitzelt. Die freie Meinungsäußerung sei oft gerade durch jene in Gefahr, die sie angeblich verteidigen würden. Thema des Vortrags beim diesjährigen Symposium war übrigens "Die Freiheit als Grundlage einer jeden Gesellschaft von der Antike bis heute", Redner war der emeritierte Dekan der Salzburger Rechtsfakultät J. Michael Rainer.

Der großdeutsche Politiker Franz Dinghofer (1873-1956) war von 1907 bis 1918 Linzer Bürgermeister, später war er Vizekanzler, Dritter Nationalratspräsident und bis 1938 Präsident des Obersten Gerichtshofs. Laut Auskunft des Bundesarchivs in Berlin war Dinghofer NSDAP-Mitglied. Er habe sich 1940 um die Aufnahme in die NSDAP bemüht, diese sei ihm bereits nach zweieinhalb Monaten gewährt worden. In der Nachkriegszeit wurde er einfaches Mitglied des VdU, der Vorgängerorganisation der FPÖ.

Das nach Dinghofer benannte Symposium wird von der FPÖ seit 2010 im Parlament und im vom Parlament genutzten Palais Epstein veranstaltet, um der Gründung der Ersten Republik zu gedenken. Proteste gegen die Veranstaltung gibt es nicht zum ersten Mal, 2018 wurde sie nach Kritik an der geplanten Verleihung eines Medienpreises für die Herausgeber des rechten Blatts "Zur Zeit" abgesagt.

In diesem Jahr hatten sich nach dem Historiker-Brief ÖVP, SPÖ, NEOS und Grüne der Kritik angeschlossen. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, Oskar Deutsch, rief Rosenkranz am Montag dazu auf, die Veranstaltung abzusagen. Die FPÖ ortete hingegen eine "Rufmordkampagne", Rosenkranz hatte bereits im Ö1-"Morgenjournal" gefordert, man solle "bei allen Schattenseiten" Dinghofers auch die guten Seiten sehen. Am Abend war von Schattenseiten indes keine Rede mehr.

Vor dem Hohen Haus fand parallel zur FPÖ-Veranstaltung ein "Protest-Symposium" der Jüdischen Österreichischen Hochschüler:innen (JöH) unter dem Titel "Gegen Geschichtsvergessenheit und Nazi-Ehrung im Parlament" statt. Vor der Rampe waren weiße Sessel aufgebaut, angekündigt waren Reden unter anderem vom Vizepräsident des World Jewish Congress (WJC) Ariel Muzicant, von den Schriftstellern Doron Rabinovici und Susanne Scholl sowie der Direktorin des Jüdischen Museums Wien, Barbara Staudinger.

IKG-Präsident Deutsch hatte per X zur Teilnahme aufgerufen. "Die FPÖ huldigt einem rabiaten Antisemiten und Nationalsozialisten; und zwar nicht in den üblichen Kellern, sondern im Hohen Haus", kritisierte er einmal mehr. Schon am Dienstagvormittag hatten rund 30 Vertreter von Sozialistischer Jugend Österreich (SJÖ) und Verband Sozialistischer Student_innen (VSStÖ) Rosenkranz per Transparent und Redebeiträgen zum Rücktritt aufgefordert.

Schon untertags hatten die Parteien sich am Dienstag erneut gematcht. Rosenkranz vergesse, "dass er als Nationalratspräsident der zweite Mann im Staat ist - und hier nicht als FPÖ-Vertreter agiert", wurde ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl in einer Aussendung zitiert. Die Erinnerungskultur-Sprecherin der SPÖ, Sabine Schatz, drängte auf eine Absage des Events. Dinghofer sei schließlich bekennender Antisemit gewesen, kritisierten beide.

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