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L’Occitane-Chef Reinhold Geiger, der König der Düfte [PORTRÄT]

Aktualisiert
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19 min

Der Vorarlberger Reinhold Geiger machte L'Occitane zum Weltkonzern

©L’Occitane/Christophe Caudroy
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Der Vorarlberger Reinhold Geiger zog in jungen Jahren aus, um die Welt zu erobern. Dieses Kunststück gelang ihm mit dem Kosmetikkonzern L’Occitane, der ihn zu einem der reichsten Österreicher machte.

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Steckbrief Reinhold Geiger

  • Geboren: 10. Julin1947 in Dornbirn

  • Ausbildung: Maschinenbau

  • Funktion: Mehrheitseigentümer und Aufsichtsrat L'Occitane

  • Familienstand: Verheiratet, 2 Söhne

  • Vermögen: 3,1 Mrd. €

Reinhold Geiger: Out of Vorarlberg

Die Welt ist größer als Vorarlberg. Und auch viel größer als Österreich. Zu dieser Erkenntnis ist Reinhold Geiger, der 1947 in Dornbirn geborene Tischlersohn schon in jungen Jahren gekommen. Wie viele Vorarlberger Burschen seiner Generation war er in seiner Jugend begeisterter Wintersportler und fuhr in der Heimat Skirennen. Doch Geiger wollte im Grunde damals schon lieber höher hinaus und weiter weg als schnell hinunter.

Nach der Matura kehrte er Österreich den Rücken und ging nach Westen. Er wollte nach New York, London, Paris und Rio de Janeiro, um dann – in dem für den Jungspund unvorstellbaren Alter von 30 Jahren – wieder nach Vorarlberg zurückzukehren und ein beschauliches Leben zu führen.

Gelandet ist er aber zunächst in Zürich, wo er an der ETH Maschinenbau studierte. Mit dem Diplom in der Tasche ging es weiter an die INSEAD Business School nach Fontainebleau, Frankreich.

Geiger bekam Lust auf das Kosmopoliten- und Unternehmer-Dasein, fand bald auch Geschmack daran und feierte erste Erfolge. In den 1970er Jahren gründete er mehrere kleine Unternehmen, darunter ein Tourismus-Unternehmen in London und 1978 schließlich die auf Kosmetikverpackungen spezialisierte AMS Packaging Company in Paris, wo er hängen blieb, heiratete und eine Familie gründete. Nach Vorarlberg sollte Geiger, der in Frankreich „Monsieur Schäschär“ gerufen wird, künftig immer nur zu Besuch kommen. Mit der Heimat blieb er dennoch verbunden, der Trachtenjanker gehört etwa bis heute zu seinen Standard-Outfits.

L'Occitane und der Duft der Provence

Gut zehn Jahre später verkaufte der gewiefte Geschäftsmann die Verpackungsfirma AMS wieder und machte dabei einen guten Schnitt. Geiger war 42 und hatte Millionen verdient. Weil er das Geld nicht nur herumliegen lassen wollte, suchte er nach einer neuen Möglichkeit, es zu investieren.

Nach mehreren gescheiterten Versuchen entdeckte der Provence-Fan in dem kleinen Ort Manosque den Naturkosmetikhersteller L'Occitane. Geiger, der selbst ein äußerst uneitler Mensch ist und sich – wie er einmal sagte – nur beim Rasieren in den Spiegel schaut und auch zuvor niemals Cremes oder andere Kosmetikprodukte verwendet hatte, gefiel das Unternehmen, seine konsequente Ausrichtung auf Naturprodukte und vor allem konnte er auch mit dessen Gründer Oliver Baussan. Also begann er darin zu investieren und steckte in mehreren Tranchen ein paar Millionen Euro in das Unternehmen – zunächst ohne sich operativ engagieren zu wollen.

Slideshow: Naturkosmetik-Produkte von L'Occitane

Als Geiger einstieg war L'Occitane noch eine buchstäbliche kleine Quetsche, die gerade einmal auf acht Millionen Euro Umsatz kam und nur zwei eigene Geschäfte besaß. Um aus heutiger Sicht geradezu lächerliche 2,2 Millionen Euro wurde der Österreicher zunächst Hälfte-Eigentümer der Firma.

Beinahe hätte sich Geiger damit die Finger verbrannt, denn seine Millionen versickerten. L’Occitane machte massive Verluste. Bis Geiger die Reißleine zog. 1994 kaufte er die restlichen Anteile an der darniederliegenden Firma und nahm gemeinsam mit Olivier Baussan, dem Firmengründer und kreativen Kopf des Unternehmens, die Geschicke in die eigenen Hände. Er warf das alte Management der zwischenzeitlich beteiligten Natural Capital Ventures hinaus und krempelte die Firma von Grund auf um.

