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Eine überraschende Unterstützung der US-Regierung in dem Rechtsstreit nährt die Hoffnung auf einen juristischen Befreiungsschlag. Anderson will die Rechtsstreitigkeiten bis Ende 2026 signifikant eindämmen. Für ihn wird das Jahr damit zu einer "Make-or-Break-Geschichte", wie Speich sagt - einem Jahr, das über Erfolg oder Misserfolg seiner Amtszeit entscheidet.
Anfang Dezember sorgte ein Hoffnungsschimmer für Euphorie am Aktienmarkt: Der Generalanwalt der US-Regierung empfahl dem Supreme Court, die Berufung von Bayer im Glyphosat-Streit anzunehmen. Das Oberste Gericht der USA folgt in der Regel den Empfehlungen. "Die Entscheidung ist ein wichtiger Meilenstein für Bayer auf dem Weg, die Glyphosat-Risiken zu reduzieren", sagt Fondsmanager Markus Manns von Union Investment.
Ob der Fall tatsächlich angenommen wird, soll bis Anfang Jänner feststehen; ein Urteil könnte dann bis zum Sommer fallen. Sollte das Oberste Gericht feststellen, dass die Glyphosat-Zulassung durch die nationale Umweltbehörde EPA Klagen auf Ebene der Bundesstaaten ausschließt, wäre dem Großteil der rund 65.000 offenen Klagen die Grundlage entzogen. JP Morgan zufolge könnte dies die Rückstellungen um rund 5 Mrd. Euro reduzieren und dem Aktienkurs bis zu 20 Prozent Auftrieb geben.
Doch die Hoffnung ist fragil. Zwar legte die Aktie seit Jahresbeginn mehr als 75 Prozent zu, doch Anderson habe sich damit nur "Zeit erkauft", sagt Speich. Der Börsenwert bleibt ein Mahnmal: Er schrumpfte von einst 120 Mrd. Euro im Jahr 2015 - ein Jahr vor Bekanntgabe der Monsanto-Übernahme - auf heute rund 32 Mrd Euro. Fast doppelt so viel gab Bayer einst für den Glyphosat-Entwickler aus. Mit dem Zukauf holte sich Bayer eine Klagewelle wegen der angeblich krebserregenden Wirkung des Herbizids ins Haus, die das Unternehmen bis heute dominiert. Selbst die Debatte über eine mögliche Abspaltung der Sparte mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten ist vorerst verstummt. "Strukturelle Veränderungen sehen wir nicht, das ist auch nicht zwingend notwendig im jetzigen Umfeld", sagt Speich. Manns erwartet jedoch eine Wiederaufnahme der Diskussion 2026/27.
Alle Augen richten sich nun auf die Frage: Was passiert, wenn der Supreme Court den Fall zwar annimmt, aber nicht im Sinne von Bayer urteilt? "Das wäre eine sehr unglückliche Situation, da nicht abzusehen ist, wie Bayer die Klagewelle beenden kann", sagt Manns. Eine Lösung würde dann "wesentlich länger dauern und teurer werden", prognostiziert Speich. Laut Manns blieben dann Optionen wie ein Verkaufsstopp von Glyphosat, gesetzliche Initiativen zur Begrenzung der Produkthaftung, weitere Vergleiche bis hin zu einer begrenzten Insolvenz nach dem "Texas-2 Step"-Verfahren.