
Weshalb man Österreichs angeblich ungünstige demografische Entwicklung feiern sollte.
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Droht Österreich Gefahr, weil die Geburtenrate so niedrig ist? Pessimisten warnen vor Arbeitskräftemangel, untergehenden Unternehmen und angeblich unproduktiven Alten, die den Jüngeren auf der Tasche liegen. Dasselbe gelte für viele Nachbarländer. Unsinn. Alterung bremst nicht den Fortschritt – sie ermöglicht ihn.
Österreich und Europa altern: Laut OECD waren 1970 14,1 Prozent der Österreicher älter als 65, heute sind es mehr als 20 Prozent. Die „Altersabhängigkeitsquote“ Österreichs (OADR = Wie viele Menschen sind 65 Jahre oder älter pro 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter) stieg von 25,1 im Jahr 2000 auf jetzt mehr als 33. Die OECD prognostiziert einen Anstieg auf 40 bis 2030 und auf 52 bis 2050. Weniger als zwei Erwerbstätige pro Pensionisten – das klingt beunruhigend.
Österreichs aktuelles Rekordtief bei den Geburtenzahlen für 2024 – nur 1,31 Geburten pro Frau, in Wien sogar nur 1,22 – geben Anlass zur Sorge. Auch der Schnitt in Europa liegt bei nur 1,38! Diese Zahlen nähren die Befürchtung, Österreich und andere Nationen könnten einfach so ‚verschwinden‘. Klingt beunruhigend!
Höhere Lebensstandards
Was ist zu tun? Seien Sie zuversichtlich! Jede große Volkswirtschaft altert, wenn sie prosperiert. Höherer Lebensstandard und bessere Gesundheitsversorgung verlängern das Leben und die produktiven Jahre. Viele Länder mit ‚günstiger‘ Demografie, vor allem in Afrika, leiden unter Armut und hoher Sterblichkeit. Ihre Volkswirtschaften und Kapitalmärkte? In einem bedauerlichen Zustand.
Pessimisten erklären Italiens schwaches Wachstum mit der Demografie und blenden die wahren ökonomischen Treiber wie Arbeitszeit, Investitionen und Branchenstruktur aus. Außerdem übersehen sie, dass Länder mit größeren Börsengewinnen in den letzten zwei Jahrzehnten – Schweden, Deutschland und Holland – extrem hohe OADRs aufweisen. Und sie übersehen, dass Spanien, das derzeit das Wachstum in der EU anführt, Jahre zuvor wegen seiner schlechten demografischen Daten kritisiert wurde.
Dies lässt sich teilweise durch Voreingenommenheit erklären. Pessimisten stellen uns Ergraute als geizige Rentner dar, die nur an ihre Pension denken. Das ist ein Irrtum! Nehmen wir die USA: 1984 gaben Amerikaner im Alter von 25 bis 34 Jahren 41 Prozent mehr aus als diejenigen im Alter von 65 bis 74 Jahren. Und in 2023? Da ist diese Lücke auf nur noch zehn Prozent geschrumpft. Ältere Menschen investieren und finanzieren so das Wachstum des Kapitalismus. Zu hohe Belastungen? Ha! Viele arbeiten bis in ihre 70er- oder 80er-Jahre. Ich bin fast 75 – und habe noch keine Pläne für den Ruhestand. Erfahrung kann ältere Arbeitnehmer in den heutigen dienstleistungs- und technologieorientierten Volkswirtschaften sogar noch produktiver machen.
Optimistisch bleiben
Pessimisten extrapolieren lediglich die jüngsten Trends. Aber niemand kann wissen, ob die Geburtenrate in Österreich und Europa weiter sinken wird. In Österreich hat sie nach einem Rückgang in den 2000er- und einem Großteil der 2010er-Jahre wieder angezogen und das Niveau der frühen 1980er-Jahre erreicht. In Europa gab es in diesem Zeitraum mehrere Aufschwünge.
Es weiß auch niemand, wie viele qualifizierte Arbeitskräfte die Einwanderung bringen wird, die ebenfalls das Bevölkerungswachstum ankurbelt. Österreich hat im letzten Jahr durch Migration netto über 50.000 Menschen dazugewonnen, davon allein über 7.500 aus Deutschland.
Und wie könnten neue Erfindungen die Effizienz steigern? Denken Sie an die Auswirkungen des Mikrochips! Oder des Internets! Oder gar KI! Die Demografie ist nicht unser Schicksal. Innovation schon.
Aktien? Sie bewerten Faktoren, die sich in etwa drei bis 30 Monaten auf die Rentabilität von Unternehmen auswirken. Nicht mehr. Demografische Trends entwickeln sich über Jahrzehnte hinweg nur sehr langsam, sodass Aktien ausreichend Zeit haben, sich anzupassen.
Fürchten Sie sich also nicht vor demografischen Schreckensszenarien – heißen Sie sie willkommen. Sie senken die Erwartungen und bereiten den Boden für positive Überraschungen, die die Märkte beflügeln. Bleiben Sie optimistisch!
Der Artikel ist im trend.PREMIUM vom 24. Oktober 2025 erschienen.
Über die Autoren

Ken Fisher
Kenneth Lawrence Fisher, geb. 1950, ist Investment-Analyst und einer der erfolgreichsten Investmentberater der USA. Er ist zudem Autor zahlreicher Bücher zu den Themen Wirtschaft und Finanzen. Fisher ist Gründer und Vorsitzender von Fisher Investments, einer Firma für Finanzberatung und Vermögensverwaltung mit Sitz in Camas, Washington.