„L'Occitane war ein Unternehmen, das sehr gute Produkte hatte, aber nicht gut geführt war", erklärte er dem trend. „Wenn etwas nicht funktioniert, steckt man entweder noch mehr Geld hinein, oder man macht es selber.“

Erfolgsduo Geiger-Baussan

Der etwas verbummelte Literaturstudent Oliver Baussan, im Geiste ein Hippie vom alten Schlag, hatte 1976, im Alter von 23 Jahren, ein gebrauchtes Destilliergerät entdeckt und begonnen, aus den Heilpflanzen seiner Heimat Provence nach traditionellen Verfahren und alten Rezepten ätherische Öle zu destillieren. Zunächst aus wildem Rosmarin, dann auch aus Lavendel, der Lavandula Angustifolia, die in den Bergen der Haute-Provence in mehr als 800 Metern Höhe wächst. Die Öle verkaufte er unter dem Namen "L'Occitane" auf lokalen Märkten und von einem Hausboot aus, mit dem er durch Frankreich schipperte.

Der Name L'Occitane bezieht sich auf die Provinz Occitanien, die sich einst entlang der Mittelmeerküste im Süden Frankreichs, im Norden Italiens und im Norden Spaniens entlangzog. Und die Naturprodukte kamen gut an. Baussan verdiente damit immerhin so viel Geld, dass er eine alte, leerstehende Seifenfabrik in Manosque kaufen konnte, in der er in größerem Stil Naturkosmetika aus den Pflanzen seiner Heimat herstellen konnte und die traditionelle Marseiller Kunst der Seifenherstellung neu belebte.

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L'Occitane Gründer Olivier Baussan mit der Strohblume "Immortelle"

© L'Occitane

Damit war das kaufmännische Geschick Baussans aber schon beinahe erschöpft. Der Franzose war ein kreativer Kopf, ein Mensch der Düfte, den Zahlen und wirtschaftliche Fakten im Grunde nicht interessierten. Stattdessen beschäftigte er sich mit Pflanzen und deren kosmetischen und heilenden Wirkungen und der Fair Trade Idee. Für ihn zählte die Natur, seine Produkte mussten in Einklang damit stehen.

Baussan war es, der die inzwischen aus der Kosmetikindustrie nicht mehr wegzudenkende Karité, besser bekannt als Shea-Butter oder "Frauengold", entdeckte. Auch die Anti-Aging-Strohblume „Immortelle“ – die Unsterbliche – ist eine seiner Entdeckungen, Und er setzte von Beginn an konsequent auf fairen Handel mit den Produzenten. Den Kooperativen der Hochebene von Sault in der Provence, wo L'Occitane den Großteil der Lavendelproduktion abnimmt, ebenso wie den Frauen in Burkina Faso, woher die Shea-Butter stammt.

Für die Vermarktung seiner für die Kosmetikindustrie geradezu bahnbrechenden Ideen hatte Baussan jedoch wenig Talent, und genau diesen Part konnte der Vorarlberger Reinold Geiger ideal erfüllen.

Reinhold Geigers Erfolgsrezept

Also übernahm Geiger die operative Führung des Unternehmens und ließ Baussan das tun, was er am besten konnte – neue Produkte entwickeln. Der Österreicher wiederum kümmerte sich um deren Vermarktung und setzte – mit Erfolg – auf Expansion. Dafür holte er die Produkte aus den verstaubten Regalen von Bio- und Naturkosmetikläden und verpasste ihnen ein Image-Upgrade, indem er auf eigens gebrandete Flagship-Stores in Top-Lagen setzte. Der Österreicher hatte nämlich zuvor analysiert, dass L'Occitane überall Verluste machte - nur nicht in den eigenen zwei Geschäften.

Die Strategie ging auf, und unterstützt wurde die unternehmerische Tüchtigkeit durch Glück in Form des Romans „Mein Jahr in der Provence“ von Peter Mayle. Das 1994 veröffentlichte kulinarische Tagebuch wurde zu einem internationalen Bestseller und machte die Welt auf die bis dahin abseits von Touristenströmen schlummernde südfranzösische Provinz und ihre Düfte aufmerksam.

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Der L'Occitane Store in der Wiener Innenstadt. Das markante Shop-Design und Konzept wurde international konsequent durchgezogen.

© Elke Mayr

Das Buch machte die Provence zu einer In-Destination und setzte L’Occitane auf die Landkarte der Fashion-Society. L'Occitane wurde zur Must-Have-Marke. „Der Boom hat den Durchbruch für unsere Produkte gebracht“, erzählte Geiger später dem trend und weiter: „Natürlich gehört auch Glück dazu, aber ich habe von Anfang an den weltweiten Erfolg von L’Occitane geglaubt. In den Alpen kann man glaubhaft Ski herstellen, in der Provence eben glaubhaft Lavendelkosmetik.“

Der Aufstieg von L’Occitane zum Weltkonzern

Dem weiteren Erfolg von L’Occitane waren damit keine Grenzen mehr gesetzt. Geiger verstand es perfekt, das Sonnen- und Duftimage der naturbelassenen, endlosen Lavendelfelder und Olivenhaine Südfrankreichs zu vermarkten. Selbst Wirtschaftskrisen konnten den Aufstieg des Unternehmens nicht bremsen So erzählte Geiger etwa im Jahr 2010 dem trend: „Natürlich haben auch wir die Auswirkungen der Wirtschaftskrise gespürt: Wir haben 15 Prozent Umsatzplus gemacht. Sonst wären es sicher 25 Prozent Plus geworden.“

Dem weiteren Erfolg von L’Occitane waren damit keine Grenzen mehr gesetzt. Geiger verstand es perfekt, das Sonnen- und Duftimage der naturbelassenen, endlosen Lavendelfelder und Olivenhaine Südfrankreichs zu vermarkten. Selbst Wirtschaftskrisen konnten den Aufstieg des Unternehmens nicht bremsen So erzählte Geiger etwa im Jahr 2010 dem trend: „Natürlich haben auch wir die Auswirkungen der Wirtschaftskrise gespürt: Wir haben 15 Prozent Umsatzplus gemacht. Sonst wären es sicher 25 Prozent Plus geworden.“

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Reinhold Geiger, Vorarlberger König der Düfte, in einem L'Occitane-Shop

© L’Occitane/Christophe Caudroy

Das Jahr 2010 war auch das Jahr, in dem Geiger das inzwischen zu einer globalen Company mit einem in der Branche einzigartigen USP herangewachsene Unternehmen an die Börse brachte – und zwar in Hongkong. Der Börsengang brachte rund 550 Millionen Euro ins Unternehmen, mit denen Geiger Schulden tilgen konnte, die durch das Auszahlen ehemaliger Miteigentümer entstanden waren. Und zusätzlich funktionierte der Börsengang auch als Türöffner für den wichtigen asiatischen Markt, wo sich das Unternehmen davor jahrelang leider ziemlich erfolglos bemüht hatte, Fuß zu fassen.

Inzwischen erwirtschaftet L’Occitane 49 Prozent seiner Umsätze in der Region Asia-Pacific und 13 Prozent in den USA. Auf den Heimatmarkt Frankreich entfallen rund acht Prozent des Umsatzes von L'Occitane, der laut Geschäftsbericht im Jahr 2021 bei 542 Millionen Euro lag, der Jahresgewinn bei 91 Millionen Euro. 27 Prozent des Unternehmens befinden sich im Streubesitz. Der Rest ist zum Großteil – rund 70 Prozent – in den Händen Reinhold Geigers und des Gründers Olivier Baussan.

New York, London, Tokio, Casablanca, Aruba, Hanoi, Wien – nach dem Börsengang wuchs das ehemalige Ein-Mann-Unternehmen rasch zu einer globalen, hochprofessionellen und ebenso profitablen Company heran. Im Gespräch mit dem profil schwärmte Geiger einmal: "Es ist ein fantastisches Abenteuer. Ein Vergnügen, jeden Tag aufzustehen."

Das Vergnügen hat sich für Geiger auch finanziell bezahlt gemacht. Sein 70-Prozent-Anteil an dem von ihm groß gemachten Konzern ist mittlerweile mehrere Milliarden Euro wert. Mit einem geschätzten Vermögen von 3,1 Milliarden Euro liegt der charmante Vorarlberger Beau auf Rang 14 im trend-Ranking der reichsten Österreicher.

Weltweit gibt es inzwischen über 3.000 L’Occitane Shops in fast 100 Ländern, wovon die Hälfte von der L’Occitane Group direkt geführt werden. In Österreich werden die Geschäfte von der Kärntnerin Elisabeth Hajek geführt, die als 30-Prozent-Eigentümerin der hiesigen L’Occitane GmbH die Marke nach Österreich brachte. Der Handel mit kosmetischen Erzeugnissen und Körperpflegeprodukten ist auch hierzulande ein einträgliches Geschäft, das in 20 Filialen und über den Webshop floriert.

Zukunft von L'Occitane

Im September 2021 zog sich Geiger im Alter von 74 Jahren aus dem operativen Geschäft in den Aufsichtsrat zurück und übergab die Leitung der L’Occitane-Gruppe nach 25 Jahren an den um neun Jahre jüngeren André J. Hoffmann. Was wohl auch nur ein Zwischenschritt ist, denn im Grunde soll L'Occitane auch weiterhin von der Familie Geiger kontrolliert werden. Reinhold Geiger bereitet die Übergabe an seine Söhne vor, die beide seit Jahren international im Unternehmen tätig sind. Adrien Geiger ist seit Februar 2020 CSO – Chief Sustainability Officer – von L'Occitane und Nicolas Geiger aktuell Präsident von L’Occitane Japan. Sie sind die designierten Nachfolger und werden das Unternehmen im Sinne ihres Vaters weiterführen.

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Adrien Geiger, CSO L'Occitane

© L'Occitane International

Für den gebürtigen Vorarlberger, der sich vorgenommen hat, fortan tatsächlich ein wenig leiser zu treten, ist die Übergabe des operativen Geschäfts auch ein Schritt in eine neue Ära. L’Occitane soll in den nächsten Jahren zu einem internationalen Multi-Brand-Unternehmen weiterentwickelt werden. Mit den schon zur Unternehmensgruppe gehörenden Marken Melvita Biokosmetik, Erborian Korean Skin Therapy, dem brasilianischen Ableger L'Occitane au Brésil sowie LimeLife by Alcone und der britischen Marke Elemis ist die Company bereits auf dem besten Weg dazu.

Schwindeln, also durch industrielle Zutaten von der selbst auferlegten Position eines reinen Naturkosmetikherstellers abzuweichen, war und ist ein No-Go. Genauso wie eine Produktion außerhalb der Provence, ohne Produkte entsprechend zu kennzeichnen. Der Markenzusatz "En Provence" steht als ganz klares Zeichen dafür, dass in den Produkten die Pflanzen und Düfte der Provence stecken. Die in Europa nicht erhältlichen Produkte der brasilianischen Linie tragen den Markenzusatz "En Bresil".

L’Occitane, ein Unternehmen mit Verantwortung

Und passend zu dem Label der Naturkosmetik wurde und wird bei L’Occitane auch auf Verantwortung sehr großer Wert gelegt. Der Environmental and Social Governance Report hat im Unternehmen einen fast höheren Stellenwert wie der normale Geschäftsbericht, der im Grunde nur aus aktienrechtlichen Gründen veröffentlicht wird. Biodiversität, CO2-Neutralität und der Schutz der Wälder sind etwa integrale Bestandteile der Strategie.

Menschenrechte, eine faire Entlohnung und Arbeitsbedingungen ebenso. Die Firma kooperiert mit Institutionen wie dem International Union for the Conservation of Nature (IUCN) Nature Congress oder der Convention on Biological Diversity Negotiations, zu der L'Occitane von der Vereinigung Business for Nature eingeladen wurde. Das Unternehmen bekennt sich zu den Prinzipien des United Nations Global Compact zur Stärkung der Menschenrechte, zu Umweltschutz und Korruptionsbekämpfung.

Im ESG-Report des Unternehmens schreibt Reinhold Geiger: "Es ist absolut klar geworden, dass die Gesundheit der Menschen, unseres Planeten und der Wirtschaft intrinsisch miteinander verbunden sind. Wir haben uns daher eine ambitionierte Mission auferlegt. Mit 'Empowerment' wollen wir die Menschen positiv beeinflussen und die Natur wiederherstellen."

Über die eigene L’Occitane-Stiftung unterstützt die Firma zudem etwa seit Jahrzehnten die Karitéfrauen in Burkina Faso, woher L'Occitane die für die eigenen Produkte benötigte Shea-Butter bezieht. Das Unternehmen kooperiert dabei mit der Bildungsinitiative Action Education / Aide et Action, die Alphabetisierungszentren gründet und betreibt, um es den Frauen ijn Burkian Faso zu ermöglichen, unabhängiger zu werden. Weitere Schwerpunkte der Stiftung sind Projekte zur Bekämpfung von Blindheit oder Sehschwächen in Afrika, Asien und Brasilien in Kooperation mit der internationalen Hilfsorganisation ORBIS, die gegen die vermeidbare Blindheit kämpft, sowie zum Schutz der Biodiversität.

Und Mitarbeitern wird viel Freiraum für neue Ideen und Konzepte eingeräumt. Für Geiger ein entscheidender Punkt, um das Unternehmen jung und innovativ zu halten. Dem trend gegenüber erklärte er: „Das sind genau diese jungen Leute mit schrägen Ideen und neuen Zugängen zu unseren Themen, die wir brauchen. Wer nie das Risiko des Scheiterns eingeht, wird bei uns nicht lange dabei sein.“

Die reichsten Österreicher:innen

